

Joschka Fischer: Jahrelang stand er - mit weitem Abstand - an der Spitze der Liste der beliebtesten Politiker Deutschlands.
Angriffslustigkeit wurde ihm attestiert, er galt als scharfzüngig und instinktsicher. Auf dem internationalen Parkett war er diplomatisch geschickt, ...
... im Umgang mit seiner Partei war er sowohl begnadeter Strippenzieher als auch eiskalter Machtpolitiker.
Und um das Bild abzurunden: Fischer ist guten Rotweinen ebenso zugewandt wie gelegentlicher Askese, ...
... entwickelte in der Hochphase seiner politischen Karriere einen ausgeprägten Sinn für edle Stoffe ...
... und gilt dennoch nur als durchschnittlich eitel. Allerdings stand Fischer im Ruf, insbesondere im Umgang mit Wollpulli-tragenden Parteifreunden, zur Arroganz zu neigen, ...
... im Umgang mit Frauen - von 19-jährigen Studentinnen bis hin zu US-Außenministerinnen - jedoch erstaunlichen Charme zu entwickeln (dazu später mehr).
Doch der einstige politische Großmeister, erst in der Opposition, dann der Regierung, sieht dem Spiel der Macht inzwischen nur noch aus der Ferne zu.
Ohne viel Rummel feierte Joschka Fischer am 12. April 2008 seinen 60. Geburtstag.
Joseph Martin Fischer, wie ihn - nicht nur - die Kollegen der FAZ noch immer gerne nennen, war als Außenminister zwar nicht mehr der uneingeschränkte Leitwolf der Grünen.
Dennoch vertrat er die Grünen nach außen als Galionsfigur, wurde als Vordenker der Partei wahrgenommen, die im Jahr 2008 gerade mal halb so alt ist wie ihr einstiger "heimlicher Vorsitzender".
Dabei kümmerte der Außenminister sich um die partei-internen Belange nur noch am Rande, aus der Innenpolitik hielt er sich - zum Ärger manchen Parteifreundes - wenn möglich heraus.
Das war mal anders. Vielleicht kam Fischer gerade wegen seiner persönlichen Entwicklung vom Straßenkämpfer ...
... über den "Turnschuh-Minister" (Im Bild: Die Original-Schuhe von Fischer, die er 1985 bei seiner Vereidigung zum hessischen Umweltminister trug, heute ausgestellt im Deutschen Ledermuseum in Offenbach) ...
... bis hin zum Staatsmann im Dreiteiler (hier 1999 mit EU-Kommissionspräsident Jacques Santer) auch in konservativen Kreisen so gut an - verkörpern doch gerade seine Wandlungen eine nicht nur in der Politik ungewöhnliche Glaubwürdigkeit.
Fischer wird 1948 in Gerabronn (Baden-Württemberg) als drittes Kind in ein streng katholisches, kleinbürgerliches Elternhaus geboren.
Zwei Jahre zuvor hatten seine Eltern als Ungarndeutsche Budapest verlassen müssen. Sein Vater war dort Metzger, die Mutter hatte vor der Heirat einen Tabakladen betrieben.
Nach der Umsiedlung in die schwäbische Provinz muss sich der Vater als Hilfsarbeiter in Schlachthöfen durchschlagen.
Auch Joschkas Leben verläuft nicht geradlinig. Kurz vor Abschluss des zehnten Schuljahres verlässt er im März 1965 mit 17 Jahren das Gottlieb-Daimler-Gymnasium in Stuttgart.
Mäßig motiviert beginnt er im beschaulichen Fellbach, wo die Eltern inzwischen wohnen, eine Lehre als Fotograf, bricht jedoch auch diese bald ab.
Kaum 18 macht sich Fischer auf Reisen. Per Anhalter durchstreift er Westeuropa, Griechenland und die Türkei und landet letztlich sogar im damals sehr exotischen Kuwait.
Im Herbst 1966 kehrt er nach Deutschland zurück: Seine Schwester ist schwer erkrankt. Sie stirbt. Wenig später erleidet der Vater einen tödlichen Schlaganfall.
Heimlich sagt er 1967 zum ersten Mal vor dem Standesamt Ja - allerdings im schottischen Gretna Green, denn seine Auserwählte, die Polizistentochter Edeltraud, ist erst 17.
Die Liebe beginnt romantisch: In Marseille schlagen sich beide als Pflastermaler durch. Und zumindest auf dem Papier hält sie relativ lange: elf Jahre.
"Doch ein richtiges Familienleben entwickelte sich nicht", schreibt die Fischer-Biografin Krause-Burger. "In Frankfurt, dem Zentrum für die Theorie von der Revolution, wo die beiden schließlich gelandet waren und sich mit allerlei Jobs über Wasser hielten ..., (Bild: Cohn-Bendit)
... lebte man mal zusammen, mal auch wieder nicht, mal in dieser Wohngemeinschaft, mal in jener. Es galt in diesen Revoluzzerkreisen der Satz: 'Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment.'" (John Lennon und Yoko Ono im Juni 1968)
Auch die ehemalige RAF-Terroristin Margrit Schiller (links ein undatiertes Polizeifoto, rechts 2000 in Hamburg) wohnte zeitweise mit Fischer in einem Haus, was 2001 zu einer ebenso kurzen wie skurrilen Affäre führt:
Die Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Außenminister wegen uneidlicher Falschaussage. Hintergrund: die Aussage des Außenministers beim OPEC-Prozess, er habe nie mit der ehemaligen RAF-Terroristin Margrit Schiller zusammengewohnt.
Fischer räumt schließlich ein, mit Schiller möglicherweise gemeinsam gefrühstückt zu haben, als diese in der benachbarten Frauen-Wohngemeinschaft übernachtete. Die Ermittlungen werden im April 2001 eingestellt.
Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre mischt Fischer in der Studentenbewegung mit. Seine Bildungslücken schließt er mit dem Besuch der Universität.
Ohne Abitur, ohne eingeschrieben zu sein, hört er in Frankfurt Vorlesungen, unter anderem von Habermas, Adorno und Negt (v.l.n.r.) ...
"Ich habe eine profunde theoretische Ausbildung genossen, sozusagen ein Studium ohne Scheine und ohne Abschluss, und davon zehr' ich noch heute", zitiert ihn seine Biografin.
Wenn er nicht arbeitet oder in der Uni hängt, ist er in der studentischen Protestbewegung und der Gruppe "Revolutionärer Kampf" aktiv. In diese Zeit fällt der Auftakt zum Terror der "RAF", die zum bewaffneten Kampf gegen den Staat antritt:
Polizei und Feuerwehr sichten den Schaden in der ausgebrannten vierten Etage des "Kaufhof" auf der Frankfurter Zeil im April 1968. Vier Plastikflaschen voll Benzin mit einem primitiven Weckzünder richteten zwei Mio. DM Sachschaden an und veränderten die Republik.
Über Wasser hält sich Fischer mit Gelegenheitsjobs. Unter anderem steht er bei Opel am Fließband. Als er auf einer Betriebsversammlung zum Streik aufruft ... wird er gefeuert.
In Frankfurt lernt er auch Daniel Cohn-Bendit, Jahrgang 1945, kennen (Aufnahme von 1968).
Neben Cohn-Bendit wird Fischer zu einem der führenden Köpfe der Frankfurter Sponti-Szene.
Beim Agitieren und Protestieren bleibt es nicht. Fischer beteiligt sich an Straßenschlachten.
Am 7. April 1973 wird der Polizist Rainer Marx brutal zusammengeschlagen. Mit dabei ist auch Joschka Fischer (2.v.r).
Nach massiver Kritik muss sich Fischer 28 Jahre später für seine Vergangenheit als Straßenkämpfer entschuldigen. Er räumt ein, bei Demonstrationen Polizisten geschlagen zu haben. Rainer Marx verzeiht ihm. Eine persönliche Begegnung mit Marx sucht Fischer nicht.
Nach einer Demo gegen den Vietnam-Krieg, bei der er die Bannmeile um das neue Schloss in Stuttgart missachtet, kommt es zur Anklage gegen Fischer. Das Urteil: Sechs Tage Haft. Er sitzt sie in Stuttgart-Stammheim ab.
In Frankfurt berüchtigt ist Fischers "Putztruppe", die sich dem Kampf gegen Immobilienhaie verschrieben hat und sich regelmäßig mit der Polizei um besetzte Häuser prügelt.
Doch Mitte der 70er Jahre kehrt Ernüchterung ein. Die Studentenbewegung zerfällt. Während die Mehrheit der Protestler die revolutionäre Zeit als Abenteuer hinter sich lässt und vom Rand der Gesellschaft in ihre Mitte strebt (Juso-Vizechef Scharping 1975), ...
... zieht es eine Minderheit in den militanten, terroristischen Untergrund. Diesen Weg geht Fischer nicht.
Fischer gehört zur dritten Gruppe - er fällt in ein Loch: 1977 spricht er von "Perspektivlosigkeit". Als Taxifahrer hat er viel Zeit, um nachzudenken und er konstatiert: "Die Wirklichkeit hat sich durch unseren Rückzug auf uns selbst auch nicht verändert."
Die RAF-Anschläge 1977 und die Schleyer-Entführung leiten bei Fischer nach eigenem Bekunden einen Sinneswandel ein.
Den Wandel charakterisiert Fischer als "Illusionsverlust" und "Illusionsabschleif". Nach dem Mord an Schleyer und der Landshut-Entführung wendet er sich von den radikalen politischen Gruppierungen ab.
Fischers Elan erwacht 1981. Es geht um die Frage, ob die Frankfurter Spontis auf den Listen der Grünen für das Stadtparlament kandidieren dürfen. Diese hatten sich ein Jahr zuvor gegründet. Damals mit dabei: Der Berliner Rechtsanwalt Otto Schily, ...
... später Innenminister und Mitglied der SPD.
Fischer, der bis zum Anfang der 80er Jahre mit Umweltpolitik nicht allzuviel am Hut hatte, tritt in die neue Partei ein. Viele Weggefährten früherer Tage folgen ihm und unterstützen fortan seine Politik, ...
... die den Stempel der Realpolitik bekam. "Plötzlich", so schreibt Krause-Burger, "traten die Revolutionäre von einst als Revisionisten und Reformer auf. Spontis erschienen als abgeklärt, und Öko-Bewegte zeigten sich als Heißsporne".
Bereits am 22. Juni 1981 gratulieren Rhea Thönges (r) und Christel Jahn (M) von der Fraktion der Grünen Kassels Oberbürgermeister Hans Eichel (SPD) zur Wahl. Das erste rot-grüne Bündnis in einer deutschen Großstadt (in Kassel) sorgt für Aufsehen.
Fischer behauptete später, der Kampf zwischen "Fundis" und "Realos" sei mit seinem Parteieintritt ausgebrochen, und fügte zur Begründung an:
"Warum die Revolution auf der Straße nicht, im Parlament aber funktionieren soll, das hat mir keiner klarmachen können." (Luftaufnahme der legendären Friedensdemonstration im Bonner Hofgarten 1983)
Kritiker bemängeln heute, die "arbeitslose Kaste der Spontiberufspolitiker" hätte bei den Grünen ihre letzte Chance gesehen. (Demo gegen die NATO in Berlin 1982)
Desillusioniert sei es den Spontis dabei darum gegangen, die eigene Karriere nun endlich anzugehen - zur Not auf Kosten der grünen Sache. (Ganz bei der Sache: Die Grünen der Stadt Alsdorf Anfang der 80er)
Machtstreben und Glück kommen wohl zusammen. Unerwartet erreichen die Grünen bei der Bundestagswahl 1983 5,6 Prozent.
Fischer findet sich plötzlich im Bundestag wieder. (Im Bild: Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) nach seiner Wiederwahl. Links die Grünen-Abgeordneten Petra Kelly (l) und Marieluise Beck-Oberdorf.)
Fischer wird Mitglied im Innenausschuss und macht als Provokateur von sich reden. Die Tricks für sein Amt als Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion schaut er sich bei seinem damaligen Amtskollegen der Union ab, ...
... Wolfgang Schäuble. Die beiden achten und verstehen sich: Fischer präsentiert 2003 Schäubles Buch "Scheitert der Westen?".
Er ist aber auch noch auf der Straße zu sehen: Mitglieder der Grünen (Fischer neben dem Schild "No Nukes") blockieren am 1983 ein US-Militärgelände in Frankfurt, das nach ihren Informationen für die Montage von Pershing-II-Raketen vorgesehen war.
Im Zuge der Bundestagsdebatte über den NATO-Doppelbeschluss kommt es im November 1983 zu dem berühmten Ausruf Fischers an Richard Stücklen (l, im Bild mit dem damaligen CSU-Chef Strauß): "Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch."
Nach zwei Jahren scheidet Fischer - dem damaligen Rotationsverfahren der Grünen gemäß - aus dem Parlament aus. Doch schon im Dezember des Jahres prägt er eines der Schlüsselbilder der Nachkriegspolitik.
In Hessen wird unter Holger Börner eine rot-grüne Koalition gebildet. Fischer wird als Umweltminister zum bundesweit ersten Kabinettsmitglied der Grünen.
Es ist sein legendärer Auftritt bei seiner Vereidigung am 12. Dezember 1985 in Turnschuhen, der in Erinnerung bleibt.
Die Koalition in Hessen zerbricht 1987, die CDU gewinnt die Landtagswahl. Börner muss den Stab an Walter Wallmann übergeben. 1990 verpassen die Grünen auch den Einzug in den Bundestag.
Fischer setzt daraufhin in der Partei eine Strukturreform durch: Die Abschaffung der Rotation und die Wahl von zwei Parteivorsitzenden.
Das kommt an. Die Wähler mögen seinen Pragmatismus. 1991 erhalten die hessischen Grünen 8,8 Prozent der Stimmen. Fischer kehrt als Umweltminister zurück. Ministerpräsident ist zu dieser Zeit Hans Eichel. 1994 zieht sich Fischer aus der Landespolitik zurück, ...
... taucht nur noch gelegentlich in der Fussball-Elf des hessischen Landtags auf (im Hintergrund erkennen Sie übrigens den Chef der Truppe, der heute wieder Chef der Truppe ist: Bundesverteidigungsminister Jung) ...
... um nach der Bundestagswahl 1994 seine eigentliche bundespolitische Karriere zu beginnen. Er wird neben Kerstin Müller Fraktionssprecher ...
... und in den letzten Jahren der Ära Kohl zum populärsten und bissigsten Oppositionsführer im Bundestag ...
... und außerhalb des Bundestages. Fischer auf einer Wahlkampfrede 1998 in München (oben) und als aufmerksamer Kavalier im gleichen Jahr auf dem 93. Deutschen Katholikentag in Mainz mit der damaligen Bundesumweltministerin Merkel.
Innerparteilich sorgt er wiederholt für Wirbel. Insbesondere 1995, als er ein Grundsatzpapier zur militärischen Sicherung Bosniens veröffentlicht.
In dem Papier befürwortet er den Einsatz von Waffen in der Region und fordert eine "Interventionspflicht der UN bei Völkermord". Die Grünen-Basis ist entsetzt.
Doch er setzt sich durch (im Bild: Parteitag der Grünen 1997 in Kassel). Der Einsatz der Bundeswehr nicht nur in Bosnien ist bei den Grünen heute kein Thema mehr.
Dennoch fällt es der Partei weiterhin schwer, Fischer zu folgen. Der an der Spitze vollzogene Wandel hin zu einer Partei der neuen bürgerlichen Mitte stößt bei der Parteilinken auf Skepsis. Fischer 1997 in der Diskussion mit Kernkraftgegnern in Dannenberg.
1998 gewinnen SPD und Grüne die Bundestagswahl. Fischer wird Vizekanzler und Außenminister.
Nach dem Marsch durch die Institutionen ist Fischer damit in einem Amt gelandet, das wie kaum ein anderes realpolitische Sachzwänge fordert. Und er bekommt ein schönes neues Gebäude: Richtfest des Auswärtigen Amtes im November 1998.
Symbolische Übergabe des Staffelstabes der EU-Präsidentschaft durch den österreichischen Außenminister Schüssel am 11.12.1998. Am 1. Januar übernimmt Deutschland die EU-Präsidentschaft. Fischer erwirbt sich schnell international Respekt im Amt.
Seine Ideen über die Rolle und Struktur des künftigen Europas werden ebenso beachtet wie seine Bemühungen um ein Weiterkommen im Nahost-Friedensprozess ...
... und wie sein Umgang mit den USA. In US-Außenministerin Madeleine Albright findet er eine Freundin. "Er ist eine ungeheuer faszinierende Persönlichkeit", sagt die 1937 Geborene später über Fischer.
Mal lauter, mal leiser setzt er sich bei den UN für einen ständigen Sitz Deutschlands im UN-Sicherheitsrat ein.
Von seiner Partei entfernt er sich in diesen Jahren. "Es gibt keine grüne Außenpolitik, nur eine deutsche Außenpolitik", hatte Fischer gleich nach seinem Amtsantritt verkündet. (Fischer nach der Bundestagswahl 1998 bei der NATO)
"Joschka liebt sich und sein Ministerium und dann die Grünen", heißt es in der Partei. Auf dem "Kriegsparteitag" in Bielefeld wirft ein Linksautonomer 1999 einen Farbbeutel auf Fischer.
Konnte die Partei ihm beim Kosovo-Krieg gerade noch folgen, kommt es 2000 zu einer schweren Krise. Die von Fischer geforderte Aufgabe der Trennung von Amt und Mandat fällt auf einem Parteitag durch. Hartnäckig halten sich Gerüchte über einen möglichen Wechsel Fischers zur SPD.
So weit kommt es nicht. Die damals neue Parteispitze unter Kuhn und Künast fängt Fischer wieder ein, er lässt sich in den Parteirat wählen.
Die Wiederwahl von Rot-Grün 2002 gelingt - dank des drohenden Irak-Kriegs, aber auch wegen der Grünen und ihres Zugpferdes Fischer. Die SPD verliert zwar, der kleine Koalitionspartner legt jedoch fast zwei Prozent zu.
Und Fischer genießt die Anerkennung für seine Haltung im Irak-Konflikt: "I'm not convinced", ruft er (wenige Woche vor Beginn des Kriegs) dem damaligen US-Verteidigungsminister Rumsfeld 2003 zu den Kriegsgründen und -Plänen der Amerikaner zu.
Fischer wirkt gelöst und entspannt - und nimmt wieder zu. Stimmt: Das hätten wir beinahe vergessen. Der Charme ...
Vier Frauen hat Fischer inzwischen verschlissen. Nach Edeltraud heiratet er 1984 Inge. Mit ihr hat er zwei Kinder: David wird 1979 geboren, Lara 1983. Doch schon 1987 folgt die Scheidung.
Im gleichen Jahr sagt er Ja zu Claudia. Die Ehe hält bis 1996. Doch man streitet sich übers Kinderkriegen, sie verlässt ihn - schwanger von einem anderen Mann.
Den Trennungsschmerz überwindet er nach eigenen Angaben mit asketischen Lebensgewohnheiten.
Der damals 110 Kilogramm schwere Außenminister wird zum Marathonläufer und speckt dramatisch ab.
Am Ende steht sein Buch "Der lange Weg zu mir selbst" ...
... und eine neue Frau. Nicola. Auch sie wesentlich jünger als Fischer.
Die Hochzeit folgt 1999. Doch 2003 ist auch Ehe Nummer vier am Ende.
Seit Sommer 2003 ist Fischer mit der Filmstudentin Minu zusammen. Erstaunlich: Auch zwei Jahre später war das Paar noch nicht verheiratet.
Dabei behauptete sein Freund Daniel Cohn-Bendit: "Der Joschka ist eben katholisch, der muss immer gleich heiraten." (Cohn-Bendit bei seiner eigenen Hochzeit 1997 in Lauret bei Montpellier)
Er behielt Recht: Die Hochzeit kam im Oktober 2005.
Zunächst allerdings kam der Visa-Untersuchungsausschuss. Angst schien Fischer vor seiner Befragung nicht zu haben.
Die "Titanic" gab dem Außenminister darum einen Ratschlag mit auf den Weg.
Fischer hält durch. Er kann die Vorwürfe zwar nur bedingt entkräften, ...
... doch geht er erhobenen Hauptes aus der Sitzung. Seine Ankläger redet er rekordverdächtige zwölf Stunden lang bis zur Erschöpfung. Der Minister bekennt nach der Marathonsitzung des Untersuchungsausschusses: "Ich fühlte mich nicht unwohl."
Als die SPD nach der verlorenen Wahl in NRW Neuwahlen anstrebt, bringt Fischer wiederholt seinen Unmut zum Ausdruck. Auch wenn ihn eine Freundschaft mit Schröder verbindet - dessen Entscheidung, das rot-grüne Projekt vorzeitig zur Disposition zu stellen, gefällt ihm nicht.
Der Wahlkampf beginnt. Fischer sammelt seine Kräfte, begibt sich von der Bühne der Weltpolitik auf die Marktplätze der Republik.
Und er erweist sich als Kämpfer. Tausende Kilometer legt er mit seinem Wahlkampfbus zurück, auf den Veranstaltungen will er mehr Zuspruch erfahren haben als vor drei Jahren.
Auch die Partei ist begeistert von ihrer Galionsfigur. Maßgeblich Fischer ist es zu verdanken, dass die Grünen bei der Wahl am 18. September 2005 nur 0,5 Prozentpunkte verlieren und 8,1 Prozent der Stimmen holen.
Um so überraschender sein Auftritt vor der Fraktion am 20. September. Viele hatten damit gerechnet, dass Fischer nun den Fraktionsvorsitz übernehmen will. Doch Fischer winkt ab.
Nach sieben Jahren als Außenminister will er nicht mehr für eine kleine Fraktion die Oppositionsarbeit organisieren.
Nach einer Gastprofessur in den Vereinigten Staaten vertreibt er sich in den vergangenen beiden Jahren die Zeit mit Kolumnen und Vorträgen zu internationalen Themen.
Daneben ist er im "European Council on Foreign Relations" aktiv, einer Denkfabrik, deren Gründungsmitglied Fischer ist.
Er habe mit der Unterschrift unter den Koalitionsvertrag in Hessen vor über 20 Jahren seine Freiheit gegen die Macht eingetauscht, sagte Fischer 2005. "Nun will ich meine Freiheit zurück".