

Diktator Nicolae Ceausescu regiert die Sozialistische Republik Rumänien mit eiserner Hand. Er verweigert sich jeglichen Reformen. Seine Herrschaft wird durch eine blutige Revolution beendet.
Offiziell kosten die Unruhen vom 16. bis 27. Dezember 1104 Menschen das Leben. Anders als in den anderen sozialistischen Ländern gelingt es den Rumänen nicht, sich gewaltfrei ihres Diktators zu entledigen.
Im Gegensatz zu Ungarn, Polen, der CSSR und der DDR kommt es in Rumänien zu militärischen Auseinandersetzungen. In diese sind neben Miliz und Geheimdienst Securitate auch Einheiten der rumänischen Armee eingebunden. Erst nach tagelangen schweren Kämpfen kann das Ceausescu-Regime gestürzt werden.
Rumänien befindet sich seit der Besetzung durch die Rote Armee im August 1944 im Einflussbereich der Sowjetunion. Bis zu seinem Tod am 19. März 1965 ist Gheorghe Gheorghiu-Dej (rechts, mit dem damaligen sowjetischen Parteichef Nikita Chruschtschow) der starke Mann in Rumänien. Er installiert die stalinistischen Strukturen im Land.
Nach Gheorghiu-Dejs Tod wird der erst 47-jährige Nicolae Ceausescu Chef der rumänischen Kommunisten. Zunächst ist er durchaus populär. Rumänien erlebt die Zeit der Industrialisierung; die soziale Lage verbessert sich in den 1960er-Jahren spürbar. Von Anfang an betreibt Ceausescu eine Politik der relativen Eigenständigkeit Rumäniens innerhalb des sowjetischen Herrschaftsbereichs.
Und Moskau lässt ihn gewähren. So glänzt Ceausescu (hier mit dem damaligen UN-Generalsekretär U Thant) auf internationalem Parkett - eine Rolle, die ihm sichtlich behagt. Aus ökonomischen Gründen ringt Ceausescu - seit 1967 ist er auch Vorsitzender des Staatsrates Rumäniens - um bessere Beziehungen zum Westen. Das schließt diplomatische Alleingänge mit ein.
Für Aufsehen sorgt die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Rumänien und der Bundesrepublik Deutschland 1967 (auf dem Foto Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger und Außenminister Willy Brandt). Dies geschieht gegen den Willen der DDR-Führung. Für Ceausescu zählen die ökonomischen Fakten: Immer mehr westdeutsche Schwarzmeer-Touristen bringen Devisen ins Land.
Nicht weniger spektakulär ist Ceausescus Nahost-Politik (hier bei einem Treffen mit der israelischen Regierungschefin Golda Meir). Auch hier zieht Rumänien seinen Nutzen: Ceausescu nutzt den Anspruch Israels, alle Juden zu vertreten, dazu, Mitglieder der jüdischen Gemeinde Rumäniens an Israel buchstäblich zu verkaufen. Die "Kopfgeld"-Politik ist geboren.
Nach dem Sechs-Tage-Krieg zwischen Israel und Ägypten, Jordanien und Syrien im Juni 1967 lehnt es Rumänien als einziges Ostblockland ab, die diplomatischen Beziehungen zum jüdischen Staat abzubrechen.
In großem Umfang verlassen Juden Rumänien in Richtung Israel. Hunderte Millionen US-Dollar fließen auf geheime Konten. Ceausescu lässt sich als Verteidiger der Menschenrechte feiern.
Der rumänische Machthaber sorgt im arabischen Lager für große Verärgerung. Dennoch gelingt es ihm erfolgreich, zwischen den Parteien zu lavieren. Ceausescu - hier bei einem Treffen mit Palästinenserchef Jassir Arafat 1976 - spielt sich als Vermittler zwischen den verfeindeten Nahost-Parteien auf. Dies wird in den USA mit Wohlwollen aufgenommen.
Nicolae Ceausescu als Weltpolitiker. Auf der UN-Vollversammlung 1970 in New York legt er die Grundzüge der rumänischen Außenpolitik dar. Ceausescus Ansehen im Westen erreicht in dieser Zeit seinen Höhepunkt. Sein national orientierter Kurs wird als Pfahl im Fleische des Sowjetreiches gesehen.
Zumal sich Ceausescu vom Führungsanspruch der UdSSR innerhalb der kommunistischen Bewegung distanziert. Im August 1968 verweigert er die Teilnahme rumänischer Truppen an der Niederschlagung des Prager Frühlings. Er verurteilt die sowjetische Besetzung der CSSR scharf.
Ceausescu punktet bei den Rumänen. "Niemand kann in Fragen des sozialen Lebens ein Monopol auf die absolute Wahrheit beanspruchen", sagt Ceausescu an die Adresse Moskaus gerichtet. Die Besetzung der Tschechoslowakei sei "ein beschämender Moment in der Geschichte der revolutionären Bewegung".
Die Sowjetunion hält gegenüber Rumänien still. Die Moskauer Politbürokraten wissen, dass Ceausescu im Gegensatz zum abgesetzten tschechoslowakischen Kommunistenchef Alexander Dubcek (Foto) eine Demokratisierung Rumäniens strikt ablehnt.
Ceausescu legt Ende der 1960er-Jahre Wert auf gute Beziehungen zu den USA. Die Amerikaner gehen darauf ein. Im August 1969 kommt US-Präsident Richard Nixon nach Bukarest. Ceausescu besucht im Dezember 1970 Washington. Das Land wird Mitglied des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank.
Die USA machen sich den rumänischen Alleingang innerhalb des Ostblocks zunutze. Westliche Politiker geben sich in Bukarest die Klinke in die Hand. Im August 1975 besucht Nixons Amtsnachfolger Gerald Ford Rumänien.
Auch Jimmy Carter versucht, den guten Draht zu Rumänien zu erhalten. Nicolae Ceausescu und seine Frau Elena mit dem US-amerikanischen Präsidentenpaar auf dem Balkon des Weißen Hauses. Nach diesem Besuch im April 1978 kühlen sich die Beziehungen aber merklich ab. Carter, für den die Erhaltung der Menschenrechte hohe Priorität hat, registriert die wachsenden Repressalien in Rumänien in dieser Zeit.
Denn Ceausescu - hier mit seinem bulgarischen Amtskollegen Todor Schiwkow - korrigiert bereits Anfang der 1970er-Jahre seinen innenpolitischen Kurs. Er baut in Rumänien eine stalinistische Diktatur mit einem stark ausgesprägten Personenkult auf. Gleichzeitig weitet er seine Macht aus. Am 28. März 1974 übernimmt er das Amt des rumänischen Staatspräsidenten. Dazu wird am 17. März 1975 die Verfassung rückwirkend verändert.
Eine Reise nach Nordkorea im Jahr 1971 bringt Ceausescu mit dem dortigen Personenkult um den "Großen und Geliebten Führer" Kim Il Sung in Berührung. Der Rumäne ist davon begeistert.
Die Aufmärsche in Pjöngjang und damit verbundenen Huldigungen Kim Il Sungs überträgt Ceausescu auf Rumänien und seine Person. Die Zeit des innenpolitischen Tauwetters ist endgültig vorbei.
Im Gegensatz zu den anderen Ostblock-Staaten unterbricht Ceausescu die Beziehungen zur Volksrepublik China nicht. Im Gegenteil: Er nähert sich dem sowjetfeindlichen Mao Zedong an. Bei seinem Besuch in Peking im Juni 1971 interessiert sich Ceausescu für die Ergebnisse der Kulturrevolution von 1966 bis 1969. Er ist von Mao beeindruckt - ein Grundstein für sein weiteres Wirken an der Spitze des rumänischen Staates.
Für den sowjetischen Parteichef Leonid Breschnew bedeutet der extreme innenpolitische Kurswechsel von Nicolae Ceausescu Entwarnung. Die Führung der Rumänischen Kommunistischen Partei (RKP) im südosteuropäischen Land bleibt unangetastet. Die Sowjetunion muss nicht tätig werden.
Zur Schau gestellte Einigkeit zwischen Breschnew und Ceausescu bei einem Treffen im Jahr 1977 auf der Krim. Rumänien ist ein fester Bestandteil des Warschauer Vertrages und des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) - nur das zählt in Moskau. Zudem steht auch für den starken Mann in Bukarest die Diktatur des Proletariats nicht zur Disposition.
Ceausescus außenpolitischer Geltungsdrang bleibt allerdings ungebrochen groß. Sein Treffen mit dem kubanischen Machthaber Fidel Castro im August 1973 sorgt für die erste Verstimmung in den USA. Ceausescu sonnt sich in der Rolle als Unterstützer der Länder mit sogenannten nationalen Befreiungsbewegungen.
Auch im Verhältnis zur arabischen Welt vollzieht Ceausescu - hier mit Iraks Machthaber Saddam Hussein - einen Kurswechsel.
Unterdessen entfaltet sich in Rumänien der Personenkult um Nicolae Ceausescu und seine Frau Elena. Ihm werden Titel wie "Großer Kommandant", "Titan der Titanen", "Glorreiche Eiche aus Scornicesti" (Ceausescus Geburtsort) oder "Sohn der Sonne" gegeben.
Seit Beginn der 1970er-Jahre lässt er sich auch "Conducator" (Führer) nennen. So ließ sich bereits der von 1940 bis 1944 regierende Ministerpräsident und Verbündete Adolf Hitlers, Ion Antonescu (Foto), bezeichnen. Ceausescu belässt es aber nicht dabei: "Genie der Karpaten" wird eine gängige Bezeichnung für den RKP-Generalsekretär.
Und ein Genie hat auch eine "geniale Frau": Seit 1945 ist Ceausescu mit Elena - hier mit Tochter Zoia - verheiratet. Sie gilt in der rumänischen Propaganda als "Gelehrte von Weltruhm". Elena Ceausescu trägt einen extra für sie geschaffenen Doktortitel zum Fach Technische Chemie. Studiert hat sie allerdings nie. Jahre zuvor war ihr Vorname Lenuta (Lenchen) in Elena umgewandelt worden.
Auch um Elena Ceausescu wird ein Personenkult betrieben. Sie sieht sich selbst als die "liebende Mutter der Nation". Beim rumänischen Volk ist sie allerdings verhasst.
Zahllose Plakate und Gemälde gibt es vom Diktatorenpaar. Inmitten von Kindern sehen sich die Ceausescus am liebsten. Rumäniens "Conducator" plädiert für Familien mit fünf Kindern. Abtreibungen sind verboten. Viele Familien können ihre Kinder nicht ernähren und verstoßen sie; die Folge sind völlig überfüllte Kinderheime und unzählige Kinder, die auf der Straße leben.
Ceausescus Bild darf nirgendwo fehlen. Eine Art kommunistische Kitschproduktion erfährt in Rumänien Hochkonjunktur. Sogar Vasen bleiben davon nicht verschont.
Nicolae Ceausescu hat sein Land fest im Griff. Allerdings erlebt Rumänien zu Beginn der 1980er-Jahre einen wirtschaftlichen Niedergang. Eine rigorose Industrialisierung führt zur Vernachlässigung der Landwirtschaft. Der Schuldenberg Rumäniens steigt. Ohne Rücksicht auf Verluste werden Lebensmittel exportiert.
Eine große Gefahr für Ceausescus Herrschaft ist zudem die wachsende Demokratiebewegung in anderen Ländern des sowjetischen Imperiums. Seit 1979 erschüttert in Polen die Gewerkschaft Solidarnosc die kommunistische Herrschaft in ihren Grundfesten. Das ist der Anfang vom Ende des Kommunismus in Europa.
Solidarnosc-Führer Lech Walesa 1982 in Warschau. Ceausescu verurteilt das für ihn zu lasche Vorgehen der polnischen Staatsmacht gegen die Freiheitsbewegung. Im Gegensatz zum Ende der 1960er-Jahre ist er nun für ein entschiedenes Vorgehen der Sowjetunion. Ceausescu entdeckt aus reinem Machtkalkül für sich die führende Rolle Moskaus.
Allerdings schlägt Polens starker Mann Wojciech Jaruzelski einen anderen Kurs ein. Zwar verhängt der General am 13. Dezember 1981 das Kriegsrecht in Polen. Allerdings erkennt Jaruzelski später zähneknirschend die Realität an und spricht mit den demokratischen Kräften. Ergebnis ist eine friedliche Demokratisierung. In Rumänien sollte die Entwicklung anders verlaufen.
Und Ceausescu droht weiteres Ungemach. Im März 1985 wird Michail Gorbatschow Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU). Seine Politik von Glasnost und Perestroika widerspricht völlig Ceausescus Vorstellungen von einer Diktatur des Proletariats. Die Beziehungen zwischen Moskau und Bukarest kühlen sich merklich ab. Gorbatschow versucht erfolglos, Ceausescu von der Richtigkeit seiner Politik zu überzeugen.
Gespielte Einigkeit bei Gorbatschows Besuch in Rumänien Ende Mai 1987. Der Russe blitzt bei Ceausescu ab. Der Rumäne nervt seinen Gast mit der Aufzählung von Erfolgen seiner Politik. Gorbatschow warnt Ceausescu vor unabsehbaren Folgen, die sein reformfeindlicher Kurs hervorrufen wird.
Dennoch macht Gorbatschow gute Miene zum bösen Spiel. Auch für den KPdSU-Generalsekretär steht die Einheit des Ostblocks noch nicht zur Disposition. Dennoch sorgt ihn die Ignoranz Ceausescus vor den in seinen Augen notwendigen Veränderungen in Rumänien. Gorbatschow sollte allerdings beim rumänischen "Bruder" auf Granit beißen.
Der Diktator braucht Geld. Am 15. Oktober 1984 besucht er mit seiner Frau in Bonn Bundeskanzler Helmut Kohl. Er entdeckt einen weiteren gewinnbringenden rumänischen "Exportartikel": Er verlangt "Kopfgeld" für Angehörige der deutschen Minderheit.
Ceausescu benötigt dringend Devisen für die marode rumänische Wirtschaft. Dabei scheut er vor keinem Mittel zurück. Kohl sollte das Ehepaar Ceausescu später in einem Fernsehinterview als "Heimsuchung" bezeichnen.
Ceausescu versucht die Verbesserung der Beziehungen zu den USA (Treffen mit Außenminister George Shultz im Dezember 1985). Doch die Amerikaner lassen den Diktator auflaufen.
Ceausescus Herrschaft droht eine weitere Gefahr. Nach Polen leitet nun auch der Nachbar Ungarn einen Demokratisierungsprozess ein. Die Regierung in Budapest öffnet am 2. Mai 1989 ihre Grenze zu Österreich. Auf dem Foto durchschneiden Ungarns Außenminister Gyula Horn (r.) und sein österreichischer Kollege Alois Mock den Stacheldraht. Ceausescu und Honecker schäumen. Gorbatschow lässt die Ungarn gewähren.
Nicolae Ceausescu zeigt sich unbelehrbar. Händeschütteln im Bukarester Stadion "23. August". Die tatsächliche ökonomische und soziale Lage in Rumänien ignorierend, zieht das Regime die innenpolitischen Zügel weiter an. Noch herrscht im Karpatenstaat Friedhofsruhe. Es ist die Ruhe vor dem Sturm.
Trotz Jubelveranstaltungen: Das Rumänien des Nicolae Ceausescu isoliert sich immer mehr. Ceausescu will beziehungsweise kann nicht mehr die Erfordernisse der Zeit erkennen. Seine Herrschaft, die zu Beginn der 1980er-Jahre noch ungefährdet ist, neigt sich dem Ende zu.
Das Regime agiert mit dem Schüren von Angst, Unterdrückung und gegenseitige Bespitzelung. In der Jugend wächst die Religiosität als Mittel gegen die kommunistische Herrschaft.
Unterdessen geht mit Rumänien ökonomisch immer weiter bergab. Die Läden sind leer; Lebensmittel werden rationiert. Damit ist die Versorgung der rumänischen Bevölkerung nicht mehr gewährleistet. Immer öfter fällt der Strom aus; Millionen Haushalte sind davon betroffen.
Dagegen lässt Ceausescu Protzbauten wie den "Palast des Volkes" errichten. Mittlerweile rumort es auch in der Kommunistischen Partei. Vor allem Altkader wie Silviu Brucan und Gheorghe Apostol kritisieren Ceausescus Kurs. Sie nutzen die Bukarester Parteiakademie "Stefan Gheorghiu" als Plattform.
Sie stehen auch in enger Verbindung zur Führung in Moskau. Bereits im November 1987 kommt es in Brasov (Kronstadt) zu einer Revolte. Dortige Lkw-Werksarbeiter streiken; einige von ihnen dringen in die RKP-Zentrale ein. Der Geheimdienst Securitate schlägt die Unruhen nieder.
Dagegen lässt sich Nicolae Ceausescu weiter feiern. Auf dem XIV. RKP-Parteitag im November 1989 wartet er mit einem Rechenschaftsbericht auf, dessen Inhalt die aktuellen Lage in Rumänien völlig ignoriert. Übliche Phrasen wie die weitere Entwicklung des Sozialismus und die Stärkung der Partei sind zu vernehmen. Reformen sind laut Ceausescu nicht notwendig.
Dabei sind wichtige Weggefährten Ceausescus nicht mehr an der Macht. Sein zuletzt engster Verbündeter, SED-Chef Erich Honecker, dankt am 18. Oktober 1989 ab. Auch er hat sich bis zuletzt durch Reformfeindlichkeit ausgezeichnet.
In der CSSR muss sich am 24. November 1989 Kommunistenchef Milos Jakes dem Druck der Straße beugen.
Am 10. November 1989 nimmt in Bulgarien Todor Schiwkow seinen Hut. Ceausescu ist damit völlig isoliert.
Auch in der RKP setzen sich immer mehr Kader von ihm ab. Bereits im März 1989 wird ein von Altkommunisten verfasstes Dokument bekannt. Darin wird Ceausescu unter anderem das Nichtrespektieren der rumänischen Verfassung vorgeworfen. Zudem wird das sogenannte Dorfsystematisierungs-Programm, das die Zerstörung ganzer Dörfer vorsieht, angeprangert.
Der Diktator spürt seinen Machtverfall und macht einen letzten Versuch, um ihn aufzuhalten. Am 4. Dezember 1989 reist er gemeinsam mit seinem Regierungschef Constantin Dascalescu nach Moskau. Er versucht Gorbatschow und den sowjetischen Ministerpräsidenten Nikolai Ryschkow zu überreden, mehr Einfluss auf die übrigen Ostblock-Staaten zu nehmen.
Doch Gorbatschow lehnt Ceausescus Ansinnen ab. Er nimmt keinen Abstand von seiner Politik, die beinhaltet, dass alle sozialistischen Staaten für ihre Geschicke selbst verantwortlich sind. Gorbatschow legt dem "Conducator" sogar indirekt den Rücktritt nahe; das lehnt allerdings Ceausescu ab.
In Rumänien herrscht Anfang Dezember 1989 nur wenig Hoffnung, dass Ceausescu gestürzt werden könnte. "Maisbrei explodiert nicht" - dies ist der selbstironische Spruch, mit dem viele Rumänen die Stimmung in ihrem Land in diesen Tagen bezeichnen. Anders als in den anderen Staaten gibt es in Rumänien keine organisierte Oppositionsbewegung.
Dort soll der Pfarrer der reformierten Kirche, Laszlo Tökes, wegen "aufrührerischer Reden" in ein entferntes Dorf versetzt werden. Die Sache ist besonders pikant, weil Tökes der ungarischen Minderheit angehört. Er hatte bereits im September 1989 im ungarischen Staatsfernsehen das Ceausescu-Regime massiv kritisiert.
Tökes widersetzt sich am 15. Dezember der Versetzung. Vor seiner Wohnung versammeln sich hunderte Menschen. Am 16. Dezember wendet sich die Versammlung zu einer Demonstration gegen Ceausescu. Die Einsatzkräfte gehen mit Gummiknüppeln gegen die Demonstranten vor.
Aber der Geist des Umbruchs ist aus der Flasche. Daran ändert auch eine vom Regime organisierte Kundgebung am 21. Dezember in Bukarest nichts. Arbeiter aus den Betrieben am Rande der rumänischen Hauptstadt und aus anderen Städten werden ins Zentrum gekarrt, um Ceausescu zu huldigen. (Bild vom 22. Dezember)
Doch es geschieht das Unfassbare: Neben dem organisierten Applaus vernimmt der Diktator auch Buhrufe und Pfiffe. Ceausescu ist geschockt. Schnell verspricht er den Anwesenden noch Lohnerhöhungen und mehr Kindergeld. Es hilft nichts: Das Regime hat abgewirtschaftet; der 71-Jährige muss seine Rede abbrechen.
Unterdessen nehmen die Unruhen in Bukarest zu; der Aufstand ist in vollem Gange. Dem Ehepaar Ceausescu bleibt am 22. Dezember nur noch die Flucht aus der Hauptstadt. Sie steigen auf das Dach des ZK-Gebäudes und verlassen per Hubschrauber in letzter Minute Bukarest. Sie fliegen zum in der Nähe gelegenen Snagov und flüchten dann weiter im Auto. In Targoviste werden sie festgesetzt.
In Bukarest fallen Schüsse; in der Stadt herrscht eine unübersichtliche Lage. Es beginnen Straßenkämpfe - bis heute ist unklar, warum. Auch ist ungeklärt, wer auf die Zivilisten geschossen hat - Securitate-Leute oder Militär.
Nach und nach verbrüdern sich Armee-Einheiten mit den Aufständischen. Bis zu Ceausescus Sturz am 22. Dezember sterben 62 Menschen. Vom 22. bis 27. Dezember werden 942 Menschen getötet. Allein in Bukarest lassen 495 Menschen ihr Leben.
Handstreichartig übernimmt die sogenannte "Front der nationalen Rettung" unter Leitung von Ion Iliescu die Führung. Iliescu war 1971 von Ceausescu als ZK-Sekretär für Propaganda abgesetzt worden. Er war bis zur Machtübernahme Direktor des Verlags für technische Literatur in Bukarest.
Ihm wird nach wie vor vorgeworfen, mit seiner Gruppe Chaos und Gewalt bewusst geschürt zu haben. Iliescu spricht dagegen von mysteriösen Ceausescu-treuen "Terroristen", die um sich gefeuert hätten.
Fest steht, dass die Armeeführung am 22. Dezember auf die Seite der Umstürzler wechselt. Den Soldaten gelingt es allerdings erst nach Tagen, im Kampf gegen Securitate-Mitglieder die vollständige Kontrolle über die Hauptstadt zu erlangen.
Die schwersten Kämpfe gibt es am Fernsehgebäude. Dieses haben die Revolutionäre als erstes strategisches Objekt erobert.
Trotz des Wechsels der Armee auf die Seite der Revolution herrscht bis in die unteren Ränge eine große Unsicherheit. Viele Soldaten wissen nicht, von wem sie die Befehle erhalten.
Klar ist allerdings, dass das Ceausescu-Regime gestürzt ist. Die Gruppe um Ion Iliescu hat den spontanen Volksaufstand zur Machtergreifung genutzt.
"Der Zug kam an und wir sind einfach aufgestiegen", sagt Silviu Brucan, der zum engsten Kreis von Iliescu gehört. Der 2006 verstorbene Journalist und Diplomat trifft sich schon 1988 in Moskau mit Gorbatschow und gilt als wichtiger Drahtzieher der Wende in Rumänien.
Am 27. Dezember ist die Machtfrage in Bukarest endgültig geklärt. Die Schießereien ebben ab. Die Ceausescu-Diktatur ist Geschichte.
Die Unruhen in Rumänien sind die blutigsten im Wendejahr 1989. In Bukarest und anderen Städten werden viele Häuser zerstört und ganze Straßenzüge verwüstet - ein wahrhaft schwieriger Weg in Richtung Demokratie beginnt.
Tote Securitate-Leute in den Straßen von Bukarest. Viele andere Geheimdienstler schaffen die Wende und kommen im neuen rumänischen Geheimdienst unter.
Unterdessen wird das Ehepaar Ceausescu in die Kaserne von Targoviste gebracht. Zunächst will kein Soldat Nicolae und Elena Ceausescu erschießen. Um sich des Diktatorenpaares zu entledigen, wird eine Gerichtsverhandlung inszeniert - eine Farce.
Ein nur aus Militärs bestehendes Gericht verurteilt die Ceausescus am 25. Dezember zum Tode. Der Prozess dauert nicht einmal zwei Stunden.
Das Urteil wird umgehend vollstreckt. Nicolae und Elena Ceausescu werden erschossen.
Diese Bilder gehen um die Welt: die Leichen von Elena ...
... und Nicolae Ceausescu.
Die Leichen werden nach Bukarest ins das dortige Militärkrankenhaus geflogen. Dort bleiben sie fünf Tage. Erst am 30. Dezember wird von den neuen Machthabern die Beisetzung von Nicolae und Elena Ceausescu verfügt.
Bis heute ist das Grab des "Conducators" eine Wallfahrtsstätte für Anhänger des alten Regimes.
Bis heute gibt es keine ausführliche Aufarbeitung der Ereignisse. Ion Iliescu hat kein Interesse daran. Immerhin führt er Rumänien in die Demokratie. Von 1992 bis 1996 und von 2000 bis 2004 ist er Präsident Rumäniens - für die sozialdemokratische PSD, die sich hauptsächlich aus den alten kommunistischen Eliten rekrutiert.
Fakt ist: Der Kommunismus ist auch in Rumänien gescheitert. Die Lenin-Statue im Zentrum von Bukarest wird abgebaut. Rumänien kann sich aber nur langsam von jahrzehntelanger Diktatur und Misswirtschaft erholen.
Das demokratische Rumänien ist ein Land mit einer durchwachsenen politischen Kultur (Foto: Iliescu und der von 2004 bis 2014 amtierende Präsident Traian Basescu). Seit dem 29. März 2004 ist Rumänien Mitglied der NATO, am 1. Januar 2007 tritt das Land der Europäischen Union bei. Viele Probleme sind geblieben: unzureichende Rechtssicherheit, schlechte Infrastruktur und Korruption. Nach Bulgarien ist Rumänien das ärmste Land der Europäischen Union. (Text: Wolfram Neidhard)