
Raten Sie mal, was Sie hier sehen.
Nichts?
Hannover bei Nacht?
Des Satans rabenschwarze Seele?
Falsch, ganz falsch. Bringen wir also ein wenig Licht ins Dunkel.
Es ist ein Stromausfall, den wir hier so anschaulich bebildert haben. Im Jahr 2006 konnte jeder Deutsche dieses Phänomen durchschnittliche 19 Minuten lang erleben.
Doch nur selten bekommen Endnutzer überhaupt etwas davon mit, wenn der Strom wegbleibt. Die meisten Versorgungsunterbrechungen dauern nur wenige Millisekunden. Und die werden von der Statistik überhaupt nicht erfasst.
Einrichtungen, die dringend auf lückenlose Stromversorgung angewiesen sind, müssen vorsorgen. Krankenhäuser oder Rechenzentren sind deshalb mit sogenannten USV-Geräten für eine unterbrechungsfreie Stromversorgung ausgestattet.
Auch Privatverbraucher können ihre elektrischen Geräte auf diese Weise sichern. Und das ist durchaus sinnvoll, denn Stromausfälle können teure Folgen haben.
Computerbesitzer müssen um die Daten auf ihrer Festplatte fürchten.
Gefährlich wird es aber vor allem dann, wenn der Strom wieder fließt.
Dann strömt nämlich oft erstmal zu viel aus der Steckdose. Bei Spannungsspitzen schmort empfindliche Elektronik leicht durch. Und so fällt manch ein Flachbildfernseher, Receiver oder manche Heizungssteuerungsanlage dem Stromausfall zum Opfer.
Die Hausratversicherung hilft in solchen Fällen selten weiter - es sei denn, man hat den Überspannungsschutz extra bezahlt.
Bleibt noch die Möglichkeit, den Stromversorger auf Schadenersatz zu verklagen. Der haftet aber nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit - und die muss man erst einmal nachweisen.
Die Aussicht auf Erfolg ist gering. So musste RWE nach dem tagelangen Stromausfall im Münsterland im Jahr 2005 keinen Schadenersatz leisten. Fast 500 Strommasten waren damals unter der Last der Schneemassen zusammengebrochen.
Der Netzbetreiber RWE konnte sich mit einem Härtefallfonds aus der Affäre ziehen. Für die Betroffenen war das allenfalls ein schwacher Trost.
Die Stromkunden waren sauer: Sie zahlen schließlich auch für die Instandhaltung des Netzes.
Verantwortlich sind die vier großen Netzbetreiber: EnBW, Eon, RWE und Vattenfall. Sie sind per Gesetz verpflichtet, ein "sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz zu betreiben und bedarfsgerecht auszubauen".
Ob dies auch geschieht, darüber wacht die Bundesnetzagentur. Und deren Erkenntnisse im jüngsten Zustandsbericht waren zumindest bedenklich:
Im Niederspannungsbereich - das ist der Teil des Netzes, der den Strom in die Steckdose leitet - sind die Masten im Schnitt fast 50 Jahre alt und damit dringend erneuerungsbedürftig.
Im Mittelspannungsbereich sieht die Lage etwas besser aus, doch auch hier findet man noch Masten aus der Vorkriegszeit. Üblicherweise müssen Freileitungsmasten nach spätestens 50 Jahren ausgetauscht werden.
Angesichts solcher Zustände prognostiziert die Netzagentur für die Zukunft Versorgungsengpässe. RWE-Chef Großmann warnt gar vor einem Kollaps der Stromsysteme.
Schon in diesem Sommer könnte es zu tagelangen Stromausfällen kommen, prophezeite Großmann medienwirksam. Ganz so schlimm wird es nicht werden, meinen andere Experten. In einem Punkt herrscht aber bei allen Einigkeit:
Es besteht Handlungsbedarf. Sowohl Leitungen als auch Kraftwerke müssten dringend erneuert werden.
Denn wenn in den nächsten 15 Jahren die Kernkraftwerke vom Netz gehen, könnte Deutschland spätestens dann auf Stromimporte aus anderen Ländern angewiesen sein.
Im Moment sind wir von einem Mangel aber noch weit entfernt. Im Gegenteil: In Deutschland wird mehr Strom produziert als das Netz aufnehmen kann. Denn speichern kann das Netz nicht, es überträgt nur.
Auf einer Gesamtlänge von über 1,6 Millionen Kilometer leiten Stromkabel in Deutschland die Energie vom Kraftwerk in die Steckdose. Eine Reise, die keineswegs gleichförmig verläuft.
Die Grundlast, also der Grundbedarf an Strom, wird vorwiegend von Kohle-, Kern und auch Wasserkraftwerken produziert. Über Höchstspannungsleitungen wird die Energie ins überregionale Verteilernetz und ins europäische Verbundnetz geleitet.
Umspannwerke sind die Knotenpunkte im Stromnetz. Sie drosseln die Energie nun auf Hochspannungsniveau herunter. Weitere Kraftwerke speisen ihren Strom ein.
Das Hochspannungsnetz schickt den Strom weiter in die regionalen Verbrauchszentren. Von hier aus geht es mit Mittelspannung von bis zu 300 Volt weiter.
Große Industriebetriebe ziehen ihren Strom natürlich nicht aus der Steckdose. Sie schließen sich direkt ans Hochspannungsnetz an. Andere Großabnehmer wie Schulen oder Behörden decken ihren Bedarf aus dem Mittelspannungsnetz.
Erst wenn die Spannung auf 400 beziehungsweise 230 Volt transformiert wurde, erfolgt die Feinverteilung an die Endabnehmer.
Dass das ganze reibungslos funktioniert, darum kümmern sich die Netzleitstellen. Sie sind sozusagen die Kommandozentralen im Stromnetz und sorgen dafür, dass die Energie dort ankommt, wo sie gerade gebraucht wird.
Sie lenken den Strom um, wenn ein Kabel kaputt ist und koordinieren die Reparaturarbeiten. Außerdem erkennen sie bei hohem Stromverbrauch Spannungsspitzen im Netz.
Diese Spannungsspitzen lassen sich auch auf der Lastkurve ablesen. Steil nach oben geht es morgens zwischen sechs und neun Uhr, wenn die Menschen aufstehen, Licht einschalten und Kaffeemaschine, Toaster und Rasierer anwerfen.
Kritisch wird es in Ausnahmesituationen, etwa bei großen Fußballspielen. Wenn in den Halbzeitpausen Kühlschränke aufgerissen werden und tausende Toilettenspülungen auf einmal rauschen und die Elektropumpen beanspruchen, glühen die Stromeitungen.
Einmal im Jahr taucht ein besonderes Phänomen auf: die Gänsebratenspitze. Am ersten Weihnachtsfeiertag zwischen 11 und 14 Uhr gerät das Stromnetz regelmäßig an seine Kapazitätsgrenze. Schuld sind Gänse, die in Millionen Öfen vor sich hin brutzeln.
Der konstante Strombedarf wird von der Grundlast abgedeckt. Während der täglichen Stoßzeiten werden die Mittellast-Kraftwerke zugeschaltet.
Für die Mittellast eignen sich flexible Kraftwerktypen, die ihre Produktion im Tagesverlauf variieren können. Das ist zum Beispiel bei Steinkohle der Fall, aber auch Öl- und Gaskraftwerke arbeiten in diesem Bereich.
In Spitzenbedarfszeiten ist Flexibilität gefordert. Die Stromproduktion muss schnell hochfahren, aber ebenso schnell wieder gedrosselt werden können.
So dynamisch arbeiten Pumpspeicher- , Druckluftspeicher und Gasturbinenkraftwerke. Sie sind die Sprinter unter den Energieerzeugern. Mit rund 46 Euro pro Megawattstunde (MWh) ist ihr Strom allerdings sehr teuer.
Steinkohlekraftwerke produzieren ab 41 Euro pro MWh kostendeckend. Am günstigsten arbeiten die abgeschriebenen Atomkraftwerke. Sie können die MWh schon für 17 Euro liefern.
An der Strombörse, wo etwa ein Viertel des benötigten Stroms gehandelt wird, spielen die Herstellungskosten allerdings sowieso keine Rolle. Hier entscheiden allein Angebot und Nachfrage über die Preise - und die liegen im Moment deutlich über 50 Euro.
Wenn bei windiger Wetterlage die Windkraftanlagen auf Hochtouren laufen, kann der Preis aber auch schnell in den Keller sacken.
Am sogenannten Spotmarkt an der Strombörse wird nur der kurzfristige Bedarf gedeckt. Alles andere handeln die Konzerne direkt untereinander aus. Dafür geben die Preise an der Strombörse den Richtwert vor.
Problem dabei: Wenn Konzerne wie RWE und EnBW an der Börse im großen Stil einkaufen, treiben sie gleichzeitig den Preis für Strom am Gesamtmarkt nach oben und können dort entsprechend teurer verkaufen. Deshalb steht die Strombörse in Leipzig in der Kritik.
Wenn wir unsere Stromrechnung begleichen, zahlen wir aber ohnehin weit mehr als die reinen Energiekosten. Die machen ein knappes Viertel des Gesamtpreises aus - die Gewinne der Energieversorger sind da schon eingerechnet.
Rund 40 Prozent des Betrages landen als Steuern und Abgaben im Staatssäckel. Öko- und Mehrwertsteuer machen den größten Teil aus.
Der andere große Posten auf der Stromrechnung entfällt auf das Netzentgelt. Im Moment erhalten die Netzbetreiber gut 30 Prozent für die Durchleitung und Verteilung des Stroms.
Zum größten Teil gehört das Stromnetz den vier großen Konzernen, also Eon, EnBW, Vattenfall und RWE. Seit 2006 kontrolliert die Bundesnetzagentur, dass die Netzbetreiber nicht über Gebühr kassieren.
Trotzdem ist der Strompreis bislang nicht gesunken - im Gegenteil. Besserung ist kaum im Sicht, denn obwohl wir in den letzten Jahren sparsamer mit Energie umgegangen sind, könnte es in Zukunft knapp werden.
Die maroden Netze sind ein Teil des Problems, ein anderer sind die Kraftwerke. Von ihnen könnte es in Zukunft zu wenige geben. (Im Bild: Schornsteinsprengung im ehemaligen Heizkraftwerk Gera-Süd)
Rund 12.000 Megawatt Erzeugungskapazität könnten im Jahr 2020 fehlen, warnt die Deutsche Energieagentur. Um so viel zu leisten, bräuchte es 15 große Kraftwerksblöcke.
Umweltverbände bezweifeln diese Zahlen, zumal die betreffende Studie von den großen Energiekonzernen mitfinanziert wurde.
Fakt ist: Der Bau eines Kraftwerks kostet nicht nur viel Geld, sondern auch jede Menge Zeit. Baugenehmigungen sind schwer zu bekommen - wer wohnt schon gerne neben einem Kraftwerk?
Der Streit um das geplante Hamburger Steinkohlekraftwerk Moorburg zeigt, wie kompliziert die Lage ist.
Doch was ist mit "sauberen" Energielieferanten wie Sonne, Wind oder Biomasse? Sie sind politisch gewollt und werden Dank des "Erneuerbare Energien-Gesetzes" entsprechend gefördert - doch können Sie in Zukunft unseren Bedarf decken?
Nicht vollständig: Im letzten Jahr machten die erneuerbaren Energien gerade einmal 6,7 Prozent des gesamten Primärenergieverbrauchs aus. Bis 2020 soll der Marktanteil europaweit auf mindestens 20 Prozent steigen, in Deutschland gelten 25 Prozent als realistisch.
Große Hoffnungen ruhen dabei auf der Windkraft. Unter den regenerativen Energien macht sie fast 40 Prozent aus.
Doch was nützt die Energie, wenn sie nicht dort ist, wo man sie braucht? Die meisten Windparks stehen im Norden des Landes, verbraucht wird die Energie vor allem in den Ballungsräumen im Süden und Westen.
Eine zentrale Erzeugung erfordert aber auch leistungsfähige Netze - und daran mangelt es. Schon jetzt sind die Leitungen in Spitzenzeiten überlastet.
Die Netzbetreiber reagieren dann des öfteren mit einer Abschaltung von Windanlagen - zum Verdruss der Windmüller, die auf ihrem Strom - trotz Wind - sitzen bleiben. Die großen Stromkonzerne bevorzugten aus Profitgier die eigenen Kraftwerke, meinen sie.
Die Netzbetreiber argumentieren dagegen, die Windkraftanlagen gefährdeten die Stabilität der Leitungen.
Fakt ist: Leitungskapazitäten müssen dringend ausgebaut werden. Das Bundeswirtschaftsministerium will die Sache jetzt mit einem Gesetz beschleunigen, das die Genehmigungsverfahren verkürzt.
Bleibt zu hoffen, dass die Netzbetreiber mitziehen und sich nicht vor weiteren Investitionen zieren. Sonst sieht die Zukunft wohl wirklich düster aus. (Text: I. Noé, Bilder: AP, dpa, pixelio.de)