"Wäre andere Herausforderung" Chirurgen warnen: Kliniken wären nicht auf Kriegsfall vorbereitet
26.03.2025, 13:54 Uhr Artikel anhören
Deutschlands Gesundheitssystem auf Großkrisenfälle besser vorzubereiten, war schon das Ziel der Ampel-Regierung - das geplante Gesetz wurde jedoch nicht umgesetzt.
(Foto: dpa)
Deutsche Kliniken sind unzureichend auf kriegerische Auseinandersetzungen vorbereitet, warnen Fachverbände für Unfallchirurgie. Das Gesundheitssystem ist nur auf planbare Eingriffe ausgelegt - nicht auf täglich 1000 Verletzte nach Artilleriebeschuss.
Für den Bündnis- oder Verteidigungsfall gibt es derzeit zu wenig spezialisierte Ärzte und Pflegekräfte, auch Material ist knapp, warnt Dietmar Pennig als Vertreter zweier Fachverbände für Unfallchirurgie beim Deutschen Chirurgenkongress in München. Pennig ist sowohl Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) als auch der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU).
OP-Bestecke und Verbände werden meist nur für wenige Tage vorgehalten. Bei einer Unterbrechung der Lieferketten sind die Kliniken "sehr schnell blank", so Pennig. Dies wurde zu Beginn der Corona-Pandemie deutlich sichtbar, als beispielsweise Atemschutzmasken fehlten. Ärzte und Pflegekräfte sind laut Pennig meist nur unzureichend geschult, um Verletzungen durch Projektile oder Explosionen zu versorgen. Die Behandlung unterscheidet sich von geläufigeren Verletzungen wie bei einem Auto- oder Arbeitsunfall.
Grünen-Bundestagsabgeordneter Janosch Dahmen ist selbst ausgebildeter Arzt und sieht ebenfalls Handlungsbedarf: "Unser System ist auf planbare Eingriffe ausgelegt - nicht auf eine Massenanzahl an Verwundeten und schon gar nicht auf die Versorgung unter anhaltenden Drohnenangriffen oder gar Artilleriebeschuss." Im Ernstfall müsse Deutschland in der Lage sein, bis zu 1000 Verletzte pro Tag zu versorgen. Bislang werden täglich im Schnitt rund 85 Schwerverletzte in ganz Deutschland behandelt.
Schutzkonzepte auch für Naturkatastrophen nötig
Die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach von der CSU will Deutschlands Gesundheitssystem nicht nur für den Kriegsfall stärken, auch der Klimawandel könne in Zukunft vermehrt zu Krisensituationen führen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft verweist auf zahlreiche Notfall- und Katastrophenpläne für Zivilschutzmaßnahmen, welche beispielsweise bei schweren Naturkatastrophen greifen. "Ein tatsächlicher Krieg wäre jedoch eine völlig andere Herausforderung", betont Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft.
Anders als bei einem Zugunglück oder nach einem Terroranschlag würde ein kriegerischer Konflikt eine dauerhafte Hochbelastung des gesamten Gesundheitssystems auslösen. Gaß plädiert für einen flexiblen Personalpool als zivile Reserve für den Krisenfall. Zudem müssten auch Schutzkonzepte vor militärischen Angriffen für die Krankenhausstandorte entwickelt werden.
Das Bundesgesundheitsministerium verweist auf das sogenannte Gesundheitssicherstellungsgesetz, welches das Gesundheitssystem für Krisenfälle stärken soll. Das Gesetz wurde von der Ampel-Regierung jedoch nicht mehr umgesetzt. Inwieweit die Mittel des geplanten Milliarden-Finanzpakets für den Zivil- und Bevölkerungsschutz genutzt werden, entscheidet der neue Bundestag.
Quelle: ntv.de, bho/dpa