Badeanzug, Bikini, Burkini Uralter Zoff um züchtige Bademode
26.08.2016, 13:35 Uhr
Über angemessene Strandbekleidung wird seit über 100 Jahren gestritten.
(Foto: imago/UIG)
Halb Europa streitet darüber, ob der Burkini verboten gehört. Die vermeintlich falsche Bademode erhitzt schon seit über 100 Jahren die Gemüter. Lange mussten Frauen sogar ihre Füße und Waden verhüllen - heute gibt es Ärger, wenn man zu wenig Haut zeigt.
An südfranzösischen Stränden sind dieser Tage Polizisten zu beobachten, die sich weiblichen Badegästen nähern, um diese auf ihre "unsittliche" Bekleidung aufmerksam zu machen. Ein Vorfall aus Nizza sorgte vergangenen Montag weltweit für Empörung. Eine Frau, bekleidet mit Leggins, einem türkisfarbenen Oberteil und einem Tuch um den Kopf, wird umringt von Polizeibeamten. Ein Foto zeigt, wie sie sich das Oberteil auszieht.
Nicht nur Frankreich, halb Europa streitet darüber, ob der muslimische Ganzkörperbadeanzug (Burkini) verboten gehört. Der Zank um die vermeintlich falsche Badeklamotte ist uralt. Nur ging es einst um zu viel Haut, heute gibt es Ärger, wenn man zu wenig Haut zeigt.
Nackte Haut zu zeigen war an Stränden und in Badeanstalten zu Beginn des 20. Jahrhunderts verpönt. 1907 sorgte die australische Schauspielerin und Wettkampfschwimmerin Annette Kellermann für einen Skandal. Wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses wurde sie an einem Strand in Boston festgenommen. Ihr Vergehen: Sie wollte in einem eng anliegenden Männer-Badeanzug ins Wasser. "Ich will schwimmen, das kann ich nicht mit einer Wäscheleine voll Stoff an meinem Körper", begründete Kellermann ihre Rebellion. Frauen schwammen damals noch in ihren Baumwollkleidern.
Nur wenige Jahre später sorgte erneut eine Schwimmerin mit ihrem Bade-Outfit für Aufruhr. Die Engländerin Gladys Osborne trat 1910 ihre Wettkämpfe mit einem seidenen Badeanzug an, der, einmal nass, so viel Weiblichkeit zur Schau stellte, dass männliche Zuschauer nur dann erlaubt waren, wenn sie einen moralisch vertretbaren Sicherheitsabstand zum Schwimmbecken einhielten. Immerhin: Die Sportlerin landete nicht vor Gericht - für damalige Zeiten schon ein Erfolg.
"Zwickelerlass" in Preußen
Lange mussten Frauen sogar Füße und Waden mit Schuhen und Strümpfen verhüllen. Allerdings durften auch Männer nicht allzu viel zeigen. Haare zum Beispiel. "Wir wollen keine Gorillas am Strand!", forderten die Stadtväter 1936 in Atlantic City. Der Anblick behaarter Männerbrüste hatte dort am Strand für Unmut gesorgt. Daher sollten sich auch die Herren von Hals bis Schenkeln bedecken.
Erst recht verboten war das Nacktbaden. 1932 versuchte der Berliner Beamte Franz Bracht, die Freizügigkeit an den Stränden Preußens per Gesetz zu verbieten. "Männer dürfen öffentlich nur baden, falls sie wenigstens eine Badehose tragen, die mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen ist", heißt es im sogenannten "Zwickelerlass" des preußischen Innenministeriums. Ein Zwickel ist ein keilförmiger Stoffeinsatz im Schrittbereich, das als eine Art zusätzlicher eingenähter Sichtschutz gedacht war.
Offiziell hieß die Vorschrift "Badepolizeiverordnung". Frauen durften in den 1930er-Jahren nur baden, wenn sie einen Badeanzug trugen, der "Brust und Leib an der Vorderseite des Oberkörpers vollständig bedeckt, unter den Armen fest anliegt sowie mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen ist." Der Rückenausschnitt des Badeanzugs durfte außerdem nicht über das untere Ende der Schulterblätter hinausgehen.
Trotz der strengen Vorschriften trugen nach Kellermanns Pioniertat immer mehr Frauen immer weniger Badekleidung bis schließlich der Bikini 1946 alle Grenzen sprengte. Als "kleinster Badeanzug der Welt" beworben, sorgte er natürlich erst einmal für den nächsten Skandal am Strand.
Quelle: ntv.de, dsi