Panorama

Sibirien in Flammen Waldbrände? "Russische Armee hat damit nichts zu tun"

In Sibirien hat bisher etwa eine Million Hektar Landfläche gebrannt.

In Sibirien hat bisher etwa eine Million Hektar Landfläche gebrannt.

(Foto: IMAGO/SNA)

In Russland lodern Tausende Feuer auf riesigen Flächen, auch Wälder stehen in Flammen. Dieses Jahr könnten die Brände schlimmer ausfallen als sonst, befürchtet ein Feuerökologe. Dass die russischen Soldaten nicht da sind, um zu löschen, ist aber nicht der Grund.

In Russland verbrennen jedes Jahr mehrere Millionen Hektar Wald. Dass im Frühjahr große Flächen in Flammen stehen, ist nicht unüblich. Wenn der Schnee verschwindet, entstehen die Feuer in Sibirien und Westrussland auf Feldern, Grasflächen und in Wäldern.

Momentan melden aber immer mehr Regionen in Sibirien starke Waldbrände und haben Probleme, sie zu bekämpfen. 4000 einzelne Feuer hat es dieses Jahr schon gegeben, sagt die russische Regierung. Hunderte Häuser wurden zerstört, mindestens 16 Menschen sind in den Flammen gestorben. Allein in der Region Krasnojarsk brennen auf rund 1000 Hektar Wald und Steppe.

Helfen beim Löschen der Waldbrände in Sibirien: Löschflugzeuge vom Typ Be-200.

Helfen beim Löschen der Waldbrände in Sibirien: Löschflugzeuge vom Typ Be-200.

(Foto: IMAGO/SNA)

Dieses Jahr stehen mehr Flächen in Flammen als 2021, beobachtet Johann Georg Goldammer im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". Er ist Leiter des Global Fire Monitoring Center am Max-Planck-Institut für Chemie an der Universität Freiburg. "In dem Raum zwischen dem Ural und dem zentralasiatischen Teil Russlands sind es in etwa eine Million Hektar Landfläche, die von Feuer betroffen wurden. Aber davon ist nur ein kleiner Teil Wald, etwa ein Viertel der Anzahl der Feuer, die von Satelliten beobachtet werden."

Noch bewege sich das in der Norm, so Goldammer. "Das kann sich natürlich im Verlauf des Jahres weiter entwickeln, wenn Niederschläge fehlen. Wenn es weiter sehr extrem trocken bleibt, dann können wir wieder Brände bekommen, wie wir sie letztes Jahr in Sibirien gesehen haben."

Russlands Armee ohne Erfahrung bei Brandbekämpfung

Vergangenes Jahr waren in Russland 18,2 Millionen Hektar Wald und Steppe verbrannt. Dieses Jahr brennen oder brannten schon über 5 Millionen Hektar Fläche, sagt Greenpeace Russland. Und die Feuer beginnen früher als sonst. Der Zeitpunkt ist ungünstig. Einige Medien hatten berichtet, dass Russland mit der Brandbekämpfung nicht hinterherkommt, da die Soldaten fehlen. Die sind momentan wegen des Angriffskriegs Russlands in der Ukraine im Einsatz. Solche Meldungen bezeichnet Johann Georg Goldammer aber als irreführend. "Die Armee hat mit der Waldbrandbekämpfung nichts zu tun." Sie kenne sich damit nicht aus und kümmere sich auch nicht um die Evakuierung, berichtet er. Die Armee werde höchstens in Notlagen zu Hilfe geholt.

Für die Prävention und die Bekämpfung von Waldbränden in Russland seien zwei große Akteure verantwortlich, erklärt der Feuerökonom. Einmal gebe es die Forstverwaltung. "Das war früher zentral organisiert und ist seit einigen Jahren durch die russische Forstgesetzgebung dezentralisiert. Die Verantwortung liegt bei den Regionen."

Wenn die Waldbrände eskalieren und die Forstbetriebe beim Löschen nicht weiterkommen, hilft das russische Katastrophenschutzministerium EMERCOM. "Mit Hubschraubern und Feuerlöschflugzeugen, kaum mit Bodenpersonal, sondern wirklich nur mit diesem technischen Zusatzgerät. Das ist eine Partnerschaft, die sich über viele Jahrzehnte in Russland entwickelt hat und die soweit gut funktioniert und die Brände in einem Rahmen gehalten haben, die einem jahrzehntelangen Durchschnitt entsprochen haben", berichtet Johann Georg Goldammer.

Brände häufig von Menschen verursacht

"Wieder was gelernt"-Podcast

"Wieder was gelernt" ist ein Podcast für Neugierige: Warum wäre ein Waffenstillstand für Wladimir Putin vermutlich nur eine Pause? Warum fürchtet die NATO die Suwalki-Lücke? Wieso hat Russland wieder iPhones? Mit welchen kleinen Verhaltensänderungen kann man 15 Prozent Energie sparen? Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein bisschen schlauer.

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Eine Feuerwehr, wie wir sie aus Deutschland kennen, mit vielen freiwilligen Feuerwehren auf dem Land, gibt es in Russland nicht. Zusammengezählt arbeiten dort rund 1,2 Millionen Feuerleute, nur etwas mehr als in Deutschland. Und die russische Feuerwehr verfügt über nur rund halb so viele Fahrzeuge, steht in der Feuerstatistik des Weltfeuerwehrverbands. Dabei ist Russland das größte Land der Erde, fast 50 Mal so groß wie Deutschland. Und auch das mit den meisten Wäldern. Große Teile des Landes sind nicht bewohnt, es gibt in den Regionen keine Straßen oder Schienen - was die Brandbekämpfung nicht einfacher macht.

Die Waldbrände in Russland haben mehrere Ursachen. Die meisten Waldbrände - 72 Prozent - werden laut einer WWF-Studie von 2011 von Menschen verursacht. Im Norden Russlands, wo nicht viele Menschen leben, sind demnach allerdings Blitzeinschläge die häufigste Brandursache (50 bis 70 Prozent).

Wenn im Frühjahr und Spätsommer die Bauern auf den Feldern die Reste ihrer Ernte verbrennen, greifen diese Feuer auch auf Wälder und trockene Grasflächen über. Das sei zwar die preiswerteste Methode, aber langfristig nicht hilfreich, sagt Johann Georg Goldammer im Podcast. "Die Biomasse gehört in den Boden rein. Sie soll dort Humus bilden, den Boden wieder anreichern. Wenn wir über Jahre und Jahrzehnte diese Verbrennung von den Ernterückständen haben, dann ist es langfristig mit einer Degradierung der Böden verbunden."

Feuer brennen länger, heißer und intensiver

Die russischen Waldbrände kosten nicht nur Menschen das Leben und vernichten ganze Dörfer. Sie wirken sich auch auf das Klima aus. Jedes Jahr kommen Millionen Tonnen Kohlenstoff und andere Schadstoffe in die Erdatmosphäre. Außerdem taut das Feuer den dauerhaft gefrorenen Boden auf - den Permafrostboden - der zwei Drittel Russlands bedeckt. Dadurch zersetzen sich abgestorbene Pflanzenreste im Boden und der Kohlenstoff gelangt als Treibhausgas in die Luft.

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Ob das wirklich so schlimm wird, wie einige befürchten, kann man aber jetzt noch nicht sagen, meint Goldammer. "Wie am Schluss die Bilanzen aussehen, das entscheidet sich erst nach einigen Jahren, wenn man den Regenerationsprozess dieser Flächen beobachtet, ob der Wald in der gleichen alten Vitalität wieder zurückkommt. Das hat er früher in der Regel getan", so der Feuerexperte. Denn: "Wenn der Wald sich wieder voll regeneriert, dann nimmt er den ganzen Kohlenstoff wieder auf."

Russland kommt anscheinend schon jetzt nicht mehr hinterher mit der Waldbrandbekämpfung. In Sibirien mussten schon Häftlinge und Wachen aus einem Gefängnis dabei helfen, zu löschen. Dass es immer heißer und trockener wird, macht es dem Feuer leicht. Das Klima ändert sich vor allem ganz im Norden, auch in der sibirischen Taiga. "Dann brennen die Feuer doch etwas länger, heißer und intensiver", so Goldammer, "und das macht uns natürlich Sorgen".

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(Dieser Artikel wurde am Montag, 23. Mai 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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