Panorama

Gründe für die verzögerte Welle Warum Omikron in Deutschland (noch) nicht wütet

Kontrollmaßnahmen, wie Maske tragen, scheinen besonders wirksam im Kampf gegen Omikron zu sein, sagt Virologe Drosten.

Kontrollmaßnahmen, wie Maske tragen, scheinen besonders wirksam im Kampf gegen Omikron zu sein, sagt Virologe Drosten.

(Foto: picture alliance / Zoonar)

Die hochansteckende Corona-Variante Omikron ist weltweit auf dem Vormarsch. In vielen Ländern explodieren die Infektionszahlen. Nur Deutschland scheint bislang verschont worden zu sein. Dafür gibt es verschiedene Gründe.

Omikron hat die Welt fest im Griff. Viele Länder, darunter USA, Frankreich und Großbritannien, verzeichnen Höchstwerte bei den Neuinfektionen. In Italien verdoppelte sich die Fallzahl binnen eines Tages. Auch Spanien meldet einen explosionsartigen Anstieg trotz hoher Impfquote. Und Deutschland? Zwar steigt die Sieben-Tage-Inzidenz den fünften Tag in Folge an, aber mit 18.518 Neuinfektionen innerhalb der letzten 24 Stunden steht Deutschland immer noch deutlich besser da als viele seiner europäischen Nachbarn. Auch der Anteil der Omikron-Mutante ist hierzulande vergleichsweise gering. Laut Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) liegt er derzeit bei knapp über 17 Prozent. Die befürchtete Omikron-Welle lässt also noch auf sich warten. Woran liegt das?

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Omikron auch in Deutschland die dominante Variante wird und die Infektionszahlen in die Höhe schnellen lässt, sind viele Wissenschaftler und Experten überzeugt. Dass die Bundesrepublik derzeit in den Statistiken so glimpflich davonkommt, liegt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zufolge vor allem daran, dass während der Feiertage keine zuverlässigen Daten zu den Neuinfektionen erhoben wurden. Es wurde weniger getestet, Gesundheitsämter und Testzentren waren personell spärlich besetzt.

Lauterbach befürchtet, dass der Schein der sinkenden Inzidenzen trügt. Er erkenne eine "Omikron-Dynamik, die in den offiziellen Zahlen nicht zutreffend abgebildet" sei, sagte der Minister vergangene Woche der "Bild"-Zeitung. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt nach Lauterbachs Einschätzung zwei- bis dreimal höher als in den derzeitigen Statistiken ausgewiesen. "Die gegenwärtig ausgewiesene Inzidenz unterschätzt die Gefahr, in der wir uns befinden", warnte er zuletzt in Berlin.

Zudem liefern die Labore in Deutschland ein eher unvollständiges Bild über die Verbreitung der Omikron-Variante. In Ländern wie Großbritannien und Dänemark wird deutlich mehr sequenziert, jede zehnte positive Corona-Probe wird seit Pandemiebeginn standardmäßig untersucht. Deutschland hinkte lange hinterher. Inzwischen hat die Bundesregierung zwar nachgebessert und festgelegt, dass mindestens fünf Prozent der positiven Tests pro Tag sequenziert werden sollen. Doch laut einer Mitteilung des "Vereins der akkreditierten Labore" kurz vor Weihnachten arbeiten die fachärztlichen Labore "in Bundesländern mit hohem Infektionsgeschehen über der Belastungsgrenze". So ist der offizielle Omikron-Anteil von derzeit 17,5 Prozent mit Vorsicht zu genießen.

"Deutschland hat Glück"

Dennoch ist der Bonner Virologe Hendrik Streeck optimistisch, dass die Omikron-Welle Deutschland nicht so heftig treffen wird wie andere Länder. "Deutschland hat Glück, dass die anderen Länder uns voraus sind. Wir können sehen, was dort passiert, und uns darauf einstellen", sagte Streeck bei RTL Direkt. Deutschland habe im Vergleich "ziemlich starke Maßnahmen" ergriffen. "Das lässt hoffen, dass wir eine mildere Welle bekommen."

Im Gegensatz zu vielen Nachbarländern galt in Deutschland immer ein Mindestmaß an Schutzmaßnahmen. So wurden Anfang Oktober in den Niederlanden die Maskenpflicht und sogar die 1,5-Meter-Abstandsregel aufgehoben und erst mit steigenden Fallzahlen zögerlich wieder eingeführt. Das Ergebnis: Omikron konnte sich rasch ausbreiten. Mittlerweile sei Omikron zur dominanten Variante geworden, teilte das niederländische Gesundheitsinstitut RIVM zuletzt mit. Die Regierung musste angesichts der steilen Infektionskurve nicht nur die Schutzmaßnahmen verschärfen, sondern auch einen strengen Lockdown verhängen. Der gilt noch bis Mitte Januar.

Eine ähnliche Entwicklung macht auch Großbritannien durch. Das Königreich verzeichnete mit fast 190.000 Neuinfektionen in den vergangenen Tagen Höchstwerte. Der Omikron-Anteil hat sich laut Experten beinahe jeden zweiten Tag verdoppelt und liegt inzwischen bei mehr als 60 Prozent. Dennoch tut sich der politisch angeschlagene Premierminister Boris Johnson schwer, den Corona-Kurs nach bereits ausgerufenem "Freedom Day" wieder zu straffen. Erst in der Woche vor Weihnachten, als die Omikron-Variante bereits auf der Insel grassierte, konnte sich die britische Regierung nur mithilfe der Opposition zu einer leichten Verschärfung der Corona-Maßnahmen durchringen. Immerhin gilt seitdem wieder eine 3G-Regelung bei Großveranstaltungen und Nachtclubs sowie eine Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln.

Strikte Maßnahmen helfen

Im Vergleich zu Deutschland sind die Regeln auf der Insel dennoch eher lax und wurden zudem spät eingeführt. In vielen Bundesländern sind Kulturveranstaltungen seit Monaten nur unter 2G- oder 2G plus-Auflagen möglich, Nachtclubs wurden mit dem Anstieg der Inzidenzen wieder geschlossen. Auch der Chef-Virologe der Berliner Charité, Christian Drosten, glaubt, dass die relativ strikten Maßnahmen der vergangenen Wochen den Omikron-Ausbruch in Deutschland hinauszögern.

"Nach dem, was ich bisher gesehen habe, glaube ich schon, dass die geltenden und jetzt noch nachgezogenen Kontaktmaßnahmen in Deutschland den Zuwachs etwas langsamer ausfallen lassen", sagte Drosten kurz vor Silvester der "Süddeutschen Zeitung". In Großbritannien seien die Zahlen auch deswegen so in die Höhe geschossen, weil keine Kontrollmaßnahmen mehr da gewesen wären. Angesichts dessen, was er über das Virus gelernt habe, scheinen die Kontrollmaßnahmen, wie Maske tragen, aber besonders wirksam zu sein. Daher, und weil die Leute auch im Privaten vorsichtig wären, sei Deutschland besser aufgestellt.

Doch selbst wenn die Zahlen in Deutschland wegen Omikron in die Höhe schnellen sollten, gibt es Grund zur Hoffnung: Trotz täglicher Neuinfektionen in Rekordhöhe scheint Omikron in Großbritannien weniger Infizierte ins Krankenhaus zu schicken. Aktuell liegen dort rund 12.000 Corona-Patienten. Das sind zwar so viele wie seit März nicht mehr, aber immer noch deutlich weniger als zur Spitze im Januar. Damals mussten bis zu 39.000 Infizierte im Krankenhaus behandelt werden.

Auch in Spanien und Portugal, wo Omikron derzeit trotz hoher Impfquoten wütet, steigt die Zahl der Covid-Patienten in den Krankenhäusern und auf den Intensivstationen nur langsam an. Das gilt auch für die Todesfälle. In spanischen Krankenhäusern liegt im Vergleich zur verheerenden Covid-Welle zu Jahresbeginn nur rund ein Drittel der Corona-Patienten von damals. Jeder zweite von ihnen ist ungeimpft, berichten Intensivmediziner. In Portugal bezeichnen die Behörden die Zahl der Todesfälle und der Einweisungen auf Intensivstationen weiterhin als "stabil".

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen