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Scherben und Zwickmühlen Welche Aufgaben auf den neuen Papst zukommen

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Papst Leo XIV. hat eine Menge zu tun und bereits losgelegt.

Papst Leo XIV. hat eine Menge zu tun und bereits losgelegt.

(Foto: IMAGO/ABACAPRESS)

Franziskus war einer, der Hoffnungen schürte, aus denen aber nicht immer was wurde. Hier eine Liste der Reformen, die von ihm angestoßen, von Baustellen die unter ihm eröffnet wurden - allesamt aber auf der Strecke blieben.

Es heißt, dass sich der verstorbene Papst Franziskus und der gestern Abend ernannte Papst Leo XIV. in herzlicher Verbundenheit nahestanden. Die Fotos, die Prevost und Bergoglio zeigen, scheinen das zu bestätigen. Genauso wie die gestrige Ansprache an die auf dem Petersplatz versammelten Menschen. Dreimal hat er Papst Franziskus zitiert.

Trotzdem wird sich der frisch gekürte Papst in der nächsten Zeit bisweilen auch an den Kopf greifen - Franziskus hat ihm kein leichtes Erbe hinterlassen. Nicht so sehr, was die Richtung des neuen Pontifikats betrifft, sondern eher nicht abgeschlossene Reformen und offen gebliebene Baustellen. Franziskus war einer, der Hoffnungen schürte. Auch, was eine mögliche Öffnung der Kirche gegenüber progressiveren Positionen betraf. Die Bilanz fällt aber eher nüchtern aus. Es kam zu Rückziehern, weil der interne Widerstand zu stark war; zu Verzögerungen und zu dem einen oder anderen Patzer.

Der Schreibtisch ist voll

In der Tageszeitung "La Repubblica" zählt der Vatikan-Bürger Giacomo Galeazzi die wichtigsten Aufgaben auf, die Papst Leo XIV. erwarten: Es geht um die Finanzen des Vatikans, die im tief dunkelroten Bereich liegen und um Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung. Es geht um die Synodalität, also um das gemeinsame Beraten, Entscheiden und Voranschreiten der Kirche und gleichzeitig geht es um eine Dezentralisierung der kirchlichen Institutionen sowie um eine Entbürokratisierung. Es geht um Vorkehrungen gegen Missbrauch, sprich Pädophilie, um die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren und um das Diakonat für Frauen.

Viele dieser Themen haben während des Pontifikats von Franziskus zu großem Widerstand und Unmut geführt. Und das nicht nur unter den Kardinälen und in den Palästen des Vatikans, sondern bis in weit entlegene Diözesen in Afrika und Asien und deren Seelsorgern.

Thema Finanzen im Vatikan

Außerdem ist der Papst nicht nur geistliches Oberhaupt der katholischen Kirche, sondern auch Oberhaupt des Vatikanstaats. Ein Staat mit einem Verwaltungsapparat, der 5000 Angestellte allein im Vatikan zählt. Überdies ist er in 189 Ländern präsent. Dass die Finanzen zu einem der dringendsten Probleme zählen, wenn nicht gar das dringendste Problem darstellen, erklärt sich anhand des Defizits, das jährlich um die 80 Millionen Euro beträgt, heißt es in einem Interview mit "kathpress".

Und das, obwohl Franziskus in den vergangenen vier Jahren dreimal die Gehälter der Kardinäle gekürzt hatte. Doch sein Programm "Null Defizit" verzeichnete keine nennenswerte Wirkung. Auch die von ihm eingerichtete Kommission zum Fundraising scheint wenig Erfolg gehabt zu haben. Stattdessen liegt das Passiv des vatikanischen Rentenfonds mittlerweile bei 650 Millionen Euro.

Zu den Ursachen zählen falsche Investitionen, in manchen Fällen auch Korruption, und die gering ausfallenden Spenden, hauptsächlich aus den USA und Deutschland, die in der Vergangenheit als die großzügigsten Spender galten. Das ändert sich nun vielleicht wieder mit einem Papst aus den USA.

Thema Missbrauchsfälle

Ein weiteres und sehr heikles Thema ist das der Missbrauchsfälle. Es braucht noch immer für alle Diözesen geltende Maßnahmen. Davon ist aber weiterhin nichts zu sehen, die Kirche vermittelt das ungute Gefühl, sich nur mangelhaft der Verantwortung zu stellen, jedem Fall schonungslos nachzugehen.

Hierzu sei noch am Rande die Frage hinzugefügt: Was wird jetzt aus den Ermittlungen im Fall Emanuela Orlandi? Das 15-jährige Mädchen, Tochter eines Vatikanangestellten, verschwand am 22. Juli 1983, die Vermutungen, dass der Vatikan mit diesem Verschwinden etwas zu tun haben könnte, stehen weiterhin im Raum. Doch erst Papst Franziskus erklärte sich zu Ermittlungen auch seitens des Vatikans bereit. Er beauftragte damit den vatikanischen Hauptstrafverfolger Alessandro Diddi.

Thema gleichgeschlechtliche Paare

Ein weiteres schwieriges Vermächtnis ist die Spaltung in der Kirche, die sich unter Franziskus stark vertieft hatte. Hier sei nur das Thema der Geschiedenen, die neu geheiratet haben, genannt: nur in ganz besonderen Fällen dürfen sie zur Kommunion. Zum wirklichen Aufbegehren kam es aber mit dem Vatikan-Dokument "Fiducia Supplicans" aus dem Jahr 2023, in dem Papst Franziskus den Segen auch für gleichgeschlechtliche Paare erlaubte.

Einer, der sich immer resolut gegen diese Öffnungen gestellt hat, ist der deutsche Kardinal und Theologe Gerhard Ludwig Müller, der wiederum vor allem von afrikanischen und asiatischen Glaubensträgern unterstützt wird.

Thema Frauen

Und dann ist da noch das Thema Diakonie. Papst Franziskus hatte auch hier Hoffnungen geschürt. Oft betonte er, wie wichtig es für ihn sei, zunehmend Frauen die Verantwortung im Vatikan zu übertragen. Und noch während seines letzten Aufenthalts im Krankenhaus hatte er die franziskanische Ordensschwester Raffaella Petrini zur Regierungschefin des Vatikanstaats ernannt. Ihr zur Seite steht Schwester Alessandra Smerilli, Ökonomin und Mitglied der Töchter Mariens. Davor, im Januar dieses Jahres, hatte Franziskus die Missionsschwester Simona Brambilla zur Präfektin des Dikasteriums für das geweihte Leben und die apostolischen Gemeinschaften ernannt.

Das waren Ansätze, doch mit der Diakonie klappte es nicht, auch wenn das Thema in letzter Zeit immer wieder hochkochte. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hatte sie als grundlegende und zukunftsentscheidende Frage beschrieben.

Gemeinsamkeiten

Wie anfangs geschrieben, Franziskus und Leo XIV. konnten gut miteinander. Auch ihr Lebenslauf, der eine in Argentinien, der andere lange Jahre in Peru, beide nahe am Alltag der Menschen, weist auf Gemeinsamkeiten hin. Und zwar auch in der Auslegung des Evangeliums. Das heißt, Papst Leo XIV. könnte sehr wohl in die Spuren von Franziskus treten. Er wird die Themen aber pragmatisch angehen. Der Pragmatismus soll einer der Charakterzüge sein, die ihn von Papst Franziskus unterscheiden und entscheidend für seine Wahl auf den Heiligen Stuhl gewesen seien.

Quelle: ntv.de

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