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Erster Afrika-Klimagipfel Afrika - nicht Opfer, sondern Lösung der Klimakrise

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Demonstranten in der keniansichen Hauptstadt Nairobi forderten "weniger Reden, mehr Handeln".

Demonstranten in der keniansichen Hauptstadt Nairobi forderten "weniger Reden, mehr Handeln".

(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Zum ersten Mal kommen die afrikanischen Regierungschefs zusammen, um über eine gemeinsame Strategie zur Lösung der Klimakrise zu verhandeln. Dabei fordern die Afrikaner einen radikalen Umbau des internationalen Finanzsystems.

"Wir haben heute in Nairobi Geschichte geschrieben", fasst Kenias Präsident William Ruto als Gastgeber die Verhandlungen auf dem ersten Afrika-Klimagipfel zusammen. "Diese Woche haben wir afrikanischen Staatschefs eine gemeinsame, starke, afrikanische Position erarbeitet, wie die internationale Gemeinschaft sich engagieren soll im Angesicht der nicht zu leugnenden Dringlichkeit, dass der Klimawandel den Wohlstand der Menschheit gefährdet."

Einstimmig wurde die Abschlusserklärung am Mittwoch angenommen. Insgesamt wurden 23 Milliarden Dollar zugesagt, die in den nächsten Jahren auf dem Kontinent in grüne Energie investiert werden sollen. Der afrikanische Kontinent präsentiert sich dabei nicht weiter als Opfer, sondern will sich als Lösung des weltweiten Klimawandels verstehen.

"In Afrika können wir ein grüner Industriestandort sein, der anderen Regionen hilft, ihre Netto-Null-Strategien bis 2050 zu erreichen", sagte Ruto in seiner Abschlussrede. "Die Erschließung der erneuerbaren Energieressourcen, die wir auf unserem Kontinent haben, ist nicht nur gut für Afrika, sondern auch gut für den Rest der Welt."

Fossile Brennstoffe sollen abgelöst werden

In der Praxis bedeutet dies, so wurde es auf dem Gipfel immer wieder betont, dass die Afrikaner sich wünschen, dass westliche Konzerne auf dem Kontinent nicht in die Ausbeutung fossiler Brennstoffe wie Öl und Gas investieren, sondern, dass internationale Konzerne in Zukunft nach Kobalt, Mangan und Platin bohren - alles seltene Rohstoffe, die für die Herstellung von Wasserstoffbrennzellen oder Akkus für Elektroautos weltweit dringend benötigt werden.

Die Hürde bleibt allerdings die Finanzierung. Die Internationale Energieagentur (IEA) und die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) forderten die Geber auf, die Finanzierung gewaltig aufzustocken, um Investitionen des privaten Sektors in Afrikas Energiesektor zu fördern. Dazu seien rund 28 Milliarden Dollar pro Jahr erforderlich, um bis 2030 Investitionen des Privatsektors in Höhe von 90 Milliarden Dollar zu mobilisieren - "eine mehr als zehnfache Steigerung gegenüber heute", wie es in der gemeinsamen Erklärung heißt.

Immerhin, die AfDB kündigte an, sie werde 23 Milliarden Dollar in den Africa Climate Fonds einstellen, "für grünes Wachstum, Klimaschutz- und Anpassungsbemühungen". Und auch andere Geber machten Zusagen: Die Vereinigten Arabischen Emirate, wo im Dezember der nächste internationale Klimagipfel COP28 stattfinden wird, sagten 4,5 Milliarden Dollar zu. "Wir hören euch", betonte auch Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, in ihrer Rede. Sie stellte 150 Milliarden Euro in Aussicht, die die EU in Zukunft in Afrikas Energiewende investieren wolle.

Auch die Bundesregierung will rund 480 Millionen Dollar in die Hand nehmen, um bei der Entwicklung einer grünen Energieinfrastruktur zu helfen. Darunter sind auch rund 65 Millionen Dollar, die als sogenannte "Schuldenumwandlung für Naturschutz" eingesetzt werden sollen. Diese sogenannten "Debt for Nature Swaps" sind jüngst als Finanzierungsinstrument populär geworden in der Frage, wie die heillos überschuldeten Staaten Afrikas überhaupt in die Lage versetzt werden sollen, in neue, umweltschonende Energien zu investieren. Dabei erlässt die Bundesregierung beispielsweise Kenia Schulden im Umfang von 65 Millionen Dollar. Das frei gewordene Geld soll Kenia stattdessen in Naturschutz-Projekte investieren.

"Wir wollen ein Regime, das alle gleichbehandelt"

Doch diese Schuldenumwandlung hat auch einen Haken, sagt Malina Stutz vom Bündnis "Erlassjahr", das sich für Schuldenerlasse gegenüber dem Globalen Süden starkmacht. Laut deren jüngsten Bericht, so Stutz "befinden sich drei Viertel der Länder in Subsahara Afrika in einer kritischen oder sehr kritischen Situation", was die Verschuldung betrifft. Rund 60 Millionen Dollar seien in Anbetracht der kenianischen Gesamtverschuldung von über 37 Milliarden Dollar Tropfen auf den heißen Stein. Ob ein solcher Erlass den Staaten tatsächlich hilft, ist zu bezweifeln, denn, so Stutz: "Häufig bedeuten solche Swaps aber auch, dass Rückzahlungen, die vielleicht erst in fünf oder zehn Jahren fällig geworden wären, in den nächsten zwei Jahren gezahlt werden müssen."

Deswegen pochten die Afrikaner in Nairobi erneut auf eine grundlegende Reform des gesamten internationalen Finanzsystems: von der Weltbank bis zum Internationalen Währungsfonds. Kenias Präsident Ruto hatte bereits auf dem letzten Klimagipfel in Paris im Juni auf den Tisch gehauen und die ungleiche Behandlung Afrikas angekreidet, deren Staaten deutlich höhere Zinsen auf Kredite zahlen als der Globale Norden. "Wir wollen ein Regime, das alle gleichbehandelt", forderte Ruto auch in Nairobi. "Modernisierte Institutionen müssten stärker auf afrikanische Belange für die wirtschaftliche Entwicklung eingehen, insbesondere die Überschuldung", betonte er und forderte konkret Umschuldungen und Schuldenerleichterungen in Form von Pausen im Fall extremer Klimaereignisse und einen Zehnjahresaufschub von Zinszahlungen, wenn Länder in Anbetracht von Dürre und Fluten die Gelder dringend brauchen, um den Katastrophen zu begegnen.

Zum Abschluss appellierten die afrikanischen Staatschefs an die Weltgemeinschaft, sich den Vorschlag einer globalen CO2-Besteuerung zu eigen zu machen, die sowohl den Handel mit fossilen Brennstoffen als auch die Luft- und Schifffahrt umfassen solle.

"Nicht zu viel zu reden, sondern besser handeln"

Für die Klimaaktivistin und Mitglied von Fridays for Future, Hamira Kobusingye aus Uganda, klingt das alles viel zu gut, um wahr zu sein. "Was hier geschieht, ist sehr viel Greenwashing", so ihre Schlussfolgerung nach drei Tagen Gipfel. "Ich habe das Gefühl, dass wir zu keiner wirklichen Lösung kommen", stellte sie klar und nannte als Beispiel den CO2-Handel, der auf dem Gipfel stetig als Lösungsidee genannt wurde. Kobusingye ist wie viele afrikanische Aktivisten gegen diesen "Ablasshandel": Denn wenn der Globale Norden und die großen Industriekonzerne nun in Afrika ihre CO2-Emissionen mit Investitionen wiedergutmachen können, dann bedeute dies, "dass der Westen nicht darauf bedacht ist, die Emissionen zu reduzieren und den Weg oder das Ziel zu erreichen, die Temperatur unter 1,5 Grad zu halten", wie Kobusingye sagt.

Es wirke eher, als "blicken alle in eine glorreiche Zukunft, ohne darüber nachzudenken, was wir mit der derzeitigen Situation und Katastrophen machen sollen, denen wir bereits ins Auge sehen", klagt sie und nennt die Toten durch Fluten und Dürre, Gemeinden, die schon jetzt vom Klimawandel betroffen sind.

Immerhin, der Gipfel habe dazu beigetragen, dass die afrikanischen Länder eine gemeinsame Position erarbeitet haben, womit sie im Dezember zur COP28 nach Dubai reisen wollen. Dort wollen die Afrikaner als ein Block die Interessen ihres Kontinents gemeinsam vertreten. Um diese Positionen weiter zu stärken, soll der Afrika-Klimagipfel in Zukunft alle zwei Jahre stattfinden. Kobusingye mahnt allerdings auch an: "Nicht zu viel zu reden, sondern besser handeln."

Quelle: ntv.de

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