Schutz für entsandte Angestellte Arbeitgeber wettern gegen neue EU-Regeln
24.10.2017, 16:06 Uhr
Auch in Deutschland arbeiten viele Ausländer- meist für preiswerte Aufträge.
(Foto: picture alliance / dpa)
Millionen Arbeitnehmer in der Europäischen Union sollen künftig besser bezahlt und geschützt werden. Allerdings ist der Streit um die sogenannte Entsenderichtlinie damit nicht beendet. Die EU behindere sie, monieren Arbeitgeber. Selbst Befürworter hoffen auf Korrekturen.
Rund zwei Millionen EU-Bürger, die von Firmen ihres Heimatlandes in einen anderen Mitgliedstaat zum Arbeiten entsandt werden, sollen künftig besser bezahlt und geschützt werden. Allein in Deutschland waren nach Gewerkschaftsangaben 2016 mehr als eine halbe Million Entsandte tätig. Meist kommen sie aus Ländern mit niedrigeren Löhnen und Sozialbeiträgen in wohlhabendere EU-Länder und erledigen dort vergleichsweise preiswert Aufträge. Die Entsenderichtlinie von 1996 garantiert ihnen Mindestlöhne und einige Vorgaben zum Arbeitsschutz. Doch beklagen Gewerkschafter, die Regeln seien so löchrig, dass die Menschen ausgebeutet und Sozialstandards in Ländern wie Deutschland oder Frankreich untergraben würden.
Tatsächlich verdienen Entsandte nach Angaben der EU-Kommission häufig nur halb so viel wie heimische Arbeitnehmer. Der Kompromiss der EU-Länder folgt nun dem Grundprinzip: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am selben Ort. Künftig sollen Entsandte auch ortsübliche Zulagen, Prämien oder Schlechtwettergeld bekommen. Dabei gilt aber nach Angaben aus dem Bundesarbeitsministerium immer die für die Arbeitnehmer günstigere Variante. Wer aus Deutschland nach Bulgarien entsandt wird, muss nicht mit den dort geringeren Löhnen vorlieb nehmen. "Man verliert nichts, wenn man ins Ausland geht", erläuterte eine Ministeriumssprecherin.
Ausnahmen für das Transportgewerbe
Die EU-Länder waren sich mehrheitlich auch einig, dass Entsendungen in der Regel nicht länger als zwölf Monate dauern sollen, in Ausnahmen 18 Monate. Streitpunkt waren bis zuletzt Ausnahmen für das Transportgewerbe, also Lastwagenfahrer auf dem Weg durch Europa. Nun bleiben sie zunächst von der Reform ausgenommen und sollen eigene Regeln bekommen. Polen wollte solche Ausnahmen, stimmte aber nach Auskunft einer Sprecherin letztlich gegen die Vereinbarung, weil die Formulierungen nicht weit genug gingen. Auch Ungarn, Litauen und Lettland trugen den Kompromiss nicht mit.
Die Bundesregierung ist hingegen zufrieden. "Ich freue mich, dass eine sinnvolle Verständigung gelungen ist, die für Klarheit sorgt", erklärte die amtierende Arbeitsministerin Katarina Barley, die mit am Verhandlungstisch in Luxemburg saß. EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen sagte: "Das wird ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Sozialdumping."
"Schwarzer Tag für den Binnenmarkt"
Die neuen Regeln werden von Gewerkschaftsseite zumeist begrüßt. Die Arbeitnehmervertreter hätten sich "seit Jahren" für eine Überarbeitung der Regeln eingesetzt, "um Schlupflöcher zu schließen", sagte die Sprecherin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Karin Vladimirov, der Nachrichtenagentur AFP. Auch die Gewerkschaft IG BAU äußerte Zustimmung zum Prinzip "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit". Das sei ein "erster richtiger Schritt" und eine arbeitsrechtliche Verbesserung, sagte ein Sprecher. DGB-Vorstand Annelie Buntenbach kritisierte andererseits, dass der Kompromiss der EU-Minister bei Weitem nicht so günstig für Beschäftigte ausfalle wie ein Entwurf des Europaparlaments.
Der europäische Wirtschaftsverband Business Europe und die deutschen Arbeitgeber reagierten mit heftiger Kritik. Sie monieren vor allem, dass das freie Angebot von Dienstleistungen in der EU behindert werde. Dies sei "ein schwarzer Tag für den Binnenmarkt und die vier Grundfreiheiten in der EU", sagte Hauptgeschäftsführer Oliver Zander vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall dem "Handelsblatt".
Kritiker beider Seiten setzen nun auf die Verhandlungen zwischen den EU-Ländern und dem Parlament, bei dem die unterschiedlichen Reformentwürfe abgeglichen werden. Sie sollen im November anfangen.
Quelle: ntv.de, ara/dpa/AFP