Politik

Streit um Paragraf 219a Ärzte wollen unabhängiges Abtreibungsportal

Beim Ärztetag demonstrierten etwa 40 Menschen für eine Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen.

Beim Ärztetag demonstrierten etwa 40 Menschen für eine Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen.

(Foto: picture alliance / Monika Skolim)

Es ist eine heikle Frage, über die Union und SPD seit längerem streiten: Darf für Schwangerschaftsabbrüche Werbung gemacht werden? Die Ärzteschaft präsentiert jetzt eine Lösung. Und protestiert gegen den Plan der Koalition für mehr Ärzte-Sprechstunden.

Im Streit über das Werbeverbot für Abtreibungen schlägt die Bundesärztekammer eine unabhängige Informationsplattform im Internet vor. "Hilfe für Menschen in Not: Das muss unser Ziel sein", sagte Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery beim Ärztetag in Erfurt. Ein leicht zugängliches Portal könne Angaben zum Eingriff, zu gesetzlichen Bedingungen, Beratungsstellen und durchführenden Ärzten liefern. "Neutral, von einer unabhängigen Institution eingerichtet, mit einem gesetzlichen Auftrag abgesichert, könnte dies Rechtssicherheit für Ärzte und Frauen herstellen."

Gesundheitsminister Spahn und Ärztepräsident Montgomery haben viel zu besprechen auf dem Ärztetag in Erfurt.

Gesundheitsminister Spahn und Ärztepräsident Montgomery haben viel zu besprechen auf dem Ärztetag in Erfurt.

(Foto: dpa)

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist offen für solch eine Bündelung von Informationen im Netz. Er betonte aber, die Gespräche innerhalb der Bundesregierung zu dem Thema liefen noch. Union und SPD streiten seit längerem über den Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch. Dieser verbietet es, für Abtreibungen zu werben. Die SPD setzt sich dafür ein, das in dem Gesetz festgeschriebene Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche zu kippen, CDU und CSU sträuben sich dagegen.

Spahn sagte im Deutschlandfunk, sachliche Informationen solle es weiter geben. "Was ich aber definitiv nicht möchte ist, dass es Werbung geben kann für einen Schwangerschaftsabbruch." Gegner der Regelung argumentieren, dass auch sachliche Informationen für ungewollt schwangere Frauen durch den Paragrafen verhindert würden. Die SPD will diesen daher reformieren oder abschaffen. In der Union gibt es dagegen aber große Vorbehalte.

"Männer entscheiden nicht"

Linke und Grüne attackierten Spahn. Linke-Chefin Katja Kipping kritisierte den Minister als "Chefzyniker" und sagte: "Männer haben nicht über Schwangerschaften oder deren Abbrüche zu entscheiden, genauso wenig wie Herr Spahn den Maßstab für 'sachliche Informationen' definiert." Der Paragraf 219a müsse endlich abgeschafft werden.

Ein weiteres großes Thema auf dem Ärztetag in Erfurt ist eine schnellere Terminvergabe beim Arzt. Gesundheitsminister Spahn forderte von den Ärzten mehr Sprechstunden für gesetzlich versicherte Patienten und will dafür die Ärztevergütungen ändern. Es werde zu oft ein Unterschied zwischen gesetzlich und privat Versicherten gemacht. Die Mindestzahl an wöchentlichen Sprechstunden für niedergelassene Ärzte soll von 20 auf 25 erhöht werden. Dies sollte als Ermunterung verstanden werden für diejenigen, die noch nicht so viel leisteten, sagte Spahn unter Protest des Publikums.

Ärztepräsident Montgomery ist gegen die Erhöhung der Mindestsprechstunden. Es gebe eine große Diskrepanz in der Gesellschaft zwischen dem gefühlten Problem, einen Termin beim Arzt zu bekommen und der Realität der wirklich Kranken, sagte Montgomery. Die vorgesehene Erhöhung der Pflichtsprechstundenzahl erscheine ihm angesichts der hohen Arbeitslast der meisten Vertragsärzte eher stimmungs- als "weltverändernd". Die Politik dürfe nicht nur bei den Ärzten ansetzen, sondern müsse auch die Patienten besser "steuern", sagte Montgomery - auch mit Blick auf überlastete Notaufnahmen.

Mehr Online-Behandlungen

Nach Meinung Spahns sollten aber Ärzte nicht auch noch bestraft werden, wenn sie zusätzliche Patienten aufnehmen oder schneller Termine anbieten. Stattdessen sollte diese gut und außerhalb des Budgets vergütet werden. Die übergroße Zahl der Ärzte leiste deutlich mehr, manche aber böten noch nicht ausreichend Sprechstunden an.

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist gegen eine zusätzliche Vergütung für mehr Sprechzeiten. "Ärzte werden aus den Portemonnaies der Beitragszahler gut bezahlt", erklärte GKV-Vizechef Johann-Magnus von Stackelberg. "Wir haben in Deutschland kein Problem mit zu geringer Ärztevergütung, sondern mit der Terminvergabe insbesondere bei niedergelassenen Fachärzten."

Gesundheitsminister Spahn forderte von den Ärzten in Deutschland außerdem ein gemeinsames Konzept zur Online-Behandlung. "Ich möchte am Ende nicht, dass Apple Health dafür sorgt, dass ein Bedürfnis von Patienten beantwortet wird." Ärztepräsident Montgomery hatte gemahnt, dass die Möglichkeit des direkten Kontakts zwischen Arzt und Patient weiter flächendeckend gewährleistet sein müsse. Bisher ist eine Fernbehandlung per Videochat oder Telefon nur möglich, wenn es mindestens einmal einen direkten Kontakt zwischen Arzt und Patient gegeben hat. Über Änderungen der Berufsordnung soll auf dem Ärztetag beraten werden.

Quelle: ntv.de, cam/dpa/AFP/rts

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