Politik

Journalist Landesverrat vorgeworfen Beckedahl nennt Ermittlungen "absurd"

Markus Beckedahl gehört zu den Mitgründern des Blogs netzpolitik.org.

Markus Beckedahl gehört zu den Mitgründern des Blogs netzpolitik.org.

(Foto: dpa)

Der Bundesregierung scheine die Berichterstattung über die NSA-Spionage nicht zu gefallen, sagt der Journalist Beckedahl. Gegen seinen Blog netzpolitik.org ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen Landesverrats. Er spricht von Einschüchterung.

Der Chefredakteur des investigativen Blogs netzpolitik.org, Markus Beckedahl, wertet das Strafverfahren der Bundesanwaltschaft gegen seinen Blog als Einschüchterungsversuch. In den Ermittlungen von Generalbundesanwalt Harald Range wegen des Verdachts auf Landesverrat sehe er einen Warnschuss gegen alle Quellen von Journalisten, sagte Beckedahl dem Deutschlandfunk. Das Strafverfahren sei "absurd".

Der ARD sagte Beckedahl bereits am Donnerstag, dass es in den vergangenen Monaten immer deutlicher geworden sei, "dass unsere Bundesregierung knietief im Sumpf von NSA und Co. drinsteckt" und "dass wir es womöglich mit einem kalkulierten Verfassungsbruch zu tun haben". Die Berichterstattung darüber scheine "der Bundesregierung nicht zu gefallen".

Renate Künast, die Vorsitzende des Bundestags-Rechtsauschusses, kritisierte die Ermittlungen. "Mich ärgert das Missverhältnis", sagte die Grünen-Politikerin dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Dabei verwies sie auf den NSA-Ausspähskandal, in dem auf der anderen Seite nichts passiere.

Folgen für die Pressefreiheit

Künast sagte, "auf eine Anzeige hin prüft er nicht lange. Da geht das zack, zack." Da werde auch nicht die Verhältnismäßigkeit abgewogen. Auf der anderen Seite gebe es ein massenhaftes Ausspähen und Abhören durch die NSA. Und da passiere gar nichts. "Das erbost mich und ist rechtsstaatlich eine Blamage." Mit Blick auf die NSA-Abhörmaßnahmen fügte sie hinzu: "Wenn es keinen investigativen Journalismus gäbe, dann wüssten wir gar nichts."

Auch deutsche Medien reagierten mit scharfer Kritik auf die Ermittlungen. Es gebe zwar ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse des Staates, sagte der Leiter des Rechercheverbundes von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung", Georg Mascolo. Doch warnte er vor den Folgen für die Pressefreiheit. "Wenn Journalisten Täter werden, wenn sie befürchten müssen, sich durch die Veröffentlichung von bestimmten Informationen strafbar zu machen, dann ist das Risiko für Journalismus ungeheuer hoch." Der leitende politische Redakteur der SZ, der Investigativ-Journalist Hans Leyendecker, sprach im RBB von einem "Versuch, Journalisten einzuschüchtern und Informanten einzuschüchtern".

Beckedahl sagte weiter, dass er und seine Kollegen wegen des Strafverfahrens nun im "Kontakt mit vielen Juristen" stünden. Seine Redaktion werde sich "natürlich nicht einschüchtern lassen" und hoffe, weitere Dokumente für Enthüllungen über die Überwachungsaktivitäten der Geheimdienste zu erhalten. Damit wolle man deutlich machen, wie die Geheimdienste "das Internet zu einer globalen Totalüberwachungsmaschinerie" umgebaut hätten.

Strafanzeige vom Verfassungsschutz

Ausgangspunkt für die Ermittlungen sind Strafanzeigen von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Netzpolitik.org hatte im Februar und April dieses Jahres über interne Pläne des Bundesamts für Verfassungsschutz zur nachrichtendienstlichen Auswertung von Internetkommunikation berichtet.

Da die eigentliche Seite derzeit überlastet ist, wurden die entsprechenden Artikel auf einer anderen Seite erneut veröffentlicht. Auch das Recherchebüro correctiv.org veröffentlichte die Originaldokumente von netzpolitik.org auf seiner eigenen Seite und zeigte sich danach wegen Landesverrats selbst an.

Die Mindeststrafe für Landesverrat liegt bei einem Jahr Haft, in schweren Fällen ist lebenslänglich möglich. Der Vorwurf des Landesverrats gegen Journalisten gilt als politisch heikel. Nach der "Spiegel"-Affäre Anfang der Sechzigerjahre, in der ein solcher Vorwurf erhoben wurde, hatten Juristen und Politiker eindringlich vor eine Drangsalierung des unabhängigen und kritischen Journalismus in Deutschland gewarnt.

Regierung, Opposition und Medien streiten bereits seit Monaten über das Thema. Das Kanzleramt hatte mehrmals mit Strafanzeigen gedroht - etwa im Zusammenhang mit der Veröffentlichung geheimer Dokumente zur Affäre um die Lauschaktivitäten der NSA. Dabei ging es aber stets nur um den Verdacht des Verrats von Dienstgeheimnissen.

Quelle: ntv.de, mli/AFP/dpa

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