"Beenden längsten Krieg" Biden verteidigt Afghanistan-Abzug
08.07.2021, 21:43 Uhr
Joe Biden sieht die Ziele der USA im Anti-Terror-Kampf "erfüllt".
(Foto: picture alliance / Consolidated News Photos)
Die Taliban sind in Afghanistan wieder auf dem Vormarsch, erste Gebiete befinden sich bereits unter ihrer Kontrolle. US-Präsident Biden hält den Abzug der Amerikaner trotzdem für die richtige Entscheidung. Die afghanische Armee sei stark genug, das Land gegen die Taliban zu verteidigen.
US-Präsident Joe Biden hat angesichts des Vormarsches der radikalislamischen Taliban den raschen Truppenabzug aus Afghanistan verteidigt. Die USA hätten nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ihre Ziele im Anti-Terror-Kampf "erfüllt", sagte Biden im Weißen Haus. Die US-Streitkräfte und Geheimdienste könnten zudem auch künftig einschreiten, sollte von Afghanistan wieder eine terroristische Gefahr für die USA ausgehen. Er werde aber nicht "eine weitere Generation von Amerikanern in den Krieg in Afghanistan schicken", sagte Biden knapp 20 Jahre nach Beginn des US-Einsatzes am Hindukusch. "Wir beenden Amerikas längsten Krieg."
Auf eine Journalistenfrage, ob eine Rückkehr der Taliban an die Macht "unvermeidbar" sei, antwortete der Präsident mit "nein". Afghanistan verfüge über 300.000 gut ausgerüstete Sicherheitskräfte und eine eigene Luftwaffe. "Unsere militärische Mission in Afghanistan wird am 31. August enden", betonte Biden. Er versprach, die afghanische Regierung auch darüber hinaus zu unterstützen. Die Afghanen selbst müssten aber letztlich über die Zukunft ihres Landes entscheiden. Biden hatte im April angekündigt, bis spätestens zum 11. September - dem 20. Jahrestag der Terroranschläge in den USA 2001 - alle US-Soldaten aus Afghanistan abzuziehen. Seine Sprecherin Jen Psaki sprach dann vergangene Woche von "Ende August", nun nannte Biden konkret den 31. August.
Die US-Streitkräfte haben bereits ihre letzten Soldaten vom wichtigen Truppenstützpunkt in Bagram abgezogen. Der rund 50 Kilometer nördlich der afghanischen Hauptstadt Kabul gelegene Luftwaffenstützpunkt hatte als Hauptquartier der US-Streitkräfte in dem Land gedient. Beobachter befürchten, dass die Taliban nach dem vollständigen Abzug der USA und ihrer NATO-Partner aus Afghanistan wieder die Macht in dem Land übernehmen könnten.
Die Islamisten sind in vielen Landesteilen auf dem Vormarsch. So lieferten sich Kämpfer der Taliban bereits am zweiten Tag in Folge heftige Kämpfe mit afghanischen Sicherheitskräften um die Provinzhauptstadt Kala-i-Naw. Über der Stadt in der nordwestlichen Provinz Badghis stiegen dicke Rauchwolken auf. Die Regierung schickte nach der Offensive der Taliban Hunderte Soldaten per Hubschrauber in die Region.
"Land kann kontrolliert werden"
Der britische Premier Boris Johnson gab derweil den Abzug des Großteils der britischen Soldaten aus Afghanistan bekannt. "Ich werde den Zeitplan unseres Abzugs nicht offenlegen", so Premierminister Boris Johnson. Doch die meisten der 750 britischen Soldaten seien bereits abgezogen worden. Der afghanische Präsident Aschraf Ghani zeigte sich dennoch zuversichtlich, dass seine Regierung die Krise bewältigen kann. Das Land befinde sich in "einer der kompliziertesten Phasen des Übergangs", sagte er in Kabul. "Die internationalen Streitkräfte gehen nach 20 Jahren hier in ihre Länder zurück, aber das Land kann kontrolliert werden."
Die Kämpfe mit den Taliban scheinen sich derweil auch auf die Nachbarprovinz Herat auszuweiten, wo die Behörden einräumten, in der Nacht zwei Bezirke an die Islamisten verloren zu haben. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtete, die Taliban hätten die Menschen aus ihren Häusern vertrieben und einige Häuser geplündert oder niedergebrannt.
Der Sturm auf Kala-i-Naw hatte am Mittwoch begonnen, nur wenige Stunden nach der Erklärung der US-Armee, dass der Rückzug aus Afghanistan zu 90 Prozent vollzogen sei. Die Taliban haben bereits eine Reihe von Gebieten in Afghanistan unter ihre Kontrolle gebracht, bisher aber noch keine Provinzhauptstadt.
Quelle: ntv.de, jhe/AFP