Politik

"Ein Glaubwürdigkeitsproblem" Blockiert die SPD die Edathy-Aufklärung?

Edathy konnte mit seinem Auftritt mehr Beobachter überzeugen als sein Widersacher Hartmann.

Edathy konnte mit seinem Auftritt mehr Beobachter überzeugen als sein Widersacher Hartmann.

(Foto: picture alliance / dpa)

Sebastian Edathy spricht die Unwahrheit - das meint zumindest die SPD. Ein anderes Ergebnis ist auch gar nicht erwünscht. Sonst wären schließlich gleich mehrere Sozialdemokraten der Lüge überführt.

Nein, dieser 19. Dezember wird sicher nicht als einer der guten Tage in die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie eingehen. Dafür hat der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy seine Partei zu schwer belastet. "Wir saßen alle fassungslos vor dem Fernseher", sagt einer, der für die SPD im Bundestag beschäftigt ist. "Das war schon bemerkenswert. So etwas erlebt man nicht oft", sagt ein anderer. Die Stimmung in der Partei schwankt zwischen Schockstarre und gespielter Gleichgültigkeit.

Aber in einem sind sich die meisten der 193 SPD-Abgeordneten einig: Sie sehen in Edathy einen Nestbeschmutzer, einen der die eigene Partei mit in den Abgrund reißen will. Zu verlieren hat er ja eh nichts mehr, er ist ja ruiniert, argumentieren viele. Im Untersuchungsausschuss ist die SPD an der Aufarbeitung der Edathy-Affäre beteiligt. Aber ist die Partei nicht viel zu befangen? Sind ihre Interessen nicht viel zu eindeutig, als dass sie in dieser schwierigen Lage objektive Aufklärung betreiben könnte?

Uli Grötsch, der für die SPD in dem Ausschuss sitzt, weist dies "entschieden zurück". "Unser Antrieb ist die Wahrheit", sagt er n-tv.de. Sein Urteil über die Vernehmungen fällt eindeutig aus: Der SPD-Politiker Michael Hartmann "war glaubwürdig, Edathy nicht. Wir sind der Wahrheit gestern ein Stück näher gekommen." Es wäre zweifellos das Ergebnis, an dem die SPD sehr interessiert ist. Aber entspricht es auch der Realität?

"Da war ein roter Faden erkennbar"

Die SPD hat ein gravierendes Problem. An Hartmanns Glaubwürdigkeit hängt auch die von Thomas Oppermann. Ihre Versionen decken sich weitgehend. Sollte Edathy die Wahrheit sagen, wäre auch der Fraktionschef der Lüge überführt. Oppermann widersprach bereits den Darstellungen Edathys. Die Fraktion stützt ihn. Um Schaden von der Parteispitze abzuwenden, versucht die SPD mit allen Mitteln, die Glaubwürdigkeit Edathys zu untergraben - etwa mit Vorwürfen, er habe ein Alkoholproblem. Am Donnerstagabend sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, er habe Edathy im Februar medizinisch Hilfe angeboten. Hatte er wirklich? Edathy widersprach umgehend. Wieder steht Aussage gegen Aussage.

Die anderen Parteien kommen nach dem Showdown im Ausschuss zu einer anderen Bewertung als SPD-Mann Grötsch. "Die Version von Edathy klingt wesentlich plausibler. Da war ein roter Faden erkennbar", sagt Grünen-Obfrau Irene Mihalic. Hartmann dagegen habe sich häufig widersprochen und sich an vieles nicht erinnern können. Mihalics Eindruck deckt sich mit dem der meisten Beobachter, wonach Edathy wesentlich überzeugender war als Hartmann.

Ein Blick zurück auf den Donnerstag: SPD-Ausschussvorsitzende Eva Högl hatte Edathy lange befragt. Der antwortete langatmig und schweifte mehrfach ab. Mihalic beschwerte sich bei Högl, dass diese fünfeinhalb Stunden nach Beginn der Befragung noch keine Fragen der Opposition zugelassen hatte. "Für lange Antworten des Zeugen kann ich nichts", entschuldigte sich Högl. Hartmann war erst um 21.30 Uhr an der Reihe. Auch er wurde eingehend von Högl befragt, seine Glaubwürdigkeit stellte sie aber kaum in Frage. Die Opposition ging Hartmann dagegen scharf an: Mihalic deutete an, sie halte Hartmanns Einlassungen für "erstunken und erlogen". Der Linke Frank Tempel warf ihm vor, er schwanke "zwischen sehr konkreten Erinnerungen und großen Erinnerungslücken".

"Die SPD war definitiv nicht neutral"

CSU-Mann Volker Ullrich unterstellt den Sozialdemokraten indirekt, in der Edathy-Affäre auf einem Auge etwas blind zu sein. Edathy sei von Högl hart rangenommen worden, mögliche Ungereimtheiten bei Hartmann seien jedoch "nicht mit letztem Nachdruck hinterfragt" worden. Die Sozialdemokraten hätten im Fall Edathy ein "Glaubwürdigkeitsproblem", findet Ullrich, der für die Union im Ausschuss sitzt. Er mahnt: "Das Aufklärungsinteresse sollte die oberste Maxime sein, das gilt auch für die SPD." Noch deutlicher wird Linken-Obmann Frank Tempel. "Die SPD war definitiv nicht neutral. Sie hätte beide Zeugen gleich behandeln müssen", sagt er n-tv.de.

Der SPD hat die Leitung des Edathy-Ausschusses. Ihr obliegt damit die maßgebliche Organisation der Untersuchungen, die Vorsitzende kann die Zeugen zuerst befragen und ohne zeitliche Fristen. Dass die Genossen die Aufklärung im Fall Edathy leiten, mag unglücklich wirken, aber es ist Zufall. Der Vorsitz stand turnusgemäß der SPD zu.

Das Gremium, das die Affäre um Edathy aufklären soll, will am 15. Januar wieder zusammen kommen. Dann muss erneut Edathy und auch der frühere BKA-Chef Jörg Ziercke, der ebenfalls SPD-Mitglied ist, als Zeuge aussagen. Die Union will auch Oppermann bald in den Ausschuss holen. Wenn es nach Grünen und Linken geht, soll SPD-Chef Sigmar Gabriel ebenfalls noch aussagen. Das Thema Edathy wird die Sozialdemokraten also noch länger begleiten, als ihnen lieb ist.

Grünen-Obfrau Irene Mihalic rät, den Fall Edathy so rasch aufzuklären wie möglich. "Die SPD verfolgt ein gewisses Interesse. Sie will natürlich, dass jeder Verdacht weit von ihr weg weist, aber der Versuch alles auszusitzen und Gras über die Sache wachsen zu lassen, wird nicht gutgehen."

Quelle: ntv.de

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