Politik

Wie lange dauert der Stillstand? Brauns März-Ankündigung sorgt für Wirbel

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In der Aussprache nach Merkels Regierungserklärung kritisiert die FDP die Corona-Maßnahmen als überzogen, die AfD lehnt sie komplett ab. Linke und Grüne sehen dagegen Versäumnisse bei der Bundesregierung.

FDP-Chef Christian Lindner hat die Bundesregierung aufgefordert, sie müsse "sagen, unter welchen Bedingungen und wie und wann der Stillstand im Land aufgehoben werden kann". Die ständige Verlängerung und Erweiterung der Einschränkungen sei "keine langfristig durchhaltbare Strategie", sagte Lindner im Bundestag nach der Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Lindner verwies auf eine Aussage von Kanzleramtsminister Helge Braun. "Vor uns liegen schwierige Wintermonate", hatte der CDU-Politiker am Morgen bei RTL gesagt. "Das geht bis März." Dazu Lindner: "Aus dem November-Wellenbrecher ist ein Dezember-Stillstand geworden. Wie lange muss dieser dauern?"

Die Bundesregierung setze im Kampf gegen die Corona-Pandemie auf Maßnahmen "in der Breite", um ein Übergreifen auf besonders gefährdete Gruppen zu vermeiden, kritisierte Lindner. Jedoch messe sich die Qualität der Corona-Politik nicht "an der Strenge der Verbote", sondern daran, "wie gut sie die wirklich Gefährdeten schützt". Merkel hatte zuvor gesagt, zu den vulnerablen Gruppen gehörten in Deutschland 27 Millionen Menschen. Es werde nicht funktionieren, so viele Menschen ohne breit angelegte Maßnahmen zu schützen, "und ich halte das auch nicht für ethisch vertretbar", so die Kanzlerin.

Dagegen forderte Lindner, einen "Schutzschirm" für die Menschen aufzuspannen, deren Risiko im Falle einer Corona-Erkrankung besonders groß ist. Dies sei zwar aufwändig und teuer, weil es sich um eine große Bevölkerungsgruppe handele. Es sei aber gerechtfertigt und würde in bestimmten Bereichen wieder mehr gesellschaftliches Leben ermöglichen. Unter anderem schlug er Taxigutscheine für die Betroffenen vor, damit sie nicht mit Bus und Bahn fahren müssen. Auch könnten bestimmte Zeitfenster zum Einkaufen für sie reserviert werden.

Weidel lehnt Corona-Maßnahmen ab

Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel übte fundamentale Kritik an der Corona-Politik in Bund und Ländern. "Die Kollateralschäden sind jetzt schon größer als die, die das Virus anrichtet", sagte sie im Bundestag. Sie kritisierte, dass das Parlament die Maßnahmen erst diskutiere, nachdem sie Bund und Länder am Mittwochabend beschlossen hatten.

"Das Parlament ist auch weiterhin nur Zaungast", sagte Weidel. Der Staat verhalte sich wie eine "Gouvernante", die "gnädig" zuweise, was erlaubt sei und was verboten. "Dauergängelei ist wirklich keine Lösung", fügte die Fraktionschefin der AfD hinzu. "Unterschätzen Sie die Bürger nicht und überschätzen Sie sich selber nicht."

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich richtete in seiner Rede schwere Vorwürfe an die AfD. "Sie sind nur noch provokativ und bösartig", sagte er. "Anders ist Ihre Politik nicht mehr zu erklären." Mützenich bezog sich in seiner Rede auf die Vorfälle der vorangegangenen Woche: Mehrere Störer, die auf Einladung der AfD in den Bundestag gekommen waren, hatten Politiker bedrängt und beleidigt. Damit habe die AfD einen "Angriff auf ein Verfassungsorgan" ermöglicht, sagte Mützenich.

Bartsch: "Jedes Theater hat sich besser vorbereitet"

Der Linksfraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch warf der Bundesregierung Versäumnisse vor. "Ob in Schulen, in Zügen, Pflegeheimen oder Krankenhäusern - die Bundesregierung hat in den acht Monaten deutlich zu wenig getan", sagte Bartsch. "Jedes Theater hat sich besser auf den Corona-Winter vorbereitet als die Bundesregierung."

Er kritisierte erneut das Verfahren der Bund-Länder-Runden. Der Bundestag dürfe erst im Nachhinein ein bisschen darüber debattieren, bemängelte er. Merkel müsse ihre Erklärungen im Parlament nicht nach, sondern vor solchen Treffen mit den Ministerpräsidenten machen. "Ich fordere Sie auf, vor der nächsten Runde hier zu erklären, was Ihre Herangehensweise ist. Bei schweren Grundrechtseinschränkungen muss der Bundestag entscheiden, egal wie sehr Sie das nervt."

Bartsch beklagte zudem eine soziale Schieflage in der Corona-Politik. "Je höher die Einkommen, desto besser kommen die Menschen durch die Krise", sagte er. "Bei Lidl, Aldi und Co gab's frische Milliarden aufs Konto", während die Kassiererinnen und Kassierer weiterhin schlecht bezahlt würden.

Hofreiter fordert solidarische Verteilung der Impfstoffe

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte, bei der weltweiten Verteilung von Corona-Impfstoffen Rücksicht auf die wirtschaftlich schwächeren Länder zu nehmen. Die globale Verteilung werde "eine ganz entscheidende Bewährungsprobe", sagte er. "Es wird sich die Frage stellen, ob das globale Recht oder Unrecht des Stärkeren gilt, oder ob wir die Impfstoffe solidarisch verteilen." Das werde sich in Milliarden Köpfen einbrennen und entscheidend die internationale Ordnung für die nächsten Jahre prägen. "Wir haben da eine große Chance als reiche Länder, als Westen, für Solidarität zu sorgen."

Hofreiter äußerte Zweifel, dass die geltenden und für die kommenden Wochen beschlossenen Einschränkungen ausreichen: "Meiner naturwissenschaftlichen Intuition folgend wäre ich mal sehr vorsichtig, ob diese Maßnahmen ausreichen werden, damit die Zahlen ausreichend sinken." Die beschlossenen Regeln seien "das Mindeste, was notwendig ist", und müssten konsequent durchgesetzt werden.

Quelle: ntv.de, hvo/AFP/dpa

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