Tsipras braucht die Einigung Euro-Gipfel: 86 Milliarden Euro für Athen
13.07.2015, 09:07 Uhr
Alexis Tsipras und sein Finanzminister Euklid Tsakalotos müssen den Erfolg jetzt vor dem Athener Parlament vertreten.
(Foto: AP)
Dramatische Stunden in Brüssel: Seit Samstag ringen die Finanzminister und später die Staats- und Regierungschefs praktisch nonstop. Am Ende gelingt ihnen ein Kompromiss, der den Griechen neue Hilfen ermöglichen soll. Letzter Streitpunkt war ein Treuhandfonds, der nun doch eingeführt werden soll.
Im griechischen Schuldendrama haben die Staats- und Regierungschefs der Eurozone den Weg für Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket geebnet. Der Krisengipfel in Brüssel hatte sich einstimmig auf ein umfangreiches Spar- und Reformpaket für das Krisenland verständigt. EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte, es gibt die grundsätzliche Einigung, ein Hilfsprogramm zu beginnen. "Es wird strenge Bedingungen geben." Die Finanzminister der Euro-Zone würden mit Hochdruck eine Brückenfinanzierung besprechen.
Vorausgegangen waren intensive Beratungen seit Samstag, die am Ende in einen 17-stündigen Verhandlungsmarathon auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs gipfelten. "Wir haben eine harte Schlacht geschlagen", sagte der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras. "Wir stehen vor schwierigen Entscheidungen."
Es sei laut Tsipras gelungen, eine mittelfristige Finanzierung sicherzustellen und eine Umstrukturierung der Schulden zu erreichen. Die Entscheidungen ermöglichten auch Investitionen, die Rezessionstrends entgegenwirken könnten.
Frankreichs Präsident Francois Hollande rechnet damit, dass die Europäische Zentralbank (EZB) erst in einigen Tagen zusätzliche Liquidität nach Griechenland schicken wird. Damit Geld fließen kann, muss Tsipras einen Teil der Reformen bis Mitte der Woche durch das Parlament in Athen bringen. Den kurzfristigen Finanzbedarf Griechenlands würden die Euro-Finanzminister bei ihrem Treffen am Montag klären, sagte Hollande.
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Nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel sind die Voraussetzungen geschaffen, dass "wir den Bundestag um ein Votum für die Verhandlungen bitten können". Sie könne die Verhandlungen "mit voller Überzeugung" empfehlen. "Die Vorteile einer Einigung überwiegen die Nachteile." Jetzt müsse die griechische Regierung darauf hinarbeiten, dass alle Gesetze umgesetzt werden, auch die aus der Zeit vor der Wahl. Die Kanzlerin erklärte, dass sich die Rettungsbedingungen in den letzten sechs Monaten erheblich verschlechtert hätten.
Die Eurogruppe sei bereit, zusätzliche Maßnahmen, wie längere Laufdauer der Kredite, zu ergreifen. Ein Schuldenschnitt komme aber nicht in Frage. "Nach allem, was wir jetzt beschlossen haben, glaube ich, dass Griechenland auf den Wachstumspfad zurückkehren wird."
Einigung auf Treuhandfonds
Hollande erklärte, die Übereinkunft erlaube Griechenland, im Euro zu bleiben. Letzter Streitpunkt war offenbar die Einrichtung eines Treuhandfonds für griechisches Staatseigentum. Tsipras hatte sich hartnäckig gegen diese Kernforderung der Europartner gewehrt.
Der Privatisierungsfonds sollte nach ursprünglichen Plänen einen Umfang von rund 50 Milliarden Euro haben und außerhalb Griechenlands angesiedelt werden. In diesen Fonds sollen staatliche Vermögenswerte übertragen werden - ohne dass die Griechen selbst noch Zugriff auf deren Erlöse haben. Diese sollen zur Tilgung der Schulden eingesetzt werden.
In der Beschlussvorlage war von einem möglichen Finanzbedarf Griechenlands von 82 bis 86 Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren die Rede. Die Institutionen hatten am Samstag den Bedarf nur auf 74 Milliarden Euro geschätzt.
"Es ist ein Kompromiss"
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sieht nach der Einigung weder Gewinner noch Verlierer. "Es ist ein Kompromiss", sagte Juncker in Brüssel. "Ich denke nicht, dass das griechische Volk gedemütigt wurde, und ich denke nicht, dass die anderen Europäer ihr Gesicht verloren haben." Juncker sagte, er habe schon vor dem Referendum in Griechenland zu den europäischen Sparanforderungen gesagt, dass die Lage nach der Volksabstimmung schwieriger sein werde. "Es hat sich herausgestellt, dass dies wahr ist."
Günstiger als ein "Grexit"
"Das Ergebnis ist weit besser, als ich gedacht habe. Ich hatte gestern Nachmittag nicht das Gefühl, dass man zu einer Einigung kommt", sagte der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok bei n-tv. "Billiger wäre es bei einem 'Grexit' auch nicht geworden. Dann wäre alles Geld verloren gewesen und gleichzeitig hätte man ungeheure Anstrengungen unternehmen müssen, humanitär und auf andere Art und Weise Griechenland zu helfen, damit das Land nicht völlig zusammenbricht." Dadurch, dass Absicherungen als technisches Regelwerk integriert wurden, gebe es die realistische Chance, dass Griechenland wie Portugal, Irland und andere Länder dann doch noch auf den Weg des Wachstums komme.
Austeritätspolitik "wird fortgesetzt"
Linkspartei-Chef Bernd Riexinger will die Einigung noch nicht anschließend bewerten. "Nach allem, was ich höre, befürchte ich, dass auf diesem Weg Griechenland nicht gesunden wird. Offensichtlich wird die Austeritätspolitik fortgesetzt." Die große Frage werde sein, was mit dem Privatisierungsfonds passiere, "was ja eine völlige Unterordnung von Griechenland wäre und auch nicht der richtige Weg", sagte Riexinger bei n-tv.
Von dem Vorschlag des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble hält der Linken-Politiker gar nichts. Schäuble habe damit einen irreparablen Schaden für Europa verursacht. "Er hat offensichtlich versucht, ein Land, das eine gewählte Regierung hat, massiv unter Druck zu setzen, seine neoliberale Ideologie umzusetzen. Ich glaube, das werden sich die anderen Länder in Europa merken. Ich glaube, er hat damit Europa keinen Gefallen getan."
"Eurozone ist wie Guantánamo"
Die Alternative für Deutschland warf der Bundesregierung vor, sie täusche die Bürger in Sachen Griechenland-Rettung. Merkel und Schäuble gaukelten dem deutschen Steuerzahler vor, man werde kein weiteres Geld in das griechische Fass ohne Boden werfen, auf der anderen Seite tue man aber genau das, erklärte der Zweite Vorsitzende der AfD, Jörg Meuthen. Der Volkswirt sagte: "Die Wähler in Deutschland merken, dass sie von der Bundesregierung gefangen genommen wurden. Der Euro ist wie Guantánamo: Man kann rein, aber nie wieder raus."
Bevor Verhandlungen über das milliardenschwere Programm aufgenommen werden können, sind aber noch mehrere Parlamentsbeschlüsse nicht nur in Griechenland, sondern auch in Deutschland und anderen Euro-Ländern nötig. Vorher können die Gespräche über die Details des Programms beim Euro-Rettungsfonds ESM nicht aufgenommen werden.
Athen braucht laut einem Papier der Finanzminister bis zum 20. Juli rund sieben Milliarden Euro. Von Athen wird im Gegenzug verlangt, einen vierseitigen Forderungskatalog der Euro-Finanzminister in die Tat umzusetzen. Dabei geht es neben den Privatisierungen von Staatsbesitz unter anderem auch um eine Verwaltungsreform.
Quelle: ntv.de, ppo/AFP/dpa/rts