Kabinett beschließt Rentenpaket Heil verteidigt höhere Renten und höhere Beiträge
29.05.2024, 11:48 Uhr Artikel anhören
Das Rentenpaket II präsentierten Lindner und Heil bereits Anfang März. Danach dauerte es noch ein wenig.
(Foto: picture alliance/dpa)
Das Bundeskabinett beschließt ein Gesetz, das trotz älter werdender Gesellschaft künftig für höhere Renten sorgen soll - aber auch für höhere Rentenbeiträge. Arbeitsminister Heil verteidigt das Vorhaben als gerecht.
Arbeitsminister Hubertus Heil hat das von der Koalition beschlossene Rentenpaket gegen Kritik verteidigt. "Sicherheit im Alter, das ist ja nicht irgendwas", sagte der SPD-Politiker bei ntv. Das Rentenpaket sichere den Generationenvertrag auch für die Jüngeren. Die Alternative sei, dass die Beiträge steigen, das Rentenniveau sinke und die jüngere Generation länger arbeiten müsse. Was die Koalition mache, sei "nicht nur für die Großeltern, sondern auch für die Eltern und für die jungen Leute".
Am Vormittag brachte das Bundeskabinett nach monatelangem Ringen das Rentenpaket auf den Weg, das Heil zusammen mit Finanzminister Christian Lindner erarbeitet hatte. Nach dem Kabinett geht das Vorhaben in den Bundestag. Lindners FDP will dort nach seinen Angaben doch keine Änderungen mehr durchsetzen: "Aus meiner Sicht ist das Rentenpaket II abgeschlossen", sagte er dem Sender Welt.
Allerdings sei die Reformbedürftigkeit der Rente nicht abgeschlossen, so der FDP-Chef. "Wir müssen in dieser und der nächsten Legislaturperiode des Bundestages noch sehr viel Arbeit leisten." Dabei gehe es dann "um den individualisierten Renteneintritt statt abschlagsfreier Rente mit 63, da geht es um die Rentenformel, da geht es um Anreize für längeres Arbeiten". Auch die private Altersvorsorge müsse auf eine andere Basis gestellt werden.
Heil lehnte Änderungen an der Rente mit 63 ab. Für viele Arbeitnehmer wäre das "nichts anderes als eine Rentenkürzung". Er habe nichts dagegen, dass Menschen freiwillig länger arbeiten. "Aber stumpf für alle das gesetzliche Renteneintrittsalter zu erhöhen, heißt ja, dass viele das nicht erreichen und dann Abschläge haben."
Schulden für die Aktienrente
Mit dem Rentenpaket II will die Bundesregierung das Rentenniveau mindestens bis 2039 bei 48 Prozent eines durchschnittlichen Lebenseinkommens in Deutschland halten, was ohne die Reform nicht möglich wäre: Rentenerhöhungen sind an die Lohnentwicklung gekoppelt, werden allerdings bei besonders starken Lohnsprüngen durch den "Nachhaltigkeitsfaktor" gedeckelt. Der soll nun ausgesetzt werden. Daraus folgt allerdings auch eine Erhöhung der Rentenversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Heil nannte es gerecht, die Renten an die Löhne zu koppeln: Bei sinkendem Rentenniveau würde auch "die Kaufkraft der Menschen, die nach einem Leben voller Arbeit in den Ruhestand gehen", sinken. "Das halte ich für eine Gesellschaft nicht verantwortbar."
Zum anderen will die Regierung aus Bundesmitteln ein sogenanntes Generationenkapital aufbauen - also Geld auf dem Aktienmarkt anlegen. Dafür werden bis Mitte der 2030er Jahre 200 Milliarden Euro als Schulden aufgenommen, die nicht auf die Schuldenbremse angerechnet werden. Aus den Erträgen am Aktienmarkt sollen dann jährlich zunächst 10 Milliarden Euro an die gesetzliche Rentenversicherung fließen.
Sicher ist: Es wird teuer
Laut Gesetzentwurf steigen die Rentenausgaben mit der Reform von heute 372 auf voraussichtlich 802 Milliarden Euro im Jahr 2045. Ohne Reform wären es 755 Milliarden. Heil argumentiert, Deutschland gebe verglichen mit anderen Industrienationen nicht mehr für die Alterssicherung aus. Der Beitragssatz werde mit Reform bis 2024 voraussichtlich um jeweils einen halben Prozentpunkt für Arbeitgeber und Beschäftige stärker steigen als ohne. "Und das, finde ich, ist etwas, was wir leisten können."
Heute beträgt der Beitragssatz 18,6 Prozent vom Einkommen. Wegen der Alterung der Gesellschaft soll er in 25 Jahren ohne Reform auf 21,3 Prozent steigen - mit Reform auf 22,3 Prozent. Ein Beitragssatzpunkt bringt der Rentenkasse heute rund 18 Milliarden Euro im Jahr.
Nach den Vorstellungen des Kanzleramts soll die Reform zügig in Kraft treten: Die Regierung bat die Länder am Montag um eine Verkürzung der auf den Kabinettsbeschluss folgenden Beratungsfristen: Der Bundesrat solle die Reform bereits am 5. Juli behandeln, damit das Generationenkapital noch 2024 starten könne.
Verzögert hatte sich der Kabinettsbeschluss wegen Streitigkeiten innerhalb der Koalition um den Haushalt: Nachdem mehrere Ministerien von SPD und Grünen Lindners Finanzvorgaben bisher nicht einhalten wollen, blockierte dieser zunächst die Verabschiedung des Rentenpakets. Bundeskanzler Olaf Scholz machte mit seiner Ansage "Jetzt ist erst mal Schwitzen angesagt" den Kabinettsmitgliedern deutlich, dass er hinter Lindners Sparvorgaben stehe - und löste somit vorerst die Blockade.
Quelle: ntv.de, hvo/dpa/AFP