Israel fordert Entschuldigung Höckes "Hetzrede" widert Politik an
18.01.2017, 17:58 Uhr
Proteste am Ballhaus Watzke in Dresden, wo Björn Höcke am Dienstagabend aufgetreten war.
(Foto: imago/xcitepress)
Was Björn Höcke über das Erinnern an den Holocaust zu sagen hat, sorgt für Fassungslosigkeit. Politiker aller Parteien sind entsetzt. Kritik gibt es auch aus der AfD. Einer nimmt Höcke jedoch in Schutz.
Mit seinen Äußerungen über das Holocaust-Gedenken hat der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Vizekanzler Sigmar Gabriel zeigte sich entsetzt: "Björn Höcke verachtet das Deutschland, auf das ich stolz bin. Nie, niemals dürfen wir die Demagogie eines Björn Höcke unwidersprochen lassen", schrieb Gabriel. Es sei ihm "kalt den Rücken runtergelaufen", als er sich die Rede im Internet angesehen habe.
CDU-Generalsekretär Peter Tauber nannte Höckes Äußerungen eine "widerliche Entgleisung". Sie zeige "einmal mehr: die blaubraune Truppe ist keine Alternative für Deutschland", so Tauber. Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter bezeichnete die Rede Höckes als "unsäglich". SPD-Vize Ralf Stegner sprach von einer "Hetzrede". "Björn Höcke spricht die Sprache der NSDAP", sagte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley.
"Menschenverachtend" und "beschämend"
CDU-Vizechefin Julia Klöckner nannte die Äußerungen "menschenverachtend, geschichtsvergessen". Sie atmeten "den Geist rechtsradikaler Hetze", erklärte sie. Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", Höcke habe das Mahnmal "mit Worten geschändet". Das sei "beschämend" und "menschenverachtend".
Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow nannte es bezeichnend, dass Höcke am Tag des NPD-Verbotsverfahrens versucht habe, die Achse des demokratischen Spektrums weiter nach rechts außen zu verschieben. Auch das politische Feld der AfD verschiebe sich dadurch deutlich nach rechts, erklärte der Linke-Politiker.
Der Zentralrat der Juden nannte Höckes Worte "zutiefst empörend und völlig inakzeptabel". Höcke trete das Andenken an die sechs Millionen Juden, die in der NS-Zeit ermordet wurden, mit Füßen. Mit seinen Worten relativiere der AfD-Politiker dieses schwerste und in dem Ausmaß einzigartige Menschheitsverbrechen, erklärte der Zentralratsvorsitzende Josef Schuster.
Israelischer Botschafter fordert Entschuldigung
Der israelische Botschafter in Deutschland, Yakov Hadas-Handelsman, hat von Höcke eine Entschuldigung gefordert. "Es ist eine Schande, dass unter uns Menschen sind, die falsche Konsequenzen aus der deutschen Geschichte ziehen wollen", sagte Hadas-Handelsman den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Eine Entschuldigung bei allen Opfern des Nationalsozialismus wäre angebracht, zuerst bei den im industriellen Massenmord umgekommenen sechs Millionen Juden", erklärte der Botschafter.
Der Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland, sagte, die gemeinsame Erinnerungskultur in Frage zu stellen, sei "skandalös und gefährlich". Es sei nicht das erste Mal, dass die AfD eine "verletzende und alarmierende Sprache" spreche.
Gauland nimmt Höcke in Schutz
Höcke wurde auch aus den eigenen Reihen kritisiert. Er sei "mit seinen Alleingängen und ständigen Querschüssen zu einer Belastung für die Partei geworden", erklärte etwa AfD-Chefin Frauke Petry in der "Jungen Freiheit". AfD-Bundesvorstandsmitglied Alice Weidel sagte: "Solche unsäglichen, rückwärtsgewandten Debatten sind überflüssig und kontraproduktiv. Herrn Höckes Alleingänge schaden der Akzeptanz der Partei bei den Bürgern."
AfD-Vize Alexander Gauland nahm Höcke hingegen in Schutz. "Die Frage, ob man das mitten in die deutsche Hauptstadt stellen muss", sei vor der Errichtung des Mahnmals breit diskutiert worden, sagte Gauland. Dass Höcke diese Frage nun noch einmal aufgeworfen habe, tauge nicht zum Skandal. Gauland bestritt, dass Höcke die Erinnerung an den Holocaust kritisiert hat.
Mit Blick auf das Holocaust-Mahnmal in Berlin hatte Höcke, Landes- und Fraktionschef der AfD in Thüringen, während einer Veranstaltung der Jungen Alternative am Dienstagabend in Dresden unter anderem gesagt: "Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat."
Höcke sprach von einer "dämlichen Bewältigungspolitik" und forderte eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad". Bis jetzt sei der deutsche Gemütszustand der "eines brutal besiegten Volkes".
Der AfD-Politiker selbst bestritt am nächsten Tag, das Holocaust-Gedenken der Deutschen kritisiert zu haben. Eine solche Auslegung sei eine "bösartige und bewusst verleumdende Interpretation" dessen, was er gesagt habe, schrieb Höcke. In seiner Rede sei es ihm darum gegangen, zu hinterfragen, wie Deutsche auf ihre Geschichte zurückblickten.
Quelle: ntv.de, hul/dpa/AFP