EU-Parlament nickt Asylreform ab Hofreiter: Bessere Verteilung von Flüchtlingen "offene Frage"
11.04.2024, 09:48 Uhr Artikel anhören
Nach jahrelangem Tauziehen hat die EU-Asylreform einen entscheidenden Schritt nach vorn gemacht. Obwohl die Grünen mit einigen Regelungen hadern, verteidigt Anton Hofreiter den europäischen Kompromiss. Er hofft, dass sich künftig andere EU-Staaten stärker an der Flüchtlingsaufnahme beteiligen - sicher sei das nicht.
Anton Hofreiter, Vorsitzender des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union, hat die im Europäischen Parlament verabschiedete Asylreform verteidigt. "Diesmal sind die Anreize deutlich größer für die Staaten, letztendlich diese gerechte Verteilung hinzukriegen. Ob das funktioniert, ist eine offene Frage, denn es wird sich durch diese Reformen sehr, sehr vieles ändern", sagte Hofreiter in der ntv-Sendung Frühstart. "Ich glaube, manches ist den Staaten noch gar nicht klar, was sich alles ändern wird."
Nach jahrelangen Diskussionen hatten die Abgeordneten des Europäischen Parlaments am späten Mittwochnachmittag für eine Verschärfung des EU-Asylrechts gestimmt. Mit der Reform sollen die Mitgliedstaaten zu einheitlichen Verfahren an den Außengrenzen verpflichtet werden, damit rasch festgestellt wird, ob Asylanträge unbegründet sind und die Geflüchteten dann schneller und direkt von der Außengrenze abgeschoben werden können. Viele Abgeordnete waren allerdings unzufrieden mit dem im Dezember ausgehandelten Kompromiss. Daher war bis zum Schluss offen, ob das Plenum zustimmt.
Hofreiter: CDU sollte weniger vorlaut sein
"Aus europäischer Perspektive oder Perspektive der Europäischen Union ist es erst mal ein großer Wert an sich, dass sich die Europäische Union überhaupt bei so einem schwierigen Thema einigen kann", sagte Hofreiter bei ntv. "Das ist deutlich mehr, als die Vorgängerregierung zustande gebracht hat. Deswegen wäre ich an CDU-Seite aber etwas weniger vorlaut gegenüber der Ampel, was diese Frage angeht". Angesichts der "dramatischen Lage in vielen Regionen der Welt" werden nach den Worten Hofreiters weiterhin viele Flüchtlinge nach Europa kommen - und das seiner Ansicht nach zu Recht, da man in Afghanistan und Syrien kaum jemandem zumuten könne zu leben.
Zum ablehnenden Votum der Grünen im Europaparlament sagte Hofreiter, für die Grünen in Deutschland sei es einfacher, zu einer einheitlichen Position zu finden. "Wir haben einige kritische Fragen, aber am Ende haben wir es unterstützt." Tatsächlich ist die Asylreform bei Bündnis90/Die Grünen hochumstritten. Beim Parteitag der Grünen in Karlsruhe hatte die Führung der Basis zahlreiche Zugeständnisse gemacht, damit diese die Reform nicht rundweg ablehnt. Insbesondere die Einrichtung von Unterbringungen an der EU-Außengrenze zur Vorprüfung von Asylreformen lehnen viele Grüne ab, weil künftig auch Familien und alleinreisende Minderjährige über sehr lange Zeiträume dort festgehalten werden könnten.
Zwei Jahre Zeit für Umsetzung
Bundesinnenministerin Nancy Faeser kündigte nach der Abstimmung an, sich dafür einzusetzen, dass die nun beschlossene Reform möglichst schnell Wirkung entfaltet. "Wir haben uns nach jahrelangen harten Verhandlungen auf dieses umfassende Paket geeinigt. Damit haben wir eine tiefe Spaltung Europas überwunden", sagte Faeser in Berlin. Deutschland werde jetzt gemeinsam mit der EU-Kommission und der belgischen Ratspräsidentschaft "sehr intensiv daran arbeiten, das Gemeinsame Europäische Asylsystem schnellstmöglich umzusetzen".
Die Reform bedeutet insbesondere einen deutlich härteren Umgang mit Menschen aus Ländern, die als relativ sicher gelten. Ankommende Menschen aus jenen Staaten sollen künftig nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen können. Dort würde dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden. Personen, die aus einem Land mit einer Anerkennungsquote von unter 20 Prozent kommen, sowie Menschen, die als Gefahr für die öffentliche Sicherheit gelten, müssten künftig verpflichtend in ein solches Grenzverfahren.
Auch die Verteilung der Schutzsuchenden auf die EU-Staaten wird den Plänen zufolge mit einem "Solidaritätsmechanismus" neu geregelt: Wenn die Länder keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, müssen sie Unterstützung leisten, zum Beispiel in Form von Geldzahlungen. Die Reform muss noch von den EU-Staaten bestätigt werden. Das ist normalerweise eine Formalität. Dann haben die EU-Staaten zwei Jahre Zeit, um die Vorgaben umzusetzen. Das soll den Staaten an den Außengrenzen genügend Zeit geben, entsprechende Einrichtungen zur Unterbringung von Menschen aus Staaten mit niedriger Anerkennungsquote zu schaffen.
Quelle: ntv.de, shu/cwi/dpa