Politik

Neue Dialektik bei den Linken Ja zum Krieg, nein zur Gewalt

31916043.jpg

Dietmar Bartisch will eine friedliche Politik machen - und findet bestimmte militärische Einsätze trotzdem richtig.

(Foto: picture alliance / dpa)

Ein Waffenstillstand in der Ukraine, eine Intervention gegen eine Terrorarmee: Es gibt derzeit gute Gründe, Militäreinsätze zu befürworten. Sogar einige Linke tun das ganz zaghaft – und werden von ihren Genossen als Opfer der US-Propaganda beschimpft.

Wenn sich die deutsche Armee aus allem heraus hält, dann wird die Welt zu einem besseren Ort – das ist die vorherrschende Logik in der Linkspartei. Die Annäherung zur SPD scheitert regelmäßig an dieser Frage und die Ablehnung von Bundeswehreinsätzen wirkt zu pauschal. Als würden sich die Politiker einfach nicht mit den komplexen Fragen der Sicherheitspolitik beschäftigen wollen. Nicht einmal als die Marine die Abrüstung der syrischen Chemiewaffen mit einer Fregatte bewachen sollte, stimmten alle Abgeordneten dafür.

Aus dem Realo-Flügel gab es in den vergangenen Monaten und Jahren einige Anläufe, die Partei aus dieser Ecke herauszuholen. Nun zwingen die Konflikte in der Ukraine sowie im Irak und in Syrien geradezu zu einer neuen Debatte. Der erste Aufschlag dazu lautet so: Es gibt gerechtfertigte Armeeeinsätze, auch Kampfeinsätze in Kriegen außerhalb der eigenen Grenzen. Dazu zählen die Bombardements auf Stellungen des Islamischen Staates und auch eine Überwachung des Waffenstillstandes in der Ukraine. Aber – und das ist das Zugeständnis an den radikalen Parteiflügel – die Bundeswehr soll sich nicht daran beteiligen.

Kurden "verteidigen und unterstützen"

Als Begründung für diese Gratwanderung muss die deutsche Geschichte herhalten. Mit Blick auf diese Geschichte sollte Deutschland "bei diesem speziellen Einsatz nicht mit Soldaten präsent sein", sagte der Realo Stefan Liebich kürzlich n-tv.de. Es ging dabei um einen möglichen Einsatz der Bundeswehr in der Ukraine. Deutsche Überwachungsdrohnen sollen für Klarheit sorgen, wenn sich die Kriegsparteien gegenseitig vorwerfen, den Waffenstillstand zu brechen. Dabei müssten sie von Fallschirmjägern begleitet werden, damit sie einem Angriff nicht schutzlos ausgeliefert wären. Den Auftrag findet Liebich zwar richtig, dass ihn die Bundeswehr ausführt, aber nicht: Dass sich Deutschland "ausgerechnet" bei einem Einsatz an der russischen Grenze melde, sei nicht richtig.

Zwischen dem Krieg gegen den Islamischen Staat und dem Krieg in der Ukraine gibt es kaum Parallelen. Das macht es umso auffälliger, dass in beiden Fällen die Argumentation sehr ähnlich ist. In Syrien kämpfen gerade kurdische Milizen gegen eine Schreckens-Armee und werden mit Luftschlägen unterstützt. Auch hier bewegen sich die Linken-Realos in die Richtung des politischen Konsenses in Deutschland: Die Welt darf nicht zusehen, wie diese Terroristen ganze Landstriche einnehmen und die dort lebenden Kurden und Jesiden vertreiben oder töten. Die Linke steht den Kurden traditionell nahe. In einem Positionspapier mit dem Titel "Kobane retten!" rufen 14 Politiker, darunter 12 Bundestagsabgeordnete, ihre Partei dazu auf, "das demokratische Experiment der autonomen Kurdengebiete in Syrien zu verteidigen und zu unterstützen".

Wagenknecht: "Lügen der US-Propaganda"

Doch was ist damit gemeint? Dietmar Bartsch, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und prominenteste Unterzeichner des Papiers, geht auf einem schmalen Grat. Natürlich müsse man militärisch eingreifen. "Wie denn sonst?!" Die Bombardements gegen den IS auf syrischem Boden seien zwar völkerrechtswidrig, aber er persönlich finde sie trotzdem richtig. Doch Waffenlieferungen aus Deutschland an die Kurden lehnt er ab. Die Bundeswehr im Nahen Osten einzusetzen, sei "völlig inakzeptabel". Aus "historischen Gründen". Die höchst unterschiedlichen Szenarien eines Bundeswehreinsatzes in zwei ganz unterschiedlichen Konflikten werden mit ein und der selben pauschalen Begründung weggewischt.

An den radikalen Flügel liegt darin ein Konsensangebot: Man zeigt verteidigungspolitische Aufgeschlossenheit und verknüpft diese mit einer Ablehnung von Bundeswehreinsätzen. Mit einem rot-rot-grünen Bündnis habe das alles nicht zu tun, versichert Dietmar Bartsch. Es gehe ihm allein um die Menschen in Syrien und im Irak, sagt er. Das kann man glauben oder auch nicht. Die Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger schließen sich der neuen Position zumindest nicht an. Sie glauben, eine "zivile Intervention" sei besser, schreiben sie in ausgeruhtem Ton. Die Schärfe bringt erst der radikale Flügel in die Diskussion. Die erste stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht poltert: Wer einen Militäreinsatz befürworte, "geht entweder naiv den Lügen der US-Propaganda auf den Leim oder muss sich den Verdacht gefallen lassen, dass es ihm weniger um das Leid der Menschen im Nahen Osten geht als darum, die friedenspolitischen Positionen der Linken als Eintrittsbillet für eine künftige rot-rot-grüne Bundesregierung zu schleifen."

Quelle: ntv.de

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen