Politik

Parlamentswahl in Polen Kann Polens Bürgerplattform die PiS von der Macht verdrängen?

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Donald Tusk bei der von seiner Partei organisierten Demonstration "Marsch der Millionen Herzen" am 01.10.2023.

Donald Tusk bei der von seiner Partei organisierten Demonstration "Marsch der Millionen Herzen" am 01.10.2023.

(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Am kommenden Sonntag wird in Polen ein neues Parlament gewählt. Seit Jahren stehen der Vize-Ministerpräsident Kaczyński und der Vorsitzende der oppositionellen Bürgerplattform, Tusk, in eiskalter Rivalität zueinander. Nun möchte der ehemalige Ministerpräsident den aktuellen von seinem Amt ablösen.

Im polnischen Wahlkampf wird mit harten Bandagen gekämpft. Donald Tusk ist als Vorsitzender der oppositionellen Bürgerplattform (PO) der Hauptgegner der rechtsnationalistischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die er nach acht Jahren von der Macht verdrängen will. Den früheren EU-Ratspräsidenten und den PiS-Vorsitzenden Jarosław Kaczyński verbindet seit Jahren eine innige Feindschaft.

Vor der Parlamentswahl am 15. Oktober muss der Oppositionsführer, der in seiner Jugend nach eigenen Worten als "Hooligan" durch die Straßen seiner Heimatstadt Danzig zog, seine Kämpferqualitäten unter Beweis stellen. Tusk war vor zwei Jahren in die polnische Innenpolitik zurückgekehrt und hatte die Führung der Bürgerplattform, die er 2001 selbst mitgegründet hatte, übernommen. Zuvor musste der Historiker und eingefleischte Fußballfan als EU-Ratspräsident von 2014 bis 2019 zahlreiche Krisen bewältigen: von der Migration über die griechische Finanzkrise bis hin zu den Brexit-Verhandlungen. Von 2019 bis 2022 war er Vorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP).

Gegenseitige Sticheleien zwischen Tusk und Kaczyński

In den Online-Netzwerken schießt Tusk regelmäßig gegen die PiS, die er wegen der zweistelligen Inflation, der Verschärfung des Abtreibungsgesetzes und jüngst wegen einer Affäre um illegal vergebene Visa kritisiert. Tusk muss sich wiederum gegen scharfe Angriffe der Regierungspartei wehren. PiS-Chef Kaczyński, der offiziell Vize-Ministerpräsident ist, de facto aber den Kurs der Regierung bestimmt, nannte ihn "die Personifizierung des Bösen". Die Regierungspartei, die mit ihrer Justizreform und ihrem Kurs in der Flüchtlingspolitik seit Langem auf Konfrontation zu Brüssel geht, versuchte im Wahlkampf mit einem anti-deutschen Kurs zu punkten. Dabei stellte sie Tusk als eine Marionette Deutschlands dar und warf ihm zugleich vor, russische Interessen zu vertreten.

Ende August setzte die PiS im Parlament die Gründung einer Untersuchungskommission zur "russischen Einflussnahme" durch. Kritiker werteten dies als Versuch, den Oppositionsführer vor der Parlamentswahl politisch kaltzustellen. Seine Partei sprach von einer "Lex Tusk".

Kaczyński gibt Tusk außerdem die "moralische Verantwortung" für den Tod seines Zwillingsbruders Lech. Der damalige Staatschef war 2010 beim Absturz der polnischen Präsidentenmaschine 2010 im russischen Smolensk ums Leben gekommen. Tusk war zum Zeitpunkt des Unglücks Ministerpräsident. Polnische und russische Experten kamen zu dem Schluss, die Hauptgründe für den Absturz seien ein Pilotenfehler und schlechtes Wetter gewesen. Seine konservativen Gegner warfen Tusks Regierung aber Nachlässigkeit bei der Vorbereitung der Reise zu einer Gedenkveranstaltung in Katyn sowie mangelnden Eifer bei den Ermittlungen zu dem Unfall vor.

Vom Hooligan zum Politiker

Das Kämpfen hat Tusk nach eigenen Angaben als Jugendlicher in seiner Heimatstadt Danzig gelernt. "Als Kind, als junger Mann war ich ein typischer Hooligan", sagte er vor einigen Jahren in einem Interview. Die Begeisterung für den Fußball hat sich Tusk bis heute bewahrt, die Ergebnisse wichtiger Spiele bei den großen Turnieren kann er noch Jahrzehnte später auswendig aufsagen. Er ist Fan des Danziger Klubs Lechia Gdańsk.

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Seine kämpferische Energie steckte er aber schon als Student in die Politik, als er sich in der anti-kommunistischen Oppositionsbewegung engagierte. Nach der demokratischen Wende 1989 gründete der studierte Historiker mit Freunden eine liberale Bewegung. 2001 folgte dann die Bürgerplattform. Nach der Wahl zum Regierungschef 2007 führte der liberal-konservative Politiker sein Land erfolgreich durch wirtschaftliche Krisen und setzte im Gegensatz zu anderen politischen Kräften Polens stets auf eine enge Partnerschaft mit Deutschland.

Wahlen am Sonntag

Tusk, der mit seiner Frau Małgorzata zwei erwachsene Kinder hat, spricht auch Deutsch. 2011 wurde er als erster polnischer Ministerpräsident seit Ende des Kommunismus wiedergewählt. Drei Jahre später folgte der Wechsel nach Brüssel. Ihre Rivalität fochten Tusk und Kaczyński auch auf EU-Ebene aus, als die PiS-Regierung versuchte, Tusks Wiederwahl als EU-Ratspräsident zu verhindern. Der Vorstoß scheiterte aber.

Anfang Oktober mobilisierte Tusk in Warschau Hunderttausende Regierungsgegner, nach Angaben seiner Anhänger war es die größte Demonstration aller Zeiten in der polnischen Hauptstadt. Ob die Opposition die Regierung bei der Wahl am Sonntag ablösen kann, ist aber ungewiss. In den Umfragen verzeichnete die von Tusk angeführte Bürgerkoalition zuletzt Zugewinne, sie liegt aber weiterhin hinter der PiS.

Quelle: ntv.de, mes/AFP

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