Ausgangssperren in Türkei Mehrere Menschen sterben bei Kurden-Protesten
08.10.2014, 10:25 Uhr
In der Kurdenhauptstadt Diyarbakir im Südosten des Landes kamen bei den Protesten acht Menschen ums Leben.
(Foto: picture alliance / dpa)
In mehreren Ländern fordern Kurden derzeit einen Hilfseinsatz für die vom IS bedrohte Stadt Kobane. Besonders heftig fallen die Proteste in der Türkei aus, wo bei Demonstrationen 14 Menschen sterben. Die Regierung in Ankara greift im Gegenzug hart durch.
In der Türkei sind bei Protesten von Kurden gegen die Haltung der Regierung in Ankara im Syrien-Konflikt 14 Menschen ums Leben gekommen. Wie die Zeitung "Hürriyet" berichtet, seien allein in der südostanatolischen Großstadt Diyarbakir acht Demonstranten getötet worden. In der zum Großteil von Kurden bewohnten Stadt kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei sowie mit Anhängern der islamistischen Huda-Par-Partei. Zunächst war von zwölf Toten in der Kurdenhauptstadt die Rede, ein Vertreter der Sicherheitskräfte bestätigte später jedoch die Presseberichte von acht Opfern.
Hauptanliegen der Demonstranten war die angeblich passive Haltung Ankaras hinsichtlich der von der Einnahme durch die Terroristen des Islamischen Staats (IS) bedrohten syrischen Stadt Kobane, in der ebenfalls mehrheitlich Kurden leben. Das türkische Parlament stimmte zuletzt zwar einem Armeeeinsatz in Syrien und dem Irak zu, jedoch blieb ein entsprechender Marschbefehl der Regierung unter Ministerpräsident Ahmet Davutoglu bislang aus. Ankara beharrt darauf, dass es einen Militäreinsatz der Türkei gegen den IS nur geben werde, wenn sich Verbündete wie die Staaten der Nato selbst stärker an den Kampfhandlungen beteiligen.
Die Kurdenpartei HDP rief daher zu landesweiten Protesten auf, an denen sich am Dienstag tausende Menschen beteiligten. Dabei wurden in Diyarbakir und anderen Städten im Südosten des Landes Gebäude der Regierung sowie der regierenden AKP beschädigt, Autos in Brand gesteckt sowie Banken und Geschäfte geplündert. In der Stadt Mardin starben bei den Protesten drei Menschen, in Siirt zwei, sowie in den Städten Batman und Mus jeweils eine Person. In den Provinzen Diyarbakir, Mardin, Siirt und Van verhängte die Regierung daraufhin eine Ausgangssperre. Zum ersten Mal seit dem 2002 aufgehobenen Ausnahmezustand kam es auch wieder zu einem Einsatz der Armee auf den Straßen.
Kurden-Partei PKK droht mit Ende von Friedensgesprächen
In der größten Stadt Istanbul sowie in der Hauptstadt Ankara setzte die Polizei Tränengas und Wasserwerfer ein, um die Demonstranten zurückzudrängen. Dabei wurde in Istanbul ein Demonstrant durch einen Kopfschuss schwer verletzt. Laut der Nachrichtenagentur Dogan wurden mindestens 98 Menschen verhaftet. Auch in den den Städten Antalya, Mersin und Adana kam es zu Protesten.
Der Innenminister forderte die Demonstrierenden am Dienstagabend zum Rückzug auf. Laut Efkan Ala drohten andernfalls "unvorhersehbare Folgen". Im Gegenzug drohte die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), dass sie die seit zwei Jahren laufenden Friedensverhandlungen abbrechen werde, sollte Ankara den Kurden in der Grenzstadt Kobane nicht zu Hilfe kommen.
Ebenso kam es in mehreren Ländern Westeuropas, darunter auch in Deutschland, zu heftigen Protesten von Kurden. So wurden beispielsweise das Parlament der Niederlande sowie das EU-Parlament in Straßburg kurzzeitig von Demonstranten besetzt. In Hamburg und auch im niedersächsischen Celle kam es zu schweren Ausschreitungen zwischen kurdischen Jesiden und Muslimen.
In Kobane (arabisch: Ain al-Arab) hatten die Dschihadisten des IS gestern starke Gebietsgewinne verzeichnet. Der UN-Syrienvermittler Staffan de Mistura rief die Weltgemeinschaft zur Hilfe bei der Verteidigung auf. "Wir alle werden es zutiefst bereuen, wenn der IS in der Lage ist, eine Stadt zu übernehmen, die sich selbst mit so viel Tapferkeit verteidigt hat, das aber bald nicht mehr kann. Wir müssen jetzt handeln", sagte de Mistura laut Mitteilung der Vereinten Nationen in Genf.
Quelle: ntv.de, bwe/AFP/dpa