"Gemeinsamer Handelsraum" Merkel baut Moskau eine Brücke
23.01.2015, 04:33 Uhr
Ein neuer Blick nach Osten: Die Kanzlerin öffnet Russland eine Tür nach Europa.
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Ist das der Ausweg aus dem festgefahrenen Ukraine-Konflikt? Deutschland bietet Moskau eine echte Perspektive an. Es geht um den Aufbau eines gemeinsamen "Handelsraums". Noch ist die Kooperation nur ein Angebot. Wird Putin darauf eingehen?
Die Bundesregierung hat Russland eine Wirtschaftskooperation bis hin zur gemeinsamen Freihandelszone in Aussicht gestellt. Auf dem Wirtschaftsgipfel in Davos unterbreitete Kanzlerin Angela Merkel Berichten zufolge der Führung in Moskau damit eine "neue Option".
Zur Debatte stehen demnach Verhandlungen zwischen Europäischer Union und der von Moskau dominierten Eurasischen Union. Konkret geht es Merkel um "Möglichkeiten einer Kooperation in einem gemeinsamen Handelsraum". Reaktionen aus Russland lagen zunächst nicht vor. Für Russlands Staatschef Wladimir Putin könnte eine solche Perspektive tatsächlich eine aussichtsreiche Alternative darstellen, den bisherigen Kurs einer aggressiven Außenpolitik aufzugeben, ohne dabei als Verlierer dazustehen.

Machtpolitik in der Sackgasse: Präsident Wladimir Putin bei einer Kabinettssitzung zur russischen Finanzkrise.
(Foto: REUTERS)
Zur Voraussetzung habe Merkel allerdings eine umfassende Friedenslösung in der Ostukraine gemacht, berichtete die "Süddeutsche Zeitung". Putins Russland steht derzeit vor massiv anwachsenden Problemen: Die russische Wirtschaft leidet schwer unter den Sanktionen, die westliche Staaten in Reaktion auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und Russlands Rolle im Osten der Ukraine auferlegt haben. Der scharfe Preisverfall am Ölmarkt macht die Schwächen der russischen Wirtschaft offensichtlich. Das Vertrauen internationaler Investoren ist durch spektakuläre Enteignungen und die offenbar geduldete Korruption tief erschüttert.
Eine Alternative zur Isolation
Merkels Vorstoß ist Teil der deutschen Bemühungen, zu einem Ende der Kämpfe im Osten der Ukraine beizutragen. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel regte zudem eine Diskussion in der EU darüber an, was man Russland für die Zeit nach dem Krieg anbieten könne.
Der nächste Schritt sei eine Diskussion über eine Freihandelszone, bestätigte Gabriel am Rande des Treffens in Davos. "Wir sollten Russland einen Ausweg anbieten", erklärte der SPD-Politiker. Bei einem Außenminister-Treffen am Mittwochabend in Berlin hatte es erstmals seit Monaten wieder "wahrnehmbare" Fortschritte gegeben.
Die Außenminister Russlands und der Ukraine, Sergej Lawrow und Pawel Klimkin, verständigten sich auf den Abzug schwerer Waffen aus der Krisenzone, ausgehend von einer bereits vereinbarten Demarkationslinie. Die Kämpfe beendet hat die Vereinbarung von Berlin allerdings nicht. Auch am Donnerstag gab es wieder Tote bei Gefechten in Donezk.
Merkel trifft Renzi in Florenz
Nach ihrem Aufenthalt in Davos reiste die Bundeskanzlerin weiter zu Gesprächen nach Italien, wo sie in Florenz mit dem italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi zusammentraf. Renzi empfing Merkel am Donnerstagabend am Palazzo Vecchio in seiner Heimatstadt.
Nach den Vier-Augen-Gesprächen standen bei dem deutsch-italienischen Gipfel ein Abendessen im Rathaus und ein Rundgang durch die Galerien der Uffizien auf dem Programm. Am Freitag wollen Merkel und Renzi ihre Gespräche fortsetzen. Auf der Agenda dürfte auch der umstrittene Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) stehen. Mit der Geldflut von mehr als einer Billion Euro will die EZB die Konjunktur im Euroraum anschieben. Kritiker befürchten, dass die großzügige geldpolitische Unterstützung wirtschaftlich angeschlagene Länder - wie etwa Italien - dazu veranlasst, im Reformeifer nachzulassen.
Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern sind derzeit angespannt, da Deutschland und die EU Italien zum Sparen und Schuldenabbau drängen. Der sozialdemokratische italienische Ministerpräsident hingegen argumentiert, dass auch der Sparzwang das Wirtschaftswachstum in dem Land verhindere. Renzi hat zwar wichtige Reformen des Arbeitsmarktes angeschoben, aber das Land steckt immer noch in einer schweren Rezession. Merkel hatte Renzis Anstrengungen zuletzt gelobt.
Am Freitag werde die Kanzlerin zunächst mit Vertretern deutscher Unternehmen in Italien zusammenkommen, heißt es. Danach erst geht es für Merkel und Renzi unter vier Augen weiter. Die beiden Regierungschefs vertreten die stärkste beziehungsweise drittstärkste Wirtschaftsmacht der Eurozone. Ihre Gespräche werden sich, so heißt es aus dem Umfeld der Bundesregierung, auch um die G7-Präsidentschaft Deutschlands drehen sowie um andere internationale Themen - und damit wohl auch um den Russland-Vorschlag der Kanzlerin.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa