Bisher tödlichster Protesttag Mindestens 18 Menschen sterben in Myanmar
28.02.2021, 18:12 Uhr
Seit dem Putsch vor mehr als einem Monat protestiert in Myanmar täglich die pro-demokratische Bewegung. Augenzeugen berichten von zunehmender Brutalität des Militärs - allein am Samstag sterben mindestens 18 Menschen. Mehrere Hundert werden verhaftet, darunter auch Journalisten.
Es war der bisher blutigste Tag der Proteste gegen den Militärputsch in Myanmar seit der Machtübernahme der Armee vor rund einem Monat: Bei pro-demokratischen Demonstrationen sind mindestens 18 Menschen getötet und mehr als 30 Personen verletzt worden. Dies gaben die Vereinten Nationen in einer Mitteilung bekannt. Bei den Massenprotesten am Wochenende wurden zudem hunderte Menschen festgenommen.

Vor einem Monat hat das Militär sich in Myanmar an die Macht geputscht.
(Foto: picture alliance/dpa/ZUMA Wire)
In der südlichen Küstenstadt Dawei wurden drei Männer erschossen, als neben Tränengas, Wasserwerfern und Gummigeschossen auch scharfe Munition eingesetzt wurde, wie der Sanitäter Pyae Zaw Hein sagte. Mindestens 20 weitere Menschen wurden nach seinen Angaben durch Gummigeschosse verletzt. Er glaube, dass es noch mehr Opfer geben könnte, "da immer mehr Verletzte eintreffen", fügte er hinzu. Das örtliche Medienportal "Dawei Watch" meldete ebenfalls drei Todesopfer.
Polizei zunehmend brutaler
In der Stadt Bago wurden nach Angaben eines Rettungswagenfahrers zwei Jugendliche erschossen. Auch Lokalmedien meldeten den Tod der beiden 18-Jährigen. Ein 23-Jähriger wurde in der Wirtschaftsmetropole Rangun getötet. "Seine Frau ist zutiefst erschüttert", sagte ein Sozialarbeiter nach einem Gespräch mit der Witwe des Toten. "Sie ist im dritten Monat schwanger." In Rangun begannen Polizisten bereits wenige Minuten vor dem Auftakt der Proteste, die Menschen gewaltsam auseinanderzutreiben. Ob sie dabei ebenfalls scharfe Munition einsetzten, war zunächst unklar.
Auch in anderen Städten berichteten Augenzeugen von der zunehmenden Brutalität der Einsatzkräfte gegen friedliche Demonstranten. Seit dem Putsch registrierte die Hilfsvereinigung für politische Gefangene mehr als 850 Festnahmen oder Verurteilungen. Die Zahl dürfte nach diesem Wochenende jedoch drastisch steigen. Staatliche Zeitungen berichteten von 479 Festnahmen alleine am Samstag.
Die UNO verurteilte das gewaltsame Vorgehen "aufs Schärfste". "Wir fordern das Militär auf, die Anwendung von Gewalt gegen friedliche Demonstranten sofort einzustellen", erklärte die Sprecherin des UN-Menschenrechtskommissariats, Ravina Shamdasani.
Journalisten unter den Festgenommenen
Aus mehreren Städten wurden zudem Übergriffe auf Journalisten gemeldet. So soll in Myitkyina ein Reporter laut Berichten der Lokalzeitung "The 74 Media" von Polizisten geschlagen und festgenommen worden sein. In Pyay im Zentrum des Landes wurde ein weiterer Reporter nach Angaben seines Arbeitgebers von einem Gummigeschoss getroffen. Ein Sprecher der Militärjunta war am Sonntag telefonisch nicht zu erreichen.
Am 1. Februar hatte in dem südostasiatischen Land das Militär durch einen Putsch die Macht übernommen. Die demokratisch gewählte Regierung von De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi wurde abgesetzt und die Friedensnobelpreisträgerin festgenommen. Seitdem sind hunderttausende Menschen gegen die Armee auf die Straßen gegangen. Dabei ließen sie sich bislang auch von zunehmender Gewalt und Einschüchterungen nicht abschrecken.
Am Montag soll eine Anhörung von Suu Kyi vor Gericht stattfinden. Ihr werden dubiose Vergehen wie der Besitz unregistrierter Funkgeräte vorgeworfen. Ihr Anwalt Khin Maung Zaw sagte zu AFP, ihm sei bisher kein Treffen mit seiner Mandantin ermöglicht worden. "Als Anwalt vertraue ich dem Gericht. Aber in diesen Zeiten kann alles passieren."
Myanmars UN-Botschafter Kyaw Moe Tun stellte sich am Wochenende gegen die Militärführung und rief die internationale Gemeinschaft zum Handeln auf. Die Junta reagierte am Sonntag mit seiner Absetzung. Der Diplomat sei "nicht dem Befehl und der Richtung des Staates gefolgt", hieß es in einem Bericht des Staatsfernsehens.
Quelle: ntv.de, cls/AFP/dpa