Politik

Union will "massive Veränderungen" Mindestlohn steht weiter in der Kritik

Mitglieder des DGB demonstrieren am Tag der 1. Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag vor dem Brandenburger Tor in Berlin für einen flächendeckenden Mindestlohn.

Mitglieder des DGB demonstrieren am Tag der 1. Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag vor dem Brandenburger Tor in Berlin für einen flächendeckenden Mindestlohn.

(Foto: dpa)

Erneut äußern Politiker der Union Bedenken am Mindestlohn. Sie fordern weitere Ausnahmen und Änderungen am Gesetzentwurf. Sozialverbände halten dagegen: Ihnen geht der Plan der Regierung nicht weit genug.

Mindestlohn-Kritiker in der Unionsfraktion machen weiter gegen den Gesetzentwurf mobil und fordern deutlich mehr Ausnahmen. Das Vorhaben von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles von der SPD widerspreche "Geist und Buchstaben des Koalitionsvertrags", sagte der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Bundestag, Peter Ramsauer von der CSU, der "Welt am Sonntag". Deshalb müssten "massive Veränderungen vorgenommen werden". Für Rentner, Praktikanten und studentische Hilfskräfte dürfe der ab 2015 geplante Mindestlohn ebenso wenig gelten wie für Zeitungsausträger.

Die SPD warnte die Kritiker der Union vor einer erneuten Debatte. Der Bundestag hatte sich am Donnerstag zum ersten Mal mit dem Gesetzentwurf (hier als PDF) befasst. Es soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde soll dann vom kommenden Januar an für alle ab 18 Jahren gelten. Ausnahmen gibt es bis 2017 für Branchen mit einem überregional gültigen Tarifvertrag. Keinen Anspruch auf den Mindestlohn gibt es für Lehrlinge, Ehrenamtliche und Praktika im Rahmen von Schule, Ausbildung oder Studium sowie sechswöchige Praktika zur Berufs- oder Studienorientierung. Für Praktika nach Ausbildungs- und Studiumsabschluss muss der Mindestlohn gezahlt werden.

Ausnahme für Erntehelfer?

Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs fordert nun zusätzliche Ausnahmen für Saisonarbeiter und Erntehelfer. Er halte es auch für falsch, den Mindestlohn mit 18 Jahren beginnen zu lassen, sagte der CDU-Politiker. "Da werden junge Leute in die gefährliche Richtung gelenkt, auf eine Ausbildung zu verzichten und eine Hilfsarbeit zum Mindestlohngehalt anzunehmen", erklärte Fuchs. "Ich bin nicht bereit, den Entwurf von Frau Nahles einfach abzunicken", sagte er.

Kritiker fürchten nach der Einführung des Mindestlohns negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.

Kritiker fürchten nach der Einführung des Mindestlohns negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.

(Foto: dpa)

Für die etwa 300.000 Erntehelfer, die zum Großteil aus anderen EU-Staaten wie Rumänien und Bulgarien kommen, ist eine tarifliche Regelung geplant, die bis Ende 2016 eine Bezahlung unterhalb des Mindestlohns erlauben würde. Die Gewerkschaft IG Bauen-Agrar-Umwelt hatte den Arbeitgebern am Freitag aber vorgeworfen, Verhandlungen über einen Mindestlohn-Tarifvertrag zu blockieren. Ein Angebot der Gewerkschaft liege seit Wochen vor. "Doch die Arbeitgeber blockieren die Tarifverhandlungen und spielen lieber auf Zeit", sagte IG-BAU-Vizechef Harald Schaum.

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi warnte die Union vor solchen Forderungen. Ihre Partei stehe hinter dem Nahles-Entwurf, der den Verabredungen im Koalitionsvertrag entspreche. "Die Union sollte nicht schon wieder versuchen, Abweichungen davon ins Spiel zu bringen. Die SPD wird dafür sorgen, dass der Niedriglohnsumpf endlich trockengelegt wird."

"Mindestlohn muss deutlich steigen"

Allerdings macht auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) weiter Druck für zusätzliche Einschränkungen. "Wir brauchen Ausnahmeregelungen, um mit dem Mindestlohn nicht zu viel Unheil anzurichten", bekräftigte BDI-Präsident Ulrich Grillo in der "Rheinischen Post". "Die Praktika für junge Leute müssen für die Unternehmen bezahlbar bleiben, sonst erschweren wir dieser Generation den Einstieg in einen qualifizierten Beruf." Auch die Altersgrenze 18 Jahre hält Grillo weiterhin für zu niedrig.

"Der Mindestlohn muss deutlich steigen", meint hingegen der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtverbands, Ulrich Schneider. Er sagte der "Passauer Neuen Presse", für eine später ausreichende Rente sei eine Stundenentlohnung von deutlich über 13 Euro notwendig.

Auch aus Sicht des Präsidenten der Deutschen Rentenversicherung, Axel Reimann, ist der geplante Mindestlohn kein Allheilmittel gegen drohende Altersarmut: "Der Mindestlohn kann hier zum Teil Verbesserungen bringen. Allerdings wird auch ein Arbeitnehmer, dessen Verdienst sich auf Dauer auf dem Niveau des Mindestlohns bewegt, über die Grundsicherung kaum hinauskommen", sagte er der "Süddeutschen Zeitung".

Die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke von der SPD, erhofft sich eine stärkere Angleichung der Lebensverhältnisse. "In Ostdeutschland verdienen etwa 25 Prozent aller Arbeitnehmer weniger als 8,50 Euro die Stunde, in Westdeutschland liegt der Anteil bei der Hälfte", sagte Gleicke. "Deshalb wird der Mindestlohn in Ostdeutschland auch mehr Nachfrage bringen und einen Kaufkrafteffekt für die Wirtschaft haben."

Quelle: ntv.de, mli/dpa/rts

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