Politik

Anti-Terror-Talk bei Jauch Oma Danielle hat die beste Antwort

"Es ist sehr wichtig, jetzt Hemingway zu lesen", sagt Madame Danielle im französischen Fernsehen.

"Es ist sehr wichtig, jetzt Hemingway zu lesen", sagt Madame Danielle im französischen Fernsehen.

Drei Journalisten und ein Politiker diskutieren bei Günther Jauch, wie die Terrormiliz Islamischer Staat bekämpft werden kann. Grenze dicht, sagen die einen. Ja, aber die zwischen der Türkei und dem IS, sagt ein anderer.

Das Schlusswort seiner Sendung gab Günther Jauch einer älteren Dame. In seiner Talkshow am Sonntagabend zeigte er das Video der 77-jährigen Madame Danielle, die in einem französischen Fernsehsender erklärt, wie man auf die Anschläge von Paris zu reagieren habe.

"Es ist sehr wichtig, Blumen zu unseren Toten zu tragen, und 'Paris - ein Fest fürs Leben' von Hemingway zu lesen. Wir sind eine sehr alte Zivilisation und wir werden unsere Werte hochhalten", sagt die Dame mit hoch erhobenem Kopf. "Wir werden uns mit den fünf Millionen Muslimen (in Frankreich) verbrüdern, die ihre Religion frei und freundlich ausüben, und wir werden gegen die 10.000 Barbaren kämpfen, die angeblich im Namen von Allah töten."

"Mamie Danielle", zu Deutsch: Oma Danielle, macht schon seit Tagen im Internet die Runde - zu Recht, die Dame hat Stil. Dramatisch bessere Ideen als sie konnten die Gäste bei Jauch auch nicht präsentieren. Der Journalist Stefan Aust etwa befand, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe "die Lage", gemeint war die an den deutschen Grenzen, keineswegs im Griff. Der Zustrom von Bürgerkriegsflüchtlingen werde zu einer "Destabilisierung der Verhältnisse in diesem Lande" führen; es sei ein Sicherheitsrisiko, wenn Leute in großer Zahl kämen und nicht integriert werden könnten, so der Herausgeber des Medienkonstrukts "Welt N24".

Der Autor Jürgen Todenhöfer, der sich vor etwa einem Jahr für ein paar Tage im Machtbereich des Islamischen Staats aufgehalten hatte, betonte dagegen, die Anschlagsgefahr in Deutschland sei bei weitem nicht so hoch wie in Frankreich, Großbritannien oder den USA. Vor allem Amerika sei "der große Champion, den sie gerne als Bodentruppen da hätten", sagte er über die IS-Kämpfer.

"Nicht alles zusammenmantschen"

Die Talkrunde am Sonntagabend. Madame Danielle wurde per Telefon aus Paris zugeschaltet.

Die Talkrunde am Sonntagabend. Madame Danielle wurde per Telefon aus Paris zugeschaltet.

(Foto: imago/Stefan Zeitz)

Todenhöfer geht davon aus, dass die Anti-Terror-Politik des Westens ein kompletter Fehler war: Der IS sei die Antwort auf den Einmarsch der Amerikaner in den Irak. Frankreichs Präsident François Hollande mache jetzt den gleichen Fehler wie seinerzeit George W. Bush: Bei den französischen Bombenangriffen auf den IS seien Krankenhäuser getroffen und Kinder getötet worden. Diese Bilder gingen nun durch die arabische Welt und würden für neuen Terrorismus sorgen. Den IS hält Todenhöfer für gefährlich, nicht jedoch die Syrien-Rückkehrer, weil diese sich ja vom IS abgewandt hätten.

Diese Position wollte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann nicht akzeptieren. Die Behörden müssten für sichere Grenzen sorgen - entweder an den Schengen-Außengrenzen oder eben an den deutschen Grenzen. Auf den Einwand, die (meisten) der Attentäter von Paris seien Belgier und Franzosen gewesen, sagte der CSU-Politiker, die Gefahr in diesen Ländern sei größer, weil es dort mehr "Gefährder" gebe. Für Deutschland wollte er aber keine Entwarnung geben: Hierzulande gebe es "mehrere Hundert, die wir als höchst gefährlich einschätzen".

WDR-Chefredakteurin Sonia Mikich warnte nicht vor Flüchtlingen, sondern davor, ein "Armageddon" zu beschwören. Sie rief dazu auf, man möge die Diskussion um den IS-Terrorismus von der Debatte über die Flüchtlinge trennen und "nicht alles zusammenmantschen". Gegen Ende der Sendung bat sie darum, "dass wir uns noch ein bisschen darüber unterhalten, wie wir es schaffen, dass diese jungen Menschen sich nicht gehirnwaschen lassen", aber da war es schon zu spät. So blieb es bei ihrem Verweis auf die Chancenlosigkeit vieler muslimischer Jugendlicher in Europa - was sie als Erklärung, "nicht als Entschuldigung, ganz bestimmt nicht", verstanden wissen wollte.

"Zehnmal besser als jeder Krieg"

Konsensfähig war Todenhöfers Analyse über die Entstehung des IS: Der Irak-Krieg sei eine falsche Entscheidung gewesen, Bush habe damit "das Tor zur Hölle" geöffnet, stimmte Aust ihm zu. Das könne aber nicht bedeuten, dass man in jedem Fall davon absehe, militärisch einzugreifen, so Aust. Da wiederum widersprach Todenhöfer: Um den IS zu bekämpfen, müsse man erstens die Waffenexporte aus Saudi-Arabien an die terroristischen Gruppierungen in Syrien stoppen, zweitens die Grenze zwischen der Türkei und dem IS-Territorium schließen und drittens dafür sorgen, dass die Sunniten im Irak und in Syrien ins politische Leben integriert würden. "Das ist zehnmal besser als jeder Krieg." So hatte Oma Danielle ihren Kampf gegen "die 10.000 Barbaren" vermutlich auch gemeint. Auch sonst war Todenhöfer ganz auf der Linie der alten Dame: Die Muslime in Deutschland stünden "auf unserer Seite", sagte er, vom IS würden sie als Feinde betrachtet.

Am Ende berichtete Jauch noch, dass Vertreter der Bundesregierung sich nach seiner Sendung "beim Bier" immer wieder darüber beklagten, vorgehalten zu bekommen, mit dubiosen Figuren zu kooperieren. Die anwesenden Gäste konnten das nicht so recht glauben. "Wir werden, Ukraine hin oder her, und ich sage das nicht gerne, wir werden mit Putin mehr reden müssen", prophezeite Mikich. Herrmann wies darauf hin, dass Bundeskanzlerin Merkel den Kontakt zu Putin immer gehalten habe, auch Außenminister Steinmeier und Wirtschaftsminister Gabriel würden mit dem russischen Präsidenten sprechen. Wer das denn gewesen sei, der der Bundesregierung moralische Vorhaltungen gemacht habe, wollte Herrmann wissen. "Vielleicht irgendjemand aus dem amerikanischen Kongress", überlegte er, "aber da sind wir schon emanzipiert genug in Deutschland, dass wir unsere eigene Außenpolitik machen".

Am Ende der Sendung musste Herrmann sich noch dazu äußern, ob es fair war, was Horst Seehofer auf dem CSU-Parteitag mit Angela Merkel gemacht hatte. "Ich glaube, wir müssen jetzt gemeinsam nach vorne schauen", zog sich der Bayer aus der Affäre. Oma Danielle hätte sicher eine bessere Antwort gehabt.

Quelle: ntv.de

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