Kurs auf die Bundestagswahl Özdemir schwört die Grünen ein
11.11.2016, 19:49 Uhr
"Wir bleiben unbequem" - das gilt häufig auch für die Parteitage der Grünen.
(Foto: imago/Rüdiger Wölk)
Bis zur nächsten Bundestagswahl ist es nur noch knapp ein Jahr. In Münster wollen die Grünen die Weichen für ihren Wahlkampf stellen. Mit dabei: Der Daimler-Chef trotz Protest, ein Streit um die Vermögenssteuer und vier mögliche Spitzenkandidaten.
Die Grünen nehmen Kurs auf die Bundestagswahl 2017: Die Delegierten treffen sich in Münster zu einem Bundesparteitag, um inhaltliche Weichen in der Europa- und Verkehrspolitik zu stellen. Außerdem will die Parteiführung den Streit um höhere Steuern für Wohlhabende ausräumen.
Nach langer Diskussion sei es jetzt Zeit, eine Entscheidung zu treffen, mahnte Grünen-Chefin Simone Peter. Der Co-Vorsitzende Cem Özdemir erklärte, die Grünen erwecken derzeit den Eindruck, dass sie in der Frage der sozialen Gerechtigkeit uneins seien. Bei aller Einigkeit in den Zielen führe die Partei zu oft "Selbstgespräche".

Robert Habeck, Katrin Göring-Eckardt, Anton Hofreiter und Cem Özdemir (v.l.): Zwei von ihnen dürfen die Grünen als Spitzenkandidaten in die Bundestagswahl führen.
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Die Grünen wollen am Samstag darüber beraten, inwieweit sie Reiche stärker besteuern wollen - etwa durch eine Vermögen- oder eine neue Erbschaftsteuer. Özdemir sagte, eine "kluge Umverteilung" zugunsten einer stärkeren Besteuerung großer Vermögen sei "nicht des Teufels". Allerdings dürfe man den mittelständischen Unternehmen, die sich um die Energiewende kümmerten, "nicht in die Kniekehlen schlagen".
Özdemir hatte im Vorfeld offen gelassen, was er konkret will, sich aber bereits oft gegen die Vermögensteuer ausgesprochen, wie der linke Parteiflügel mit Simone Peter an der Spitze sie sich wünscht.
Zetsche darf reden
Einen weiteren Aufreger umschifften die Delegierten zu Beginn ihres Parteitages. Der als Gastredner geladene Daimler-Chef Dieter Zetsche darf am Sonntag bei den Grünen sprechen und auf der Bühne unter anderen mit WWF-Expertin Regine Günther diskutieren.
Die Entscheidung des Bundesvorstands, einen so prominenten Vertreter der Autobranche einzuladen, hatte vor dem Parteitag viel Unmut hervorgerufen - auch, weil er als Vorstoß der Realos aus Baden-Württemberg um Özdemir und Ministerpräsident Winfried Ketschmann wahrgenommen wurde. Daraufhin waren zwei Anträge eingegangen, Zetsches Rede von der Tagesordnung zu streichen. "Ich sehe mit Herrn Zetsche keine gemeinsamen Ziele", sagte einer der Antragsteller. Die Delegierten stimmten aber gegen die Ausladung.
Vier Bewerber für zwei Posten
Der Politische Bundesgeschäftsführer Michael Kellner berichtete vom Mitgliederzuwachs der vergangenen Wochen: Die Grünen hatten demnach am Freitag genau 60.788 Mitglieder, rund 1700 mehr als zu Beginn des Jahres. Viele von ihnen waren eingetreten, um sich am Mitgliederentscheid über die Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl kommenden Herbst zu beteiligen. Es bewerben sich die Bundestags-Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, Parteichef Özdemir sowie der Landesminister Robert Habeck aus Schleswig-Holstein. Das Ergebnis steht im Januar fest.
Hauptthema am Freitag war eine Debatte über Europa nach dem Brexit-Votum der Briten, die Folgen des Wahlsiegs von Donald Trump in den USA und die Lage in der Türkei. Der Bundesvorstand warb in einem Leitantrag für ein klares Bekenntnis zu Europa und zur EU, für die Stärkung des Europäischen Parlaments und gegen Nationalismus. "Wir beantworten Hass mit Haltung", sagte Fraktionschefin Göring-Eckardt. "Es geht jetzt um den europäischen Traum."
Quelle: ntv.de, chr/dpa/AFP