Die Kriegsnacht im Überblick Raketenangriff auf Öldepot - Ukraine: Moskau plant "Referendum" in Cherson
31.03.2022, 06:45 Uhr
(Foto: IMAGO/ZUMA Press)
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht noch keine konkreten Ergebnisse der Gespräche mit Russland über ein mögliches Ende des Kriegs. Den schönen Worten aus Moskau sei nicht zu trauen, sagte er in der Nacht. Die Ukraine meldet derweil auch weiter Angriffe, so etwa auf ein Treibstofflager in der Großstadt Dnipro. Abermals ringen beide Seiten um eine Feuerpause für die umkämpfte Stadt Mariupol. Die Bundesregierung hofft ihrerseits auf mehr Klarheit, ob und wie Russland weiter Gas liefert.
Ukraine: Raketenangriff auf Öldepot in Dnipro
Bei einem Raketeneinschlag in der Stadt Dnipro wurde nach ukrainischen Angaben ein mit Treibstoff gefülltes Öldepot zerstört. Trümmer hätten zudem zwei Tanklastwagen beschädigt, teilte der Leiter des Regionalrats, Mykola Lukaschuk, mit. Es habe keine Opfer gegeben. In Nowomoskowsk nordöstlich von Dnipro schlug ukrainischen Angaben zufolge eine Rakete in eine Fabrik ein. Auch hier gab es demnach keine Toten. Der Luftwaffe in Kiew zufolge feuert Russland sogar vom Kaspischen Meer aus Raketen auf Ziele in der Ukraine ab. Die Angaben der Kriegsparteien sind nicht unabhängig zu überprüfen.
Russland stellt Feuerpause in Mariupol in Aussicht
Für die seit Wochen umkämpfte Stadt Mariupol bietet Russland für den heutigen Donnerstag eine Feuerpause an, um Zivilisten die Möglichkeit zur Flucht zu geben. "Russlands Streitkräfte erklären - ausschließlich zu humanitären Zwecken - am 31. März ab 10 Uhr (9 Uhr MESZ) eine Feuerpause", sagte Generalmajor Michail Misinzew laut Agentur Interfax. Zugleich setzte er der Ukraine eine Frist bis 5 Uhr deutscher Zeit, um ihrerseits eine Feuerpause zu erklären. Die Frist verstrich am Vormittag zunächst ohne öffentliche Äußerung der ukrainischen Führung. Baerbock appellierte an Moskau, Flucht und Hilfen zu ermöglichen. "Die Angriffe müssen sofort gestoppt werden. Humanitäres Völkerrecht ist einzuhalten", erklärte die Grünen-Politikerin in Berlin.
US-Regierung beobachtet russischen Teilabzug um Kiew
Die US-Regierung erklärte in Washington, Russland habe binnen 24 Stunden einen kleinen Teil seiner Truppen aus der Umgebung von Kiew abgezogen - "wahrscheinlich etwa 20 Prozent der Truppen", sagte Pentagon-Sprecher John Kirby. Einige dieser Soldaten seien nach Belarus verlagert worden. Nach Einschätzung der US-Regierung bekommt Präsident Putin keine ehrliche Beschreibung der Lage im Ukraine-Krieg. Putins hochrangige Berater hätten "zu viel Angst, ihm die Wahrheit zu sagen", meinte die Kommunikationsdirektorin des Weißen Hauses, Kate Bedingfield.
Wirrwarr um künftige Zahlungen an Russland für Gas
In welcher Währung wird künftig russisches Gas bezahlt? Darüber will der russische Präsident Wladimir Putin mit Vertretern des Energieriesen Gazprom und der russischen Zentralbank reden. Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte aus Sorge vor Einschränkungen die erste von drei Krisenstufen des Notfallplans Gas in Kraft gesetzt. Wegen der Ankündigung Russlands, Gas nur noch gegen Zahlungen in Rubel zu liefern. Deutschland und andere Staaten pochen darauf, weiter in Euro und Dollar zu zahlen. Der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit erklärte am Mittwochabend nach einem Telefonat von Bundeskanzler Olaf Scholz mit Putin, die westlichen Zahlungen könnten auch nach dem 1. April wie üblich in Euro an die Gazprom-Bank gehen. Die Bank konvertiere dann das Geld in Rubel. Scholz habe dem nicht zugestimmt, sondern um schriftliche Informationen gebeten.
Selenskyj: Russland zieht sich nicht freiwillig zurück
In den Verhandlungen mit der Ukraine über ein Ende des Kriegs kündigte Russland am Dienstag an, seine Kampfhandlungen an der nördlichen Front deutlich zurückzufahren. Die Gespräche mit der russischen Delegation sollen auch nach Angaben des ukrainischen Verhandlungsführers David Arachamija am 1. April im Online-Format fortgesetzt werden. Ziel der Ukraine ist ein direktes Gespräch der Präsidenten beider Länder.
Der ukrainische Präsident Selenskyj äußerte Misstrauen. "Ja, es gibt einen Verhandlungsprozess, der fortgesetzt wird. Aber es sind bisher Worte. Nichts Konkretes", sagte er in einer Videobotschaft. Russland ziehe sich nicht freiwillig aus der Umgebung der Hauptstadt Kiew und der umkämpften Stadt Tschernihiw zurück, sondern werde von der ukrainischen Armee dort verdrängt. Gleichzeitig erkenne Kiew einen Aufmarsch russischer Truppen für neue Angriffe im Donbass, sagte Selenskyj. "Und darauf bereiten wir uns vor." Er bekräftigte die Forderung nach Hilfe der westlichen Partner, etwa Panzer, Flugzeuge und Artilleriesysteme. "Die Freiheit darf nicht schlechter bewaffnet sein als die Tyrannei", sagte er.
Ukraine wirft Russland Einsatz von Phosphorwaffen vor
Die ukrainischen Behörden werfen der russischen Armee vor, erneut Phosphorwaffen in der Ostukraine eingesetzt zu haben. In der Kleinstadt Marinka hätten die von russischen Soldaten eingesetzten Waffen "ein Dutzend Brände" verursacht, erklärt der Chef der Militärverwaltung der Region Donezk, Pawel Kyrylenko. Demnach wurden am Mittwoch auch die Orte Heorhijiwka, Nowokalinowo und Otscheretyne bombardiert. Angaben zur Art der dabei verwendeten Waffen machte er nicht. Zivile Opfer habe es durch die Angriffe nicht gegeben, allerdings seien mehrere Häuser beschädigt worden.
Britischer Spionagechef attestiert russischen Soldaten geringe Kampfmoral
Der Chef des britischen Geheim- und Sicherheitsdienstes Government Communications Headquarters (GCHQ), Jeremy Fleming, sagt, russische Soldaten hätten in der Ukraine Befehle verweigert, ihre eigene Ausrüstung sabotiert und versehentlich eines ihrer eigenen Flugzeuge abgeschossen. "Putin hat die Situation massiv falsch eingeschätzt", erklärt Fleming in einer Rede im australischen Canberra an der Australian National University. Es gebe Beweise dafür, dass die Moral der russischen Soldaten niedrig und ihre Ausrüstung schlecht sei, so Fleming.
Spionageverdacht: Slowakei weist russische Diplomaten aus
Die Slowakei weist 35 russische Diplomaten wegen Spionagevorwürfen aus. Ministerpräsident Eduard Heger rechtfertigt den rigorosen Schritt als notwendigen Selbstschutz der Slowakei: "Die 35 Diplomaten, die wir nun nach Hause schicken, waren angesichts unserer tatsächlichen bilateralen Beziehungen nicht nur überzählig, sondern stellten ein unerträglich großes Sicherheitsrisiko dar". Lokale Medien hatten die Zahl der russischen Diplomaten in Bratislava vor zwei Jahren noch auf 45 geschätzt. Es ist unklar, wie viele jetzt noch da sind.
Vorbereitungen für ein "Referendum" in Cherson?
Der ukrainische Generalstab meldete in der Nacht, Russland bereite in der eroberten Großstadt Cherson ein "Referendum" über die Errichtung einer moskaufreundlichen "Volksrepublik" vor. Damit versuche die einmarschierte Armee, die Gebiete im Süden der Ukraine mit "zivil-militärischen Verwaltungen" zu kontrollieren. Das Muster würde den mittlerweile von Russland als unabhängig anerkannten Separatistengebieten Donezk und Luhansk in der Ostukraine ähneln. Cherson hat knapp 300.000 Einwohner und hat eine wichtige Rolle beim Schutz der Hafenstadt Odessa im Südwesten des Landes.
Das wird heute wichtig
- Bei Putins Treffen mit Gazprom und der russischen Zentralbank soll es um konkrete Schritte zur Abrechnung der Gaslieferungen an den Westen gehen.
- Zudem wird Klarheit über eine mögliche Feuerpause für Mariupol erwartet.
- Selenskyj spricht zum australischen Parlament. Und Generalsekretär Jens Stoltenberg stellt den NATO-Jahresbericht vor.
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Quelle: ntv.de, tno/dpa/rts