Politik

Debatte im Bundestag geht weiter SPD und Grüne scheitern mit Last-Minute-Antrag

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Das Hin und Her rund um das Gesetz zur Begrenzung der Migration, das die Unionsfraktion in den Bundestag einbringt, setzt sich fort. Die FDP will zwischenzeitlich eine Überweisung in den zuständigen Ausschuss vorschlagen, entscheidet dann anders. SPD und Grüne starten den gleichen Versuch, scheitern jedoch.

Ein Vorschlag von SPD und Grünen, die Abstimmung über den umstrittenen Gesetzentwurf der Union zur Begrenzung der Migration doch noch zu verschieben, ist im Bundestag gescheitert. SPD, Grüne und Linke stimmten dafür, den Antrag in den Innenausschuss zurückzuschicken. Dagegen stimmten Union, FDP, AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Die amtierende Präsidentin Katrin Göring-Eckardt stellte fest, dass die Rücküberweisung damit abgelehnt worden sei. Zuvor hatte die FDP einen solchen Lösungsvorschlag gemacht, nach stundenlangen Gesprächen von Union, FDP, Grünen und SPD aber darauf verzichtet.

Im Streit um die Migrationspolitik und den richtigen Umgang mit der AfD sehen Grüne und SPD den Unionsfraktionsvorsitzenden Friedrich Merz auf einem Irrweg. Der hielt im Bundestag dagegen und sagte, seine Fraktion nehme "die Sorgen und Nöte der Menschen" nach mehreren Gewalttaten von Zuwanderungen ernst und wolle deshalb jetzt handeln.

Verfolgen Sie die Ereignisse in unserem Liveticker.

Merz sei nicht zu Beratungen auf Augenhöhe bereit gewesen, kritisierte der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Rolf Mützenich. "Immerzu wollen Sie mit dem Kopf durch die Wand", rief er dem Oppositionsführer im Bundestag zu.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, die Union habe angeboten, über ihren Gesetzentwurf zu beraten und diesen zu ergänzen. "Sie waren nicht bereit dazu", rief er in Richtung SPD und Grünen. Dobrindt hielt den Regierungsfraktionen vor, sie seien nicht bereit, die Migration oder den Familiennachzug zu begrenzen oder der Bundespolizei mehr Kompetenzen zu geben. Alle Themen habe man im Detail nachgefragt. Der CSU-Politiker hielt Mützenich vor, eine "spalterische Rede" gehalten zu haben, indem dieser Argumente durch Vorwürfe ersetzt habe. "Sie haben das Problemlösen durch Polarisieren ersetzt. Sie haben die Sicherheit durch Spaltung ersetzt."

Mützenich hielt Dobrindt und der Union im Gegenzug vor, sie hätten letztlich auf ihrem Gesetzentwurf bestanden. Den Spaltungsvorwurf Dobrindt konterte er mit den Worten: "Die Spaltung, die in dieses Parlament hereingetragen worden ist, das war der Mittwoch dieser Woche", als es die Union erstmals zugelassen habe, dass einer ihrer Anträge nur mit AfD-Stimmen eine Mehrheit bekommen habe.

Vor der Debatte über den Unionsentwurf für ein "Zustrombegrenzungsgesetz" war die Sitzung für mehrere Stunden unterbrochen worden, nachdem die FDP vorgeschlagen hatte, den Entwurf zurück in den Innenausschuss zu schicken. Als sich jedoch abzeichnete, dass eine inhaltliche Einigung über den Entwurf mit Grünen und SPD nicht zu erreichen sein würde, begann am frühen Nachmittag schließlich die Debatte über den Vorschlag.

Entwurf sieht weniger Familiennachzug zu Geflüchteten vor

Kern des Gesetzentwurfs der Unionsfraktion, zu dem die FDP, die AfD und das BSW Zustimmung signalisiert haben, ist die Aussetzung des Familiennachzugs zu Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus. Zu dieser Gruppe gehören in Deutschland viele Syrerinnen und Syrer. Außerdem sollen die Befugnisse der Bundespolizei erweitert werden. Sie soll künftig, wenn sie in ihrem Zuständigkeitsbereich - also etwa an Bahnhöfen - Ausreisepflichtige antrifft, selbst für eine Abschiebung sorgen können.

Die Union dringt in ihrem Entwurf überdies darauf, das Ziel einer "Begrenzung" des Zuzugs von Ausländern wieder ins Aufenthaltsgesetz aufzunehmen. Das hatte die inzwischen auf Rot-Grün reduzierte Ampel-Koalition gestrichen. Mützenich sagte nach Gesprächen mit Merz, der CDU-Chef wolle nur zu seinen Bedingungen verhandeln. "Das geht nicht in einer Demokratie."

FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte, er habe SPD und Grünen angeboten, dass die FDP einem rot-grünen Gesetzentwurf zur Migration zustimme, wenn diese im Gegenzug den Unions-Entwurf mittragen. Dieses Kompromissangebot sei aber abgelehnt worden. Dürr kündigte an, dass die FDP dem Unions-Gesetzentwurf zustimmen wolle.

Beide Parteien stünden nicht für eine neue Realitätspolitik in der Migration bereit, so Dürr. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich wies den Vorwurf zurück. Man sei zu Gesprächen und zu einer Rücküberweisung des Gesetzentwurfs in den Innenausschuss des Parlaments bereit gewesen, so wie die FDP es angeboten habe. Aber man sei nicht bereit für ein "Friss oder stirb"-Ansatz in den Gesprächen. Mützenich rief das Parlament auf, eine Verabschiedung des Gesetzes mit Hilfe der AfD zu verhindern.

"Der Sündenfall wird Sie für immer begleiten, aber das Tor zur Hölle können wir noch gemeinsam schließen. Sie müssen die Brandmauer wieder hochziehen", sagte Mützenich in der Debatte zu dem Gesetzentwurf.

Beratungen im Merz-Büro

Im Büro von Unionsfraktionschef Friedrich Merz hatte sich am Mittag eine Runde auf Spitzenebene getroffen - mit den Fraktionschefinnen der Grünen, Britta Haßelmann und Katharina Dröge, SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sowie FDP-Chef Christian Lindner. Dieser hatte zuvor erkennen lassen: "Wenn SPD und Grüne nur zurücküberweisen wollen, um den Antrag im Innenausschuss zu versenken, dann macht das keinen Sinn."

Vorab hatten FDP, AfD und das BSW Unterstützung für den Entwurf der Union signalisiert - offen war zunächst aber, wie viele Abgeordnete insbesondere bei FDP und Union tatsächlich mit Ja stimmen würden. Notwendig ist eine einfache Mehrheit.

Bereits am Mittwoch hatte die Union mit Hilfe der AfD einen Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik im Bundestag durchgesetzt. Der Antrag hatte allerdings nur Appellcharakter. Die Empörung über das Vorgehen ist seitdem groß. Zehntausende Menschen gingen deshalb allein am Donnerstag auf die Straße - unter anderem in Berlin, Freiburg, Hannover und München. Es gehe nun darum "die Schande von Mittwoch" zu korrigieren, sagte Außenministerin Annalena Baerbock.

Gesetz müsste in den Bundesrat

Dem Gesetzentwurf müsste auch der Bundesrat zustimmen. Da bislang keine Bemühungen zu erkennen sind, die Länderkammer um Fristverkürzung zu bitten, würde der Bundesrat erst im März - nach der für den 23. Februar geplanten Bundestagswahl - entscheiden. Ob es für das Vorhaben im Bundesrat eine Mehrheit geben wird, ist allerdings fraglich.

Sollte das Gesetz von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden, will die SPD möglicherweise vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Die von der Union angestrebten Verschärfungen der Migrationsregeln müssten in Teilen "absolut verfassungsrechtlich geprüft werden", sagte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch der Deutschen Presse-Agentur. "Insofern halten wir uns diesen Weg auf alle Fälle offen."

Quelle: ntv.de, als/dpa/DJ

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