Kanzler im Zeugenstand Scholz: Ausstieg aus Atomkraft war richtig
17.01.2025, 00:36 Uhr Artikel anhören
"Mein Ziel war, die Sicherheit der Energieversorgung unter allen Umständen zu gewährleisten", sagt Scholz im Untersuchungsausschuss.
(Foto: dpa)
Fast neun Stunden dauert die Anhörung von Wirtschaftsminister Habeck im Atom-Untersuchungsausschuss, am Abend widmen sich die Fragesteller dann dem letzten Zeugen: Kanzler Scholz. Der spricht gleich zu Beginn über sein Machtwort aus dem Jahr 2022.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat vor dem Atom-Untersuchungsausschuss des Bundestages seine Entscheidung vom Herbst 2022 für einen befristeten Weiterbetrieb der drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke begründet. Er habe damals von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht, nachdem Versuche zu einer Einigung in der Regierung gescheitert seien, sagte der Sozialdemokrat in der Anhörung am Abend. Grund seien divergierende Ansichten von Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen und Finanzminister Christian Lindner von der FDP gewesen.
"Es kommt nicht oft vor, dass ein Bundeskanzler seine Richtlinienkompetenz tatsächlich formell ausübt", sagte Scholz dazu. Er wies darauf hin, dass Habeck damals zunächst eine befristete Einsatzreserve für die drei AKW vorgeschlagen hatte. Er sei aber später, auch in Gesprächen mit den Betreibern, "zu der Ansicht gelangt, dass ein Streckbetrieb sinnvoller ist", also ein Weiterbetrieb der eigentlich zum Jahresende 2022 vorgesehenen AKW bis zum 15. April 2023.
Schnellstmögliche Unabhängigkeit von russischem Gas
"Deutschland hatte sich über viele Jahre in eine riskante einseitige Abhängigkeit von russischem Gas begeben", sagte Scholz zum Hintergrund der Versorgungskrise. Nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sei daher schnell klar gewesen, dass mit dieser Zeitenwende auch große Herausforderungen in Fragen der Energiesicherheit verbunden waren.
Die Bundesregierung habe daher "so rasch wie möglich die notwendigen Entscheidungen getroffen, um Deutschland von russischen Gaslieferungen unabhängig zu machen", sagte Scholz. Es habe in den Monaten danach hierzu etwa 15 interne Abstimmungsrunden von ihm mit Habeck und Lindner gegeben. Allerdings habe sich dann im Jahresverlauf die Lage auf dem Strommarkt zugespitzt, auch wegen "erheblicher Probleme französischer Atomkraftwerke".
Dies habe dann zur Notwendigkeit geführt, alle Mittel zu nutzen, um die Energieversorgung zu gewährleisten, auch die Atomkraft. Er verwies dabei auf die dazu von Habeck vorgenommene ergebnisoffene Prüfung. In der Befragung wies Scholz auch darauf hin, ihm sei damals deutlich geworden, dass eine Bestückung der AKW mit neuen Brennstäben, wie sie etwa aus der FDP gefordert wurde, "eine Entscheidung für einen längerfristigen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke" gewesen wäre. Dies habe er damals nicht befürwortet.
Habeck zweifelt an Erkenntnisabsichten
Zuvor war Habeck von den Ausschussmitgliedern neun Stunden lang befragt worden. Es sei dem Minister nicht gelungen darzulegen, dass sein Haus den Atomausstieg ergebnisoffen geprüft habe, sagte der FDP-Politiker Frank Schäffler. Ähnlich kritisch äußerte sich auch der CSU-Politiker Andreas Lenz. Er hielt auch nach der Befragung an dem Vorwurf der Union fest, dass es anstelle einer ergebnisoffenen Prüfung ein "großangelegtes Täuschungsmanöver" gegeben habe.
Der auf Antrag der Union im vergangenen Juli eingesetzte Ausschuss hat den Auftrag, sich ein Gesamtbild von den Entscheidungsprozessen in der Bundesregierung hinsichtlich der Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke zu verschaffen. Union und FDP werfen Habeck vor, seine Prüfung sei damals nicht unvoreingenommen und ergebnisoffen gewesen, sondern "ideologiegetrieben". Habeck weist das zurück.
Habeck warf dem Ausschuss wiederum vor, eine Agenda zu verfolgen und gar nicht in erster Linie an Erkenntnissen zu Entscheidungen interessiert zu sein. "Sollte der Ausschuss genutzt werden, um diese Pro-Atom-Debatte zu befeuern, wäre das meiner Meinung nach nicht sachgerecht", sagte Habeck im Anschluss an seine Befragung. Insgesamt habe er sich aber fair behandelt gefühlt.
Quelle: ntv.de, ino/AFP/dpa