Politik

"Orbán nicht der richtige Ratgeber" Treffen sich zwei Populisten

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(Foto: REUTERS)

Mit Ungarns Ministerpräsident Orbán und gegen die Kanzlerin: CSU-Chef Seehofer schmiedet in diesen Tagen bemerkenswerte Allianzen, die in der CDU gar nicht gut ankommen.

Horst Seehofer schaut zu Viktor Orbán, dem ungarischen Ministerpräsidenten hinüber. "Ich bin froh, dass er gekommen ist, in dieser aufgeregten Zeit, während der größten Herausforderung der deutschen Einheit", sagt er staatstragend. Es sei die gemeinsame Absicht, wieder Ordnung und System in das Ganze zu bringen. Orbán habe Unterstützung verdient, nicht Kritik, "vom Freistaat Bayern hat er diese Unterstützung", sagt Seehofer, der seinen Gast bei der CSU-Klausur im fränkischen Kloster Banz "lieber Viktor" nennt.

Orbán und Seehofer stehen in diesen Tagen eng zusammen. Sie rebellieren gegen die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel. Der CSU-Chef und der ungarische Rechtspopulist haben einen Pakt geschlossen. Mit verheerender Symbolik. Seehofer steht Orbán näher als der Kanzlerin, diesen Eindruck kann man zurzeit jedenfalls haben. Und: Er scheut sich nicht, die Politik der unionsgeführten Bundesregierung zu konterkarieren.

Wie unverhohlen Seehofer agiert, ließ sich in den vergangenen Wochen mehrfach besichtigen. Als die Kanzlerin Ende August die Grenze für Flüchtlinge öffnete und den Satz "Wir schaffen das" prägte, bescheinigte er ihr einen "Fehler, der uns noch lange beschäftigen wird". Merkel erwiderte zuletzt und vermutlich auch in Richtung Seehofer: "Wenn wir jetzt anfangen müssen, uns zu entschuldigen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land."

"Orbán ist ein schwieriger Zeitgenosse"

Seehofer beeindruckt das nicht. Am Dienstag, einen Tag vor seinem Zusammentreffen mit Orbán, legte er nach. Seehofer verlangte, die Kanzlerin solle sich zu Recht und Ordnung in der Asylpolitik bekennen. Es könne nicht sein, dass die einen für "Moral und Menschlichkeit" zuständig seien und die anderen für "Arbeit und Ressourcen". Am Tag darauf präsentierte sich Seehofer dann gut gelaunt gemeinsam mit Orbán. Er lobt dabei die "vollständige Übereinstimmung" mit dem Mann, den die Bundesregierung zurzeit eher kritisch beurteilt.

Neu ist das enge Verhältnis zwischen der CSU und Orbán nicht. Dessen Partei Fidesz gehört wie CDU und CSU zur europäischen Parteifamilie EVP. Im vergangenen Jahr gratulierte Unionsfraktionsvize Hans-Peter Friedrich von der CSU dem Ungarn fast überschwänglich zu seiner Wiederwahl. In beeindruckender Weise habe dieser das Vertrauen der ungarischen Wähler gewinnen können. Forderungen von SPD oder Grünen, die rechtskonservative Partei aus Ungarn aus der EVP auszuschließen, weisen Unionspolitiker beharrlich zurück. Wenn schon nicht mit Orbán, so habe man zumindest mit seiner Partei "immer gute Erfahrungen" gemacht, heißt es.

In der CDU wächst jedoch der Ärger über Seehofers Bündnis mit dem Ungarn, der in der Flüchtlingskrise für Stacheldraht verstärkte Grenzzäune und Abschottung steht. Der CDU-Abgeordnete Karl-Georg Wellmann sagt: "Orbán ist ein schwieriger Zeitgenosse. Er ist zurzeit nicht der Richtige, um ihn als Ratgeber in eine Klausurtagung zu holen. Wir brauchen jetzt ein positives Narrativ der Flüchtlingswelle und kein negatives", sagt Wellmann n-tv.de. Auch sein Fraktionskollege Roderich Kiesewetter ist skeptisch. "Ich wünschte, die CSU würde etwas differenzierter vorgehen. Man muss aufpassen, dass solche Aktionen nicht populistisch wirken."

"Jetzt CSU liken!"

Eins ist nicht zu übersehen: Die Flüchtlingskrise spaltet die Schwesterparteien CDU und CSU. Es gibt drei Lager. Da sind die Abgeordneten, die den liberalen Ansatz der Bundeskanzlerin unterstützen. Eine zweite Gruppe erzkonservativer Politiker lehnt dies vehement ab und hält Orbáns umstrittenen Grenzzaun für richtig. Dazwischen steht eine Gruppe von Abgeordneten, die wohl in der Mehrheit ist und Verständnis für Merkels Politik hat, aber gleichzeitig etwas mehr klare Kante gegen Flüchtlinge zeigen will und deshalb dankbar ist, dass es die CSU gibt. Seehofer betreibe zurzeit mal wieder Inszenierung und PR, sagt eine CDU-Abgeordnete, räumt aber ein: "Andere Bundesländer hätten den Flüchtlingsansturm nicht so gut bewältigt wie Bayern." Man brauche Obergrenzen.

Spielen Merkel und Seehofer etwa "good cop, bad cop"? Vielleicht ist es nur die klassische Rollenverteilung der Schwesternparteien. In der Einwanderungspolitik suchte die CSU schon immer deutlichere Worte. Dazu gehörte es auch, Druck auf die SPD- und notfalls auch CDU-geführten Bundesregierungen auszuüben. Nicht erst seit dem Erfolg der AfD weiß Seehofer um das rechtskonservative Stimmpotenzial. Seit ein paar Tagen schaltet die CSU Werbung bei Facebook. "Wir helfen, aber wir brauchen auch Gerechtigkeit", lautet ein Slogan unter dem Foto Seehofers. Dazu heißt es: "Wir sprechen Klartext in der Asyldebatte! Jetzt CSU liken!"

Die CSU fordert in diesen Tagen unter anderem Rückführungszentren für Asylbewerber vom Balkan. Thomas Kreuzer, Fraktionschef im bayerischen Landtag, sagt: Es sei wie so oft bei der CSU. "Am Anfang gibt es furchtbare Kritik und Dresche, und zwei Monate später ist es so, dass alle diese Maßnahmen für richtig halten." Die CDU könne der CSU "dankbar sein", dass sie dafür gesorgt habe, dass wieder Grenzkontrollen eingeführt wurden. "Hätten wir nichts gesagt, wäre nichts passiert."

Der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter hält Seehofers Pakt mit Orbán für grenzwertig, aber nicht für ein Tabu. Die Union sei eine große Volkspartei mit vielen Strömungen und habe immer versucht, das Entstehen einer Partei rechts der Union zu verhindern. Dagegen sei eigentlich nichts einzuwenden. Kiesewetter warnt aber: "Dabei muss die CSU jedoch aufpassen, dass sie nicht zur Partei der einfachen Lösungen wird."

Quelle: ntv.de

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