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Sanktionen gegen Moskaus Partner "Trump hat Angst vor Chinas massiver Vergeltung"

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Trump träume von einem "umgekehrten Kissinger" und wolle Russland aus seiner Bindung zu China herauslösen, sagt Rizzi.

Trump träume von einem "umgekehrten Kissinger" und wolle Russland aus seiner Bindung zu China herauslösen, sagt Rizzi.

(Foto: picture alliance / Photoshot)

Die EU schnürt ihr 19. Sanktionspaket - und wird von Donald Trump unter Druck gesetzt. Der US-Präsident fordert von Brüssel, härter gegen Russlands wichtigsten Verbündeten Peking vorzugehen. Trump selbst scheue aber bislang aus guten Gründen die Konfrontation mit China, sagt Wirtschafts-Experte Alberto Rizzi vom European Council on Foreign Relations (ECFR).

ntv.de: Die EU hat bereits 18 Sanktionspakete verabschiedet. Mit dem neuen Paket will sie russische Banken, Energieunternehmen, Krypto-Börsen und Schiffe der Schattenflotte ins Visier nehmen. Welche Maßnahme wird Moskaus Wirtschaft am härtesten treffen?

Alberto Rizzi: Um fair zu sein: Die EU hat bereits alle Sanktionen eingeführt, die Russland erheblichen wirtschaftlichen Schaden zufügen. Jede neue Maßnahme würde nur kleinere zusätzliche Auswirkungen auf Moskaus Fähigkeit haben, den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu finanzieren. Betroffene Banken und Firmen würden einfach schließen und unter einem neuen Namen wieder eröffnen, und die Welt der Kryptowährungen ist ebenfalls extrem volatil.

Also gibt es kaum noch Spielraum für effektive Sanktionen?

Sanktionen gegen die Schattenflotte werden dort treffen, wo es wehtut, da diese Geisterschiffe inzwischen fast die Hälfte der russischen Rohölexporte zur See ausmachen. Die vollständige Angleichung der Listen sanktionierter Schiffe und Unternehmen zwischen der EU, den USA und dem Vereinigten Königreich wird Moskaus Fähigkeit, sein Öl über der G7-Preisobergrenze zu verkaufen, einen wichtigen Schlag versetzen. Schließlich würde - mehr noch als die Sanktionen - die Suche nach wirksamen Wegen, zumindest die Erträge immobilisierter russischer Vermögenswerte umfassender als bislang an die Ukraine zu übertragen, Moskau einen Schlag versetzen und gleichzeitig die Ukraine wirtschaftlich stärken.

Alberto Rizzi forscht beim European Council on Foreign Relations (ECFR) als Policy Fellow zu den Bereichen europäische Wirtschaftspolitik, internationaler Handel und Geopolitik. Zuvor arbeitete er in dem Italienischen Institut für Internationale Politische Studien, dem European Army Interoperability Centre, der Italy-China Foundation und der italienischen Botschaft in Tallinn.

Alberto Rizzi forscht beim European Council on Foreign Relations (ECFR) als Policy Fellow zu den Bereichen europäische Wirtschaftspolitik, internationaler Handel und Geopolitik. Zuvor arbeitete er in dem Italienischen Institut für Internationale Politische Studien, dem European Army Interoperability Centre, der Italy-China Foundation und der italienischen Botschaft in Tallinn.

(Foto: Alberto Rizzi/ECFR)

Präsident Donald Trump stellt Bedingungen an europäische Nato-Partner, bevor die USA selbst hohe Strafzölle gegen Russlands Handelspartner verhängen. Trump fordert, dass die Nato Öllieferungen aus Russland komplett stoppen und Zölle von 50 bis 100 Prozent gegen China verhängen soll. Was steckt hinter diesen Forderungen?

Es mag leicht sein, diese Forderungen von Trump einfach als einen Weg abzutun, Sanktionen gegen Russland zu vermeiden, weil er weiß, dass die Europäer niemals einem Zollsatz von 50 bis 100 Prozent auf China zustimmen würden. Doch hier stehenzubleiben, käme Gleichgültigkeit gleich. Selbst wenn es nur aus dem Wunsch heraus geschieht, mehr LNG nach Europa zu verkaufen, ist das Weiße Haus besorgt über die anhaltende europäische Abhängigkeit von russischer Energie - und viele in Europa sind es ebenfalls. Was auf den ersten Blick wie eine absurde Forderung aussieht, könnte ein Versuch sein, einen Dialog zu beginnen, bei dem die USA den Druck auf Russland erhöhen im Austausch dafür, dass Europa gegenüber China härter vorgeht. Doch mit einer so launischen US-Regierung wie der aktuellen weiß niemand wirklich, wo das Missgeschick endet und die Strategie beginnt.

Ungarn und die Slowakei haben sich eine Ausnahme vom EU-Embargo für russisches Öl ausgehandelt. Können die prorussischen Regierungen beider Länder überhaupt davon überzeugt werden, sich von Moskaus Öl zu verabschieden?

Die ungarischen und slowakischen Ausnahmen sind für andere europäische Länder zunehmend schwer zu ertragen, umso mehr, da beide reichlich Zeit und Möglichkeiten hatten, sich alternative Energiequellen zu sichern. Stattdessen verlässt sich Budapest heute noch stärker auf Russlands Öl als vor der Invasion der Ukraine. Das Problem ist in erster Linie mit Ideologie und dem Wunsch der Länder verbunden, einen offenen Kanal nach Moskau aufrechtzuerhalten und Brüssels Vorgaben zu trotzen - für innenpolitische Vorteile. Da ihre Unterstützung notwendig wäre, um einen Konsens über ein neues Sanktionspaket zu erreichen sowie bestehende zu verlängern, gibt es wenig Spielraum, sie zu überzeugen, ihre russischen Energieimporte zeitnah einzudämmen. Im Falle Ungarns setzt Europa insbesondere Hoffnungen auf die Wahlen im nächsten Jahr.

Bislang hat Trump trotz seiner Drohungen davon abgesehen, hohe Zölle gegen China zu verhängen. Hält er sich zurück, weil die USA - wie die EU - vom Import seltener Erden aus China abhängig sind?

Kontrollen von Exporten seltener Erden sind nur eine der vielen Möglichkeiten, wie China gegen US-Zölle Vergeltung üben kann. Peking hat andere Optionen, um den USA zu schaden, während das Land selbst einen wirtschaftlichen Schaden erleiden würde, den die Kommunistische Partei Chinas für erträglich hält. Angst vor massiven Vergeltungsmaßnahmen und den verheerenden Folgen eines ausgewachsenen Handelskrieges zwischen den USA und China für Wachstum, Arbeitsplätze und Inflation sind wahrscheinlich das, was Trump von seinen ursprünglichen Zollplänen gegen China abhält.

Die EU hat bisher nur zögerlich einige wenige chinesische Unternehmen sanktioniert, die Russland bei seiner Invasion in die Ukraine unterstützen. Reichen diese vereinzelten Sanktionen aus, um Chinas Unterstützung für Russlands Angriffskrieg einzudämmen?

Isolierte und begrenzte Sanktionen reichen eindeutig nicht aus, um die chinesische Unterstützung für Russlands Krieg gegen die Ukraine einzudämmen, die in den dreieinhalb Jahren nach der Invasion im Februar 2022 immer weiter hochgefahren wird. Theoretisch könnten gezielte Sanktionen, falls sie mit einer glaubwürdigen Drohung und umfassenderen Maßnahmen einhergehen, ausreichen, um die chinesische Unterstützung für Moskau unter einem bestimmten Schwellenwert zu halten. Aber die massive wirtschaftliche Abhängigkeit der EU von China macht diese Drohungen momentan kaum glaubwürdig.

Gibt es einen Weg für die EU und die USA, gemeinsam gegen China vorzugehen - durch Sanktionen oder andere Maßnahmen?

Es gibt tatsächlich Spielraum für ein gemeinsames Vorgehen der EU und der USA gegen China. Dabei geht es etwa in der industriellen Zusammenarbeit um die Eindämmung von Chinas Dominanz in den Lieferketten für grüne Energie und um Handelsbeschränkungen, die Peking schaden können, ohne die noch bestehenden Wirtschaftsbeziehungen zu opfern. Die Herausforderung besteht darin, dass ein solcher Kurs eine Angleichung der Ziele zwischen Washington und Brüssel erfordert sowie ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen - beides fehlt derzeit.

Bislang hat Trump keine Absicht gezeigt, den Druck auf seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin zu erhöhen. Warum?

Das ist die Eine-Millionen-Dollar-Frage, da niemand Trumps Gedanken lesen kann. Eine glaubwürdige Theorie ist jedoch, dass Trump die Strategie seines Vorgängers Joe Biden, dem es um einen Wettbewerb der Großmächte ging, aufgegeben hat - zugunsten einer Aufteilung der Welt in Einflusszonen mit China und Russland. In einer solchen verzerrten Sichtweise machen Sanktionen es schwieriger, eine Einigung über die Grenzen der jeweiligen Einflusszonen zu erzielen.

Trumps Regierung versucht, Russland aus seiner engen Bindung mit China herauszulösen. Bisher ist dieser Versuch gescheitert - auch weil die Regime beider Länder sich politisch nahestehen. Was genau hofft Trump mit dieser Strategie zu erreichen?

Ob es nun die Hoffnung auf einen Friedensnobelpreis ist oder der Glaube, Einflusszonen über Regionen hinweg aufzuteilen, der Trump von einem "umgekehrten Kissinger"* träumen lässt - er sollte jede Illusion aufgeben: Es gibt absolut nichts, was die USA Russland anbieten könnten, das Moskau dazu bringen würde, seine Beziehung zu Peking zu überdenken. Das Maß an langfristiger strategischer Abhängigkeit Russlands von China macht es für Putin unmöglich, sich von Xi Jinping zu distanzieren.

*Der frühere US-Außenminister Henry Kissinger stand in 1970er Jahren für die Idee, die USA könnten ihre Position gegenüber der Sowjetunion stärken, indem sie sich Peking annähern.

Mit Alberto Rizzi sprach Lea Verstl

Quelle: ntv.de

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