Politik

Ukraine im Krieg, China im Blick US-Kongress versetzt Pentagon in Waffenrausch

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Die USA wollen 700 neue HIMARS-Raketenwerfer bestellen, ein Vielfaches der an die Ukraine gelieferten Systeme.

(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)

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Die Vereinigten Staaten haben ihr Militärbudget erhöht. Die geplanten Waffenbestellungen des Pentagon zeigen, dass es um mehr als nur den Krieg in der Ukraine geht.

Nein, er soll nicht begeistert gewesen sein von der Idee, den Kampfpanzer M1 Abrams an die Ukraine zu liefern. Aber US-Präsident Joe Biden konnte sich nicht sperren gegen die ständigen Bitten aus Kiew, sogar vor dem eigenen Kongress. Dort bat Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj persönlich um mehr Feuerkraft auf den Schlachtfeldern seiner Heimat. Dazu kam mutmaßlich die Bitte aus Berlin, die Leopard-2-Panzer aus Deutschland und anderen NATO-Verbündeten nicht alleine loszulassen.

Bei dem vergangenen Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe im rheinland-pfälzischen Ramstein hatte US-Armeechef Mark Milley erklärt, es gebe zwei militärische Ziele. Erstens die erwartete Offensive der russischen Invasionstruppen zu unterbinden. Und zweitens, dies bestenfalls mit einem eigenen Angriff ab Frühjahr zu koppeln. Einem Angriff, den die USA mit den ukrainischen Streitkräften koordinieren wollen. Doch die Zeit ist knapp. Ukrainische Soldaten müssen an den Panzern ausgebildet werden und rechtzeitig einsatzbereit sein.

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US-Präsident Joe Biden

(Foto: AP)

Die USA unterstützen die Ukraine schon seit 2014. Sie sind federführend bei den Hilfestellungen der Verbündeten und versichern immer wieder, ohne Wenn und Aber an der Seite der Ukraine zu stehen. Biden sieht den Krieg als systempolitischen Schlüsselkonflikt zwischen Demokratien und Autokratien. Dieses globale Ringen für sich zu entscheiden, hat er zur wichtigsten außenpolitischen Aufgabe seiner Präsidentschaft gemacht. Das schlägt sich in Zahlen nieder - vor allem militärisch.

Der Kongress unterstützt ihn in seinem Vorhaben und verabschiedete im vergangenen Monat einen Verteidigungsetat von 858 Milliarden Dollar für dieses Jahr. Das sind fast 70 Milliarden Dollar mehr als 2022. Dazu kommen weitere Hilfen für die Ukraine, die der Kongress zusätzlich freigab. Der akute Grund ist der Krieg in der Ukraine. Der perspektivische die Konkurrenz mit China. Zur Einordnung: Der gesamte Jahreshaushalt Deutschlands ist für 2023 auf 476 Milliarden Euro angesetzt.

Militär soll aufrüsten

Die Parlamentarier statteten das US-Verteidigungsministerium zusätzlich mit einer Notfallkompetenz aus: Wegen des Krieges in der Ukraine darf das Pentagon in den kommenden zwei Jahren auch kurzfristig nach Bedarf seine Munition und Kriegsgerät bestellen. Bestände bestehender Waffensysteme und Munition, die an die Ukraine geliefert worden sind, sollen durch die Regelung wieder aufgefüllt werden. Aber dabei soll es nicht bleiben.

Die bewilligten Bestellungen übertreffen die bisher Kiew überlassenen Waffen um ein Vielfaches. Sie sind Rüstung für die Zukunft. Das meiste, was der Kongress will, kann erst in vielen Jahren geliefert werden, schreibt die "Washington Post". Demnach sollen 700 Raketenwerfersysteme vom Typ HIMARS gekauft werden. An die Ukraine gingen bislang 20. Als Munition dafür sollen 106.000 Raketen bestellt werden, Kiew überlassen worden sind 5000. Und 28.300 neuen Panzerfäusten vom Typ Javelin stehen 8500 gegenüber, die in die Ukraine gebracht wurden. Wegen des dortigen Kriegsverlaufs ist der Verbrauch von Artilleriemunition höher als erwartet, schreibt die "Washington Post".

"Stabile Frontlinien, immer effektivere Angriffsketten und geringere Bedeutung von Lufthoheit: Der Krieg in der Ukraine ist ein Artilleriekrieg geworden", schreibt das Center for Strategic and International Studies (CSIS) in einer aktuellen Analyse. Demnach hat kein anderes Land den ukrainischen Streitkräften mehr Artillerie geliefert als die USA.

Aber die Ukraine bräuchte noch mehr, da sie nach und nach die eigenen Geschütze aus Sowjetzeiten ersetzen muss - dafür gibt es kaum noch Munition, da Russland und China als Produzenten wegfallen. Der Munitionsvorrat für die US-Artillerie schrumpft ebenfalls. Die Ukraine verfeuert laut CSIS pro Tag mehr, als die USA in einem Monat produzieren. US-Armeechef Milley hält es jedoch für unwahrscheinlich, dass in diesem Jahr eine Seite als Sieger aus dem Krieg hervorgeht. Trotz der beabsichtigten Frühjahrsoffensive der Ukraine. Trotz der ausgeweiteten Unterstützung der Verbündeten und trotz der Lieferung schwerer Kampfpanzer.

Historisch gesehen noch Luft nach oben

In der Erläuterung des US-Militäretats ist neben der Ukraine vor allem China ein Thema. Auch dessen Aufrüstung zur regionalen Militärmacht und Pekings Drohungen in Richtung des verbündeten Taiwan haben den Kongress dazu veranlasst, die Ausgaben hochzufahren - auf mehr, als das Pentagon als Bedarf angemeldet hatte. Sie machen nun 3,74 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus.

Historisch gesehen ist das wenig. Im Vietnamkrieg flossen zeitweise über 9 Prozent ans Militär, im Kalten Krieg der 1980er Jahre meist mehr als 6 Prozent und noch 2010 fast 5 Prozent. Das heißt auch: Sollte sich die geopolitische Lage weiter verschärfen, haben die USA noch viel finanzielle Luft nach oben.

Abseits Europas haben die Vereinigten Staaten auch ein stetes Auge auf die militärischen Aktivitäten der Chinesen, da sie sich schützend vor Taiwan stellen. Der Etat für 2023 sieht die Bestellung von 2600 Anti-Schiff-Raketen vom Typ Harpoon vor - bislang gingen 2 an die Ukraine -, sowie 1000 Langstreckenraketen, die gegen Marine eingesetzt werden. Die sind offenbar fürs Südchinesische Meer gedacht.

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Zwar hat das US-Militär derzeit in keinem Krieg offiziell "boots on the ground", also kämpfende Truppen vor Ort, aber die Rüstungsinvestitionen könnten noch weiter steigen. Rüstungsverträge laufen in Friedenszeiten über viele Jahre bis Jahrzehnte, sie beinhalten den Entwurf, die Entwicklung und erst zuletzt die Produktion des Waffensystems. Doch der russische Angriffskrieg hat das Blatt gewendet. Es geht nun auch um Material und Menge.

Washington will offenbar nicht den Fehler machen, von Peking oder Moskau als schwächelnd eingeschätzt zu werden. "Herstellung ist Abschreckung", sagte William LaPlante, verantwortlich für die Anschaffungen des Pentagon, im Oktober. Und soll Autokraten davon abbringen, bewaffnete Konflikte gegen Verbündete zu beginnen.

Quelle: ntv.de

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