US-Wahl 2024

Wahllügen und Drohgebärden Rechte US-Milizen rasseln mit den Säbeln

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Die Proud Boys waren auch am Kapitol-Sturm vor vier Jahren beteiligt.

Die Proud Boys waren auch am Kapitol-Sturm vor vier Jahren beteiligt.

(Foto: picture alliance / NurPhoto)

Wie vor vier Jahren sät Donald Trump erneut Zweifel am US-Wahlsystem. Auf Telegram rufen seine Anhänger zu Einschüchterungs-Aktionen auf. Bewaffnete Milizen wie die Proud Boys äußern offen Gewaltphantasien - sogar, wenn Trump gewinnt.

Washington D. C. rüstet sich. Am Tag der US-Präsidentschaftswahl haben Geschäfte ihre Schaufenster aus Angst vor Plünderungen mit Spanplatten verrammelt. Metallzäune umgeben wichtige Regierungsgebäude wie das Kapitol oder das Weiße Haus, Büros der Gegend haben private Sicherheitsleute engagiert. Die örtliche Polizei versichert derweil, dass keine akute Gefahr besteht.

"Wir werden die Zerstörung von Eigentum nicht dulden und wir werden keine Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit oder dieses Wahlprozesses dulden", zitiert die "Washington Post" Polizeichefin Pamela A. Smith. Man sei "auf viele verschiedene Szenarien vorbereitet". Schon vor Tagen hatte der US-Bundesstaat Washington die Nationalgarde in Bereitschaft versetzt - als reine Vorsichtsmaßnahme, wie Gouverneur Jay Inslee mitteilte.

In den USA ist vielerorts die Sorge groß, dass auf die Wahl erneut Gewalt folgt. Der Schock des Kapitol-Sturms von vor vier Jahren sitzt noch immer tief, als Donald Trump mit haltlosen Betrugsvorwürfen seine Anhänger aufgestachelt hat. Auch diesmal sät der republikanische Kandidat Zweifel am Wahlsystem und bastelt an einer Neuauflage der Lüge: "Das Einzige, was uns stoppen kann, ist Betrug", so Trump - dabei steht es in Umfragen nahezu unentschieden. Bei vielen Trump-Anhängern verfängt die Rhetorik jedoch, und die radikalsten unter ihnen schrecken womöglich auch vor Gewalt nicht zurück.

Bewegung von Wahlleugnern

Aus einer Analyse der "New York Times" von knapp 50 Telegram-Kanälen mit einer halben Million Mitgliedern geht hervor, dass Trump-Unterstützer planen, auf den Wahlvorgang Einfluss zu nehmen. Die Zeitung spricht von einer "Wahlleugnungsbewegung", die sich in Dutzenden US-Bundesstaaten organisiert. Die Telegram-Gruppen sind nicht nur voll von Verschwörungsmythen und Desinformation, sondern die Mitglieder werden auch zu konkreten Aktionen aufgerufen.

Ein Kanal für den Bundesstaat New Mexico fordert Menschen demnach auf, Wahllokale mit Kameras zu überwachen und bereit zu sein, "mit aller Macht zu kämpfen". In New Hampshire sollen lokale Amtsträger persönlich zur Briefwahl "befragt" werden. In einem Channel für Georgia werden Trump-Anhänger laut dem Bericht aufgefordert, an Sitzungen des Wahlausschusses teilzunehmen und sich für eine Einschränkung der Briefwahl starkzumachen. Die Briefwahl ist bei den Republikanern verhasst, weil sie angeblich zur Manipulation einlädt. Beweise dafür gibt es nicht.

Zudem wird laut "New York Times" versucht, Wahlbeobachter zu bestechen. Eine Gruppe für Pennsylvania bietet Beobachtern, die in einer Demokraten-Hochburg arbeiten, Gelder an. "Gib deine Daten ein und wir werden uns mit dir in Verbindung setzen, um dich für den Wahltag zu schulen und vorzubereiten", heißt es darin.

Proud Boys sind gut vernetzt

Eine Gefahr geht insbesondere von rechtsextremen Milizen aus. Die US-Verfassung erlaubt die Bildung solcher bewaffneten, nicht staatlichen Organisationen. Zu den größten zählen die Oath Keepers, die Proud Boys und die Three Percenters. Allen ist eine staatsfeindliche Ideologie und die Bereitschaft gemein, mit Waffengewalt politische Ziele zu verfolgen. Und sie alle waren 2021 an der Erstürmung des Kapitols beteiligt.

Ein Bericht des "Wall Street Journal" bescheinigt den Proud Boys einen hohen Organisationsgrad. Zwar sei nicht klar, was die Gruppe konkret plant, sie verfüge aber über ein Netzwerk zahlreicher Ortsgruppen. In Arizona haben Anhänger dem Bericht zufolge das Bild eines Waffenarsenals verbreitet, mit dem Verweis, man sei "auf den November vorbereitet". In North Carolina kündigten die Rechtsextremen demnach an, sich in der Nähe von Wahllokalen aufzustellen.

Die Denkfabrik Global Project Against Hate and Extremism verzeichnet im Oktober einen Anstieg "gewalttätiger Rhetorik im Zusammenhang mit Wahlleugnung" durch verschiedene Gruppen auf Telegram um 317 Prozent. In von der Organisation zitierten Beiträgen wird für den Fall eines angeblichen Wahlbetrugs ein "unvermeidlicher Bürgerkrieg" heraufbeschworen sowie dazu aufgerufen, "alle illegalen Wähler zu erschießen". Gruppen wie die Proud Boys planten, die Wahlen zu beobachten und hätten Gewaltbereitschaft signalisiert, sagte die Mitbegründerin des Projekts, Heidi Beirich, dem "Wall Street Journal".

Milizen schwächer als vor vier Jahren

Die auf die Erforschung politischer Gewalt spezialisierte Nichtregierungsorganisation ACLED verzeichnet allerdings eine abnehmende Mobilisierung der rechtsextremistischen Gruppen und für das Jahr 2024 die niedrigste seit 2020. Die Experten führen dies auf die Inhaftierung und Verurteilung zahlreicher Mitglieder zurück. So hätten die Oath Keepers und die Three Percenters "den Großteil ihrer Fähigkeit verloren, Mitglieder auf der Straße zu mobilisieren". Auch die Proud Boys seien weniger aktiv als 2020. Ihr Anführer wurde wegen der Kapitolerstürmung zu 22 Jahren Gefängnis verurteilt.

Dies bedeute aber nicht, "dass das Risiko politischer Gewalt im Jahr 2024 gering ist". Die Experten halten ein Szenario für naheliegend, bei dem nach einem sehr knappen und umstrittenen Wahlausgang wütende Trump-Anhänger auf die Straße gehen - und sich dann Milizionäre spontan anschließen.

Bei einer Wahlniederlage Trumps hält auch der Gewaltforscher und Mediziner Garen Wintemute vom Universitätsklinikum in Sacramento einen Gewaltausbruch wie 2021 nicht für ausgeschlossen. "Sollte Trump die Wahl verlieren, könnten rechtsgerichtete Organisationen mit Gewalt versuchen, ihn dennoch ins Weiße Haus zu bringen", sagt Wintemute. Allerdings seien die Sicherheitsbehörden dieses Mal besser auf ein solches Szenario vorbereitet. Auch wird darauf verwiesen, dass Trump anders als bei seiner Abwahl vor vier Jahren dieses Mal nicht als amtierender Präsident auftritt.

Auch bei Trump-Sieg Gewalt möglich

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Trump bezeichnet die Straftäter vom 6. Januar 2021 als zu Unrecht inhaftierte "Geiseln" und hat angekündigt, sie an "Tag eins" im Amt zu begnadigen. Als US-Präsident könnte er auch den Insurrection Act (Aufstandsgesetz) von 1807 heranziehen, der ihm erlaubt, zur Bekämpfung von Aufständen im Inneren Milizen, die Nationalgarde oder auch das Militär einzusetzen. Auf diese Möglichkeit zielte Trump ab, als er kürzlich davon sprach, der Staat müsse mit "radikalen linken Irren" fertig werden, "wenn nötig durch die Nationalgarde oder, falls wirklich nötig, durch das Militär".

Gewaltforscher Wintemute schließt nicht aus, dass dann "die Proud Boys und andere Rechtsextremisten Teil dieser Kapazitäten zur Strafverfolgung werden" - etwa, indem von Trump begnadigte Milizionäre zu Marshalls gemacht werden, deren Aufgabe die Festnahme von Verdächtigen ist. Das "Wall Street Journal" zitiert Mitglieder der Proud Boys, die sogar eigenhändig mit der "Deportation" von Migranten beginnen wollen, sollte Trump die Wahl gewinnen.

Quelle: ntv.de, mit AFP

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