200.000 Flüchtlinge pro Jahr Union einigt sich im Obergrenzen-Streit
09.10.2017, 07:40 Uhr
Die Unionsparteien einigen sich auf einen Grenzwert von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr.
(Foto: dpa)
Die Spitzen von CDU und CSU einigen sich bei ihrem Streitthema Flüchtlings-Obergrenze auf die Aufnahme von maximal 200.000 Flüchtlingen pro Jahr. Ein eigenes Thema ist die Zuwanderung von Arbeitskräften.
CDU und CSU haben den Streit um eine Obergrenze für Flüchtlinge beigelegt und sich auf ein Paket zur Migrations-, Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik geeinigt. Die Spitzen beider Parteien verständigten sich auf eine Formulierung, nach der die Netto-Zuwanderung aus humanitären Gründen pro Jahr nicht mehr als 200.000 Menschen betragen soll. Die Gesamtsumme solle aus ankommenden und ausreisenden Personen berechnet werden, heißt es in dem am Abend verabschiedeten Text. Das Wort Obergrenze taucht nicht auf. Zudem vereinbarten die Spitzen von CDU und CSU, dass es ein Zuwanderungsgesetz für Fachkräfte geben soll.
"Sie sehen mich zufrieden, weil wir einen großen Schritt weitergekommen sind, sagte Kanzleramtsminister Peter Altmaier. "Guter Tag für die Union und guter Tag für Deutschland", sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer nach Abschluss der Beratungen. Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt äußerte sich "sehr zufrieden".
Der Kompromiss beinhaltet aber eine Ausnahme für Sondersituationen. Sollte die Begrenzung durch internationale oder nationale Entwicklungen nicht eingehalten werden, sollen Regierung und Bundestag "Anpassungen nach oben oder unten" beschließen. Eine Situation wie 2015 mit der Aufnahme einer sehr hohen Zahl an Flüchtlingen und Migranten soll sich nicht wiederholen. Die Zuwanderung von Arbeitskräften oder EU-Ausländern ist von der Grenze nicht betroffen.
CDU und CSU einigten sich zudem auf konkrete Maßnahmen, um diese Grenze zu sichern. Genannt werden die Themen Fluchtursachenbekämpfung, Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern nach dem Vorbild des EU-Türkei-Abkommens, der Schutz der EU-Außengrenzen, die EU-weite gemeinsame Durchführung von Asylverfahren an den Außengrenzen sowie gemeinsame Rückführungen von dort sowie die Reform des Gemeinsamen europäischen Asylsystems (GEAS) und des Dublin-Systems.
Konkret einigte sich die Union auf folgende Maßnahmen:
Flüchtlingszentren:
Neu ankommende Asylbewerber sollen in sogenannten Entscheidungs- und Rückführungszentren bleiben, bis über ihre Verfahren entschieden ist. Vorbild seien entsprechende Einrichtungen in den bayerischen Städten Manching und Bamberg sowie im baden-württembergischen Heidelberg. Falls Anträge abgelehnt werden, sollten die Betroffenen von dort aus zurückgeführt werden.
Herkunftsländer:
Die Liste der sicheren Herkunftsländer soll erweitert werden - mindestens um Marokko, Algerien und Tunesien.
Grenzkontrollen:
Sie sollen so lange aufrecht erhalten werden, bis der Schutz der Außengrenzen der EU gewährleistet ist.
Familiennachzug:
Der Familiennachzug von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutz soll ausgesetzt bleiben.
Abschiebungen:
Die Union will Anstrengungen verstärken, Ausreisepflichtige abzuschieben.
Einwanderung in den Arbeitsmarkt:
Sie müsse sich am Bedarf der Volkswirtschaft orientieren. "Kein Arbeitsplatz soll unbesetzt bleiben, weil es an Fachkräften fehlt." Deshalb soll ein "Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz" erarbeitet werden. Die Unionsspitzen hatten weitere Beratungen über eine gemeinsame Linie für die Jamaika-Verhandlungen vertagt. Mit der Zahl 200.000 hat Seehofer zumindest einen gesichtswahrenden Kompromiss erreicht. Er hatte in den vergangenen Jahren gegen Merkels strikten Widerstand auf einer Flüchtlings-Obergrenze in dieser Größenordnung bestanden.
Auf CDU-Seite verhandelten Parteichefin Merkel, Kanzleramtschef Peter Altmaier, Finanzminister Wolfgang Schäuble, Generalsekretär Peter Tauber und Fraktionschef Volker Kauder. Für die CSU sind Parteichef Horst Seehofer, Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, Generalsekretär Andreas Scheuer, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und der Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion in München, Thomas Kreutzer, dabei. Nachdem sich CDU und CSU nach mehreren Stunden Beratung zu getrennten Beratungen zurückgezogen hatten, kamen Merkel und Seehofer zu einem Vier-Augen-Gespräch zusammen. Am Abend stieß Bundesinnenminister Thomas de Maizière dazu. Die Unionsspitzen sprachen auch über weitere Themen wie etwa Europa.
Quelle: ntv.de, sgu/dpa/rts