Landtagswahl im Nordosten Wählt jeder Vierte in MeckPomm rechts?
18.08.2016, 07:37 Uhr
Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern: Nicht nur die AfD, sondern auch die übrigen Parteien im Nordosten beklagen beschädigte Wahlplakate.
(Foto: imago/BildFunkMV)
Große Koalition, Rot-Rot-Grün, Kenia: In Mecklenburg-Vorpommern ist vor der Landtagswahl alles denkbar. Die AfD hat ein wenig bescheidenes Ziel: Sie will stärkste Partei werden. Das könnte ihr sogar gelingen.
Für Politiker in Mecklenburg-Vorpommern ist es kein Vergnügen. Im Nordosten Deutschlands wird am 4. September gewählt, ausgerechnet am letzten Ferientag. Für die Wahlkämpfer heißt das: Sie müssen den Wählern in ihrem Urlaub an den Ostseestränden auf die Pelle rücken.
Mecklenburg-Vorpommern liegt nicht nur durch seine Lage nicht unbedingt im Mittelpunkt des politischen Geschehens der Bundesrepublik. Nur 1,4 Millionen Menschen sind hier wahlberechtigt. Dennoch ist die Aufmerksamkeit vor den Wahlen unverhältnismäßig groß. Groß genug, dass die Kanzlerin kurz nach Ende ihres Urlaubs zu einer Wahlveranstaltung nach Neustrelitz aufbricht. Die schwierige Konstellation, die AfD und auch der Termin ein Jahr vor der Bundestagswahl – aus verschiedenen Gründen ist das Abschneiden für die Parteien besonders wichtig.
SPD
Sozialdemokrat Erwin Sellering ist seit 2008 Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern und führt die Große Koalition mit der CDU. Er profitiert von seinem Amtsbonus, doch seine Beliebtheit genügt nicht. Das 35,6-Prozent-Ergebnis von 2011 wird die SPD nicht wiederholen können. Den Umfragen nach dürfte sie von allen Parteien am stärksten einbrechen. Zwar liegt sie vorn, erreicht aber nur noch 24 Prozent und damit kaum mehr als der Koalitionspartner. Am Wahlabend droht eine Schlappe, möglicherweise jedoch mit glimpflichem Ausgang. Die Genossen müssen nur stärkste Partei werden und vor der CDU landen. Dann haben sie zwei Möglichkeiten: Entweder es reicht knapp für die Fortsetzung einer Großen Koalition. Oder Sellering bildet eine rot-rot-grüne Koalition, die laut Umfragen sogar eine größere Mehrheit verspricht. Ein Jahr vor der Bundestagswahl hätte ein solcher Wechsel besondere Signalkraft.
CDU
Nach der Wende sah es im Nordosten eigentlich mal ganz gut aus für die CDU. 1990 und 1994 stellte sie den Ministerpräsidenten. Doch dann rutschte die Partei ab. Zwei Wochen vor der Wahl deutet viel daraufhin, dass die CDU ein ähnlich schwaches Ergebnis wie 2011 erringen wird. Damals holte sie 23 Prozent. Spitzenkandidat und Innenminister Lorenz Caffier kämpft mit der Schwierigkeit, als Juniorpartner Amtsinhaber Sellering herausfordern zu müssen. Die SPD befindet sich dabei durchaus in Schlagweite. Wenn Caffier noch vorbeiziehen kann, darf er wohl die nächste Landesregierung bilden. Eine Mehrheit mit den Sozialdemokraten ist jedoch unsicher. Andernfalls ist ein Dreierbündnis nötig. Am wahrscheinlichsten wäre dann eine Kenia-Koalition mit den Grünen, wie in Sachsen-Anhalt.
Grüne
Die Grünen tun sich in Mecklenburg-Vorpommern traditionell schwer. Vor fünf Jahren gelang erstmals der Einzug in den Landtag. Am 4. September dürfte es wieder klappen. Bei Prognosen zwischen 6 und 7 Prozent muss die Partei jedoch noch zittern. Bei einer schwierigen Regierungsbildung könnten die Grünen sogar in die wichtige Rolle des Mehrheitsbeschaffers kommen. Bei beiden denkbaren Dreiparteienbündnissen – Rot-Rot-Grün und Schwarz-Rot-Grün – ginge es nicht ohne sie.
Linke
In vielen ostdeutschen Bundesländern haben die Linken schon mitregiert. In Mecklenburg-Vorpommern bildeten sie zwischen 1998 und 2006 eine Koalition mit der SPD. Helmut Holter, damals Arbeitsminister, ist heute immer noch dabei und Spitzenkandidat. Der Pragmatiker dürfte großes Interesse haben, mit SPD und Grünen eine Koalition zu bilden. Zugleich ringen die Linken mit der AfD darum, drittstärkste Kraft im Land zu bleiben.
AfD
Einfach nur ins Parlament einziehen, das genügt der AfD nicht. Die Partei will stärkste Kraft werden. "Wir wollen die Wahl gewinnen", sagt Spitzenkandidat Leif-Erik Holm. Ganz unrealistisch ist das nicht. Umfragen sehen die AfD bei knapp 20 Prozent und damit gar nicht so weit entfernt von CDU und SPD. Der wochenlange Machtkampf der AfD-Spitze schadet Holm & Co. offensichtlich nicht. Die Partei profitiert davon, dass die Bundespolitik und das Thema Flüchtlinge den Wahlkampf dominieren. Holm ist im Land noch als Radiomoderator von Antenne MV in Erinnerung. Eines ist sicher: Als Koalitionspartner wird die Partei erst einmal nicht infrage kommen. Holm hat jedoch aussichtsreiche Chancen, bald neuer Oppositionsführer im Schweriner Landtag zu werden. An mehr ist die AfD auch nicht interessiert. Vorerst. Erst wenn man als "Seniorpartner" eine Koalition realisieren könne, werde man "die nötigen großen Reformen einleiten", sagte der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke auf einer Wahlveranstaltung.
NPD
Im rechten Wählerspektrum fischt die AfD nicht konkurrenzlos. Seit 2006 sitzt die NPD im Landtag. Vor fünf Jahren holte die Partei 6 Prozent, nun dürfte sie den Einzug verpassen. In Umfragen liegt die NPD nur noch zwischen 3 und 4 Prozent. Die AfD kostet die Partei Stimmen. Als unangenehme Konkurrenz scheint man diese jedoch nicht zu betrachten. Die AfD habe "deutlich bessere Chancen" und "einige recht ordentliche Leute", erklärte Landesvize David Petereit vor einigen Wochen. "So können wir der AfD zu mehr Direktmandaten verhelfen", sagte er im Hinblick auf die Entscheidung, keine eigenen Direktkandidaten aufzustellen. Wenn die Rechten aus dem Parlament fliegen, haben sie zumindest einen Trost. Am Ende könnten AfD und NPD im Nordosten gemeinsam bis zu 25 Prozent holen.
FDP
Bis 2011 saßen die Liberalen im Parlament, dann flogen sie mit 2,8 Prozent raus. Die FDP muss um ihren Wiedereinzug bangen. In der Auseinandersetzung zwischen den CDU, SPD und AfD fällt es ihr schwer, sich zu profilieren. In Umfragen erreichen die FDP nur 3 Prozent. Zumindest in einer Hinsicht ist ihr Abschneiden entscheidend: Scheitern die Liberalen und die NPD, sinkt für die übrigen Parteien die nötige Hürde für eine Regierungsbildung. In diesem Fall könnte es den Koalitionären ausreichen, wenn sie zusammen auf 45 bis 46 Prozent kommen.
Quelle: ntv.de