Darum geht es Wagt Schottland den Absprung?
18.09.2014, 14:31 Uhr
Der "Erste Minister" Schottlands, Alex Salmond wirbt für die Unabhängigkeit seines Landes.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die ersten Schotten haben über die Unabhängigkeit ihres Landes abgestimmt. Wenn am Freitagmorgen das Ergebnis des Referendums feststeht, werden noch viele Fragen offen sein. Unter anderem die, ob es die Schotten auch weiterhin schaffen, fair miteinander umzugehen.
Die letzten Reden sind gehalten, die letzten Umfragen veröffentlicht. Seit um 7 Uhr britischer Zeit und damit um 8 Uhr deutscher Zeit die Wahllokale geöffnet haben, ist aktive Wahlwerbung in Schottland verboten. Die Zahl der für die Wahl registrierten Schotten deutet darauf hin, dass die Wahlbeteiligung sehr hoch sein könnte – von über 90 Prozent ist die Rede.
Die Schotten schreiben am 18. September womöglich Geschichte: Mit einem kleinen Kreuz können sie darüber entscheiden, ob ihr Land nach mehr als 300 Jahren Zugehörigkeit zu Großbritannien ein eigener Staat wird oder britisch bleibt. Lesen Sie hier die wichtigsten Texte, Reportagen und Interviews zum Referendum von n-tv.de:
Über vier Millionen Schotten sollen eine einfache Frage mit "Ja" oder "Nein" beantworten: "Soll Schottland ein unabhängiges Land sein?" Die Auswirkungen dieses Referendums werden in jedem Fall enorm sein.
Bei einem mehrheitlichen "Ja" will die Regionalregierung in Edinburgh mit der Zentralregierung in London über die Modalitäten des Austritts verhandeln. Das soll laut Plan 18 Monate dauern, wobei es gut möglich ist, dass diese Zeit nicht ausreicht. Denn es gilt dann, viele komplexe Fragen zu klären: Wie wird die Staatsverschuldung aufgeteilt? Wem stehen die Einnahmen aus den schottischen Ölreserven zu? Wie viele Staatsangestellte übernimmt Schottland von Großbritannien? Was passiert mit den Atomwaffen, die bislang auf U-Booten in einem schottischen Hafen lagern? Vereinbaren die beiden Staaten von Anfang an Abkommen über Reise- und Zollfreiheit? Wird das restliche Großbritannien eine Aufnahme Schottlands in die EU blockieren? Kann die schottische Regierung die britische Seite von den Vorteilen einer Währungsunion überzeugen?
"Der mächtigste Moment für jeden von uns"
Für den Fall eines mehrheitlichen "Nein" hat die Regierung des Vereinigten Königreiches umfassende Gesetzesänderungen angekündigt. Das schottische Parlament soll dann unter anderem weitere Rechte erhalten, eigene Steuern zu erheben und über deren Verwendung zu entscheiden. Bisher treibt die Zentralregierung alle Gelder ein und überweist dann einen Teil davon nach Edinburgh. Außerdem soll Schottland die Möglichkeit haben, jede Kürzung im Gesundheitssystem zu verhindern. Premierminister David Cameron verspricht, dass die neuen Rechte so tief in der Verfassung Großbritanniens verankert würden, dass sie nie wieder zurückgenommen werden können.
Beide Seiten werfen sich vor, ihre Hoffnungen auf eine bessere Zukunft auf sehr unkonkrete Zusagen zu stützen. Die Kampagne für die Unabhängigkeit hat zum Beispiel keine klare Antwort darauf, welche Währung Schottland nutzen soll, wenn die angestrebte Währungsunion nicht zustande kommt. Genauso vage sind aber auch die Versprechungen aus London: Die Arbeit an den neuen Gesetzen soll erst morgen, also am Tag nach dem Referendum beginnen.
Der schottische Regierungschef Alex Salmond trat am Mittwochabend noch einmal in Perth nördlich von Edinburgh auf. Er warb dafür, diese Chance "mit beiden Händen zu ergreifen": "Das ist der größte, mächtigste Moment, den jeder von uns je haben wird." Die Zuhörer reagierten euphorisch. Der Zuspruch zu ihrer Kampagne hat in den vergangenen Wochen stark zugenommen. Salmond versicherte, auch ein "Nein" zu akzeptieren.
Erste Zahlen in der Nacht
Für die Gegner der Unabhängigkeit trat der ehemalige Premierminister Gordon Brown auf, der sich im Wahlkampf lange zurückgehalten hatte. Brown hielt die mitreißende Ansprache, die man von seinem Mitstreiter Alister Darling lange vermisst hatte. "Wir haben gemeinsam zwei Weltkriege ausgefochten", erinnerte er in Glasgow. Schotten, Engländer, Waliser und Iren lägen Seite an Seite auf den Friedhöfen in Europa. Die Kampagne gegen die Unabhängigkeit war bis vor einigen Tagen nur wenig emotional gewesen. Brown sagte, nun sei für die schweigende Mehrheit der Zeitpunkt gekommen, ihr Schweigen zu brechen.
Redner beider Seiten mahnten zu einem fairen Umgang nach der Wahl. In den letzten Tagen waren die Auseinandersetzungen hitziger geworden, die Veröffentlichung eines geheimen Dokuments hatte zusätzliche Schärfe gebracht. Die Spitzen der Kampagnen warnten jeweils ihre eigenen Leute, bei einem Sieg den Triumph öffentlich nicht zu sehr auszukosten.
Die Wahllokale schließen um 23 Uhr deutscher Zeit. Erste Zahlen wird es gegen 2 Uhr geben, das Ergebnis wird erst feststehen, wenn auch die größeren Wahlkreise ausgezählt sind. Das könnte gegen 8 Uhr der Fall sein.
Quelle: ntv.de