Minister bei "Lanz" Warum Habeck auf Tiktok ist - tanzen will er nicht
01.05.2024, 04:44 Uhr Artikel anhören
Will der AfD nicht kampflos das Feld überlassen: Der künftige TikToker Robert Habeck.
(Foto: picture alliance/dpa)
Seine Accounts bei Twitter und Facebook hat Robert Habeck vor Jahren stillgelegt. Jetzt nimmt der Bundeswirtschaftsminister seine Social-Media-Aktivitäten wieder auf. Bei Lanz verrät er, warum er ausgerechnet bei dem umstrittenen Netzwerk Tiktok einsteigt.
Er wird keine Seemannslieder wie den Song vom "Wellerman" singen. Tanzen wird er auch nicht. Aber er hat eine Botschaft. Die will er verbreiten. Vor allem für Jugendliche. Und darum erklärt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen nun auch auf Tiktok die Welt. "Das ist eine Gratwanderung. Darum habe ich auch viel darüber nachgedacht", sagt Habeck am Dienstagabend in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz".
Wichtige Daten aus dem Ministerium würden nicht nach China gehen, das habe er vorab geklärt. Auch mit dem Unternehmen. Für seine TikTok-Auftritte werde er kein Diensthandy nutzen, verspricht Habeck. Vielmehr reagiere er mit dem Schritt auf eine Studie, die vor zwei Wochen veröffentlicht worden sei. Daraus gehe hervor, dass sehr viele junge Leute mediale und politische Informationen nur noch über das Netzwerk aus China bezögen. "Dann war meine Entscheidung: Ich gehe dahin, wo die sind, wissend, dass das ein Graubereich ist, den ich mir gerne erspart hätte. Ich wollte dahin, wo eine Generation, die anders schwer zu erreichen ist, gerade ist."
Das Problem ist bekannt: Tiktok ist ein chinesisches soziales Netzwerk. Doch das Konzept kommt weltweit an. Vor allem unter jungen Leuten unter 30 ist Tiktok ein Hype. War es früher ein Netzwerk, wo sich vor allem junge Leute mit gesungenen und getanzten Charthits produzierten, gibt es dort mittlerweile alles, was man sich an Information vorstellen kann. Das hat als erste deutsche Partei die AfD erkannt. Den Rechtspopulisten gelingt es unter anderem mit Tiktok, ihre Propaganda an junge Menschen in Deutschland zu verteilen. Den Trend nutzen nun immer mehr Politiker der anderen Parteien. Vor kurzem zelebrierte Gesundheitsminister Lauterbach seinen ersten Tiktok-Post, und auch der Kanzler nutzt das Netzwerk eifrig. Da darf Robert Habeck natürlich nicht fehlen. Ihm kommt es dabei weniger auf das Land an, das das Netzwerk steuert. Habeck hofft, auf diese Weise seine Politik einer Generation erklären zu können, die Medien wie ARD und ZDF verloren haben und die auch selten eine Tageszeitung lesen.
Habeck nicht auf X
Dagegen ist Habeck auf X nicht zu finden. Das gehört dem US-Unternehmer Elon Musk, der es erworben hat, als es noch Twitter hieß. Musk gab dem Netzwerk den neuen Namen, angeblich, weil er den Buchstaben X toll findet. Habeck hat Twitter schon vor fünf Jahren verlassen, erzählt der Grüne nun. "Bei Twitter ist die Generation, die vor zehn Jahren jung war. Jetzt sind die Schülerinnen und Schüler bei Tiktok. Das hat mit der chinesischen Urheberschaft nichts zu tun", so Habeck.
Journalist Michael Bröcker von Table Media findet Habecks Entscheidung ein wenig unverständlich. Sehr wohl seien auf X auch junge Menschen zu finden, sagt er bei Lanz. Er zum Beispiel nutze X.
Einen Tipp hat Marie-Christine Ostermann für Habeck. Sie ist Präsidenten des Lobbyverbands "Die Familienunternehmer". "Gehen Sie doch auf LinkedIn", rät sie dem Minister. Immerhin wirbt das Netzwerk mit mehr als 800 Millionen Nutzern. "Die Familienunternehmer" haben knapp 9500 Follower dort, und auch ihre Jugendseite "Teen Startup" kommt recht gut an.
Für den Minister ist jetzt vordringlich, dass die etablierten Parteien diesen Raum - eben Tiktok - weitgehend freigehalten hätten. Andere sprechen etwas direkter von einem verpennten Trend. Wie auch immer: "Jetzt müssen wir versuchen, ihn wieder zurück zu erkämpfen."
Ein Verbot von Tiktok, wie es gerade in den USA diskutiert wird, kommt für Habeck nicht infrage. Man könne überprüfen, ob durch bestimmte soziale Medien die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedroht sei. Sei dies der Fall, könne man sie einschränken oder verbieten. "Aber wir können sie nicht verbieten, weil uns die Mehrheit der Likes und Tweets dort nicht gefällt", sagt Habeck. "Da wir weit davon entfernt sind, Tiktok zu verbieten, ist die eigentliche politische Frage, die man sich stellt: Lässt man die Finger davon, weil es einem nicht gefällt oder weil man sich so jung fühlt, dass man nur noch bei Twitter ist und das muss dann reichen, oder geht man dahin? Und die politisch pragmatische Antwort: Man muss am Ende dahin gehen, wo Menschen sind, die sonst nur einseitig informiert werden."
Quelle: ntv.de