Politik

Ultimatum in der Flüchtlingskrise Was Seehofer macht, wenn Merkel nicht spurt

Koalition in der Krise: CSU-Chef Seehofer, Vizekanzler Gabriel und Kanzlerin Merkel.

Koalition in der Krise: CSU-Chef Seehofer, Vizekanzler Gabriel und Kanzlerin Merkel.

(Foto: picture alliance / dpa)

Bis Sonntag gibt Bayerns Ministerpräsident Seehofer der Kanzlerin noch Zeit. Dann will er "Notwehrmaßnahmen" einleiten. In der Union wächst das Verständnis für Seehofer - und der Unmut über die Kanzlerin.

Horst Seehofer hat den Schalter umgelegt, auf die nächste Eskalationsstufe. In der "Passauer Neuen Presse" formulierte der bayerische Ministerpräsident ein Ultimatum bis Sonntag. Sollte bis dahin nichts geschehen, müsse man "überlegen, welche Handlungsoptionen wir haben". Seehofer droht der Kanzlerin, mal wieder. In der Unionsfraktion können sich viele vorstellen, dass er Ernst macht. CSU-Politiker Hans Michelbach sagt n-tv.de: "Seehofer will einen absoluten Handlungsnachweis. Die Kanzlerin muss den richtigen Weg zusammen mit Bayern einschlagen. Rhetorik und Versprechungen reichen nicht. Die Lage ist zu ernst, um weiter in Europa auf Zeit zu spielen."

Schon vor Wochen hatte Seehofer Konsequenzen angekündigt für den Fall, dass die Bundesregierung nichts unternimmt, um den Flüchtlingsstrom zu begrenzen. "Wir wissen, was wir tun werden, aber es wäre nicht klug, darüber schon zu reden", sagte er damals. Seehofer brachte eine mögliche Verfassungsklage ins Spiel, auch von "Notwehrmaßnahmen" war die Rede. Was könnte er konkret tun? In der Unionsfraktion werden vor allem zwei Schritte für wahrscheinlich gehalten.

Option eins: Bayern könnte die Flüchtlinge künftig einfach in Busse setzen und weiterleiten - ohne wie bisher abzuwarten, bis andere Bundesländer Bereitschaft signalisieren. Seit Anfang September sind mehr als 300.000 Flüchtlinge über die Grenze nach Bayern gekommen, oft sind es mehr als 7000 am Tag. Nur die anderen Länder nehmen nicht in gleicher Geschwindigkeit auf. Bayern könnte sich mit dieser Maßnahme helfen, den Stau im Land aufzulösen. Für den Rest der Republik hätte dies jedoch ein noch größeres Chaos bei der Unterbringung der Flüchtlinge zufolge.

Option zwei: Seehofer könnte anordnen, dass die bayerische Landespolizei die deutsch-österreichische Grenze künftig selbst absichert. CSU-Politiker werfen der Kanzlerin seit Wochen vor, die Grenze nicht ausreichend zu sichern. Sie fordern, nicht schutzbedürftige Flüchtlinge direkt an der Grenze zurückzuweisen. "Wir haben alle Respekt vor dem Amt der Kanzlerin, aber Gesetzesverstöße bleiben Gesetzesverstöße. Es ist notwendig, dass die Krise des Rechts beendet wird", sagt Michelbach.

Es ist jedoch umstritten, dass bayerische Polizisten die Grenze überwachen dürfen. Die Zuständigkeit liegt bei der Bundespolizei. Der CSU-Politiker und Unions-Justiziar Hans-Peter Uhl, hält auch Schleierfahndungen, also verdachtsunabhängige Personenkontrollen, für denkbar. Illegale Flüchtlinge könnten dann sofort festgenommen werden. Egal, welche Maßnahme Seehofer einleitet, er würde die Kanzlerin gehörig unter Zugzwang setzen.

"Bayern nimmt jeden Tag eine Kleinstadt auf"

Merkel wies das Ultimatum aus Bayern zurück. "Wir können den Schalter nicht mit einem Mal umdrehen, sondern müssen Schritt für Schritt vorgehen", sagte Merkel bei einer Pressekonferenz. Aus der Parteispitze erhielt sie Unterstützung. "Mit Ultimaten, glaube ich, kommen wir nicht viel weiter", sagte CDU-Vize Julia Klöckner im "Deutschlandfunk". Tatsächlich ist die Kanzlerin Seehofer zuletzt bereits entgegengekommen. Es soll schnellere Abschiebungen geben, auch die Grundsatzeinigung beim Thema Transitzonen steht.

In der CDU gibt es Verständnis für den Ärger bei der Schwesterpartei. Der Innenpolitiker Armin Schuster sagt n-tv.de: "Ich verstehe den Notruf Bayerns. Bayern nimmt quasi jeden Tag eine Kleinstadt auf." Schuster unterstützt die Idee, die Grenze abzusichern und illegale Flüchtlinge gleich an der deutsch-österreichischen Grenze zurückzuweisen. Er ist davon überzeugt, dass die Bundespolizei gemeinsam mit der Zollverwaltung und der Landespolizei einen solchen Einsatz leisten könne. "Wenn Deutschland nicht mehr mitspielt und Flüchtlinge an der Grenze zurückweist, werden andere das auch tun."

Die Flüchtlingskrise verunsichert nicht nur CSU-Abgeordnete. In einer aktuellen Insa-Umfrage rutschte die Union auf 35 Prozent. Wäre an diesem Sonntag Bundestagswahl, würde die Partei etwa 50 Sitze verlieren. "Das Fundament von Merkels Stärke waren immer die starken Umfragen und Wahlergebnisse. Das ist in Gefahr", sagt ein Abgeordneter. Umso schlechter die Stimmung wird, desto mehr Anklang finden die Forderungen Seehofers. Nach Schätzungen aus Fraktionskreisen sind es deutlich mehr als 20 Prozent der Abgeordneten, die gegen Merkels Flüchtlingspolitik aufbegehren. CSU-Politiker Uhl sagt: "Eine Regierung, die die eigenen Grenzen nicht mehr vor massenhafter Einwanderung schützt, hat sich selbst aufgegeben und wird früher oder später abgewählt."

Zuletzt kursierten bereits Gerüchte, wonach Finanzminister Wolfgang Schäuble notfalls als Übergangskanzler bereit stünde und ein Putsch gegen Merkel möglich sei. Wackelt die Kanzlerin? Kein Unionsabgeordneter mag das im Gespräch mit n-tv.de auch nur indirekt bestätigen. CDU-Politiker Schuster widerspricht deutlich. "Das spiegelt die Stimmung nicht wider", sagt er. Vielleicht sei man es einfach nicht mehr gewohnt, kontrovers zu diskutieren. "Ich finde es kein schlechtes Zeichen, wenn es auch mal raucht im Karton." Er sagt sogar: "Die Kanzlerin kommt da stärker raus, als viele jetzt glauben." Armin Schuster ist davon fest überzeugt.

Quelle: ntv.de

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