Politik

Erstes TV-Duell "Was Sie hier erzählen, ist ein Märchenschloss"

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Laut wurde es zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz nicht - einig waren sie aber nur selten.

Laut wurde es zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz nicht - einig waren sie aber nur selten.

(Foto: dpa)

Bundeskanzler Scholz greift seinen Herausforderer Merz im ersten TV-Duell dieses Wahlkampfs hart an. Merz kontert mit dem Vorwurf, Scholz leide unter Realitätsverlust. Gemeinsamkeiten zeigen sich mit Blick auf die FDP.

Am Ende schütteln sie sich die Hände. Dabei waren die anderthalb Stunden ziemlich spannungsgeladen, in denen Bundeskanzler Olaf Scholz und der Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz, bei ARD und ZDF diskutierten.

Angriffslustig zeigte sich im ersten TV-Duell dieses Wahlkampfes vor allem der Amtsinhaber. Gleich beim ersten Thema, dem Umgang mit der AfD, ging Scholz den CDU-Chef hart an. Der Versuch, mit der AfD im Bundestag eine Mehrheit zu erreichen, sei "ein Wortbruch und ein Tabubruch" gewesen. Man könne nicht sicher sein, ob Merz das nach der Wahl wiederholen werde.

Moderatorin Maybrit Illner sekundierte Scholz: Merz habe sein Wort gebrochen; warum solle man ihm glauben, dass er das nicht wieder tun werde? Merz wiederholte darauf, was er mittlerweile schon ungezählte Male gesagt hat: Die Union und die AfD "trennen in den Sachfragen Welten", deshalb werde es keine Zusammenarbeit geben. Merz wandte sich direkt an Scholz: "Wir beide kennen uns gut genug. Sie kennen mich." Dem Kanzler warf Merz damit vor, das Thema lediglich zu instrumentalisieren.

Scholz wirft Merz vor, sein Vorschlag sei "doof"

Mit Blick auf die Migrationspolitik stellte Scholz sich als Regierungschef dar, der einen "toughen Kurs" eingeführt habe. Er habe Grenzkontrollen eingeführt, Rückführungen um 70 Prozent verstärkt, die Zahl der neuen Asylgesuche gesenkt.

Merz räumte ein, die Bundesregierung habe "nicht nichts getan", aber eben nicht genug. Das liege vor allem an den Grünen. Scholz reagierte auf die Kritik mit einem Gegenangriff. Merz erzähle "was Falsches", Merz' Vorschläge seien gegen deutsche Interessen und es wäre "doof", europäisches Recht zu brechen, wo seine Bundesregierung endlich eine europäische Regelung durchgesetzt habe.

Im Gegenzug verwies Merz darauf, dass diese Regelung, das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) erst 2026 in Kraft trete. "Wollen wir wirklich so lange warten?" Sein Fazit: "Herr Scholz, bitte, Sie leben nicht in dieser Welt, was Sie hier erzählen, ist ein Märchenschloss."

Merz beim Thema Wirtschaft "einigermaßen erschüttert"

Auch beim Thema Wirtschaft zeigte Merz sich "erstaunt, welche Wahrnehmung Sie haben". Scholz hatte zuvor eingeräumt, dass die Stimmung bei den Unternehmen schlecht sei. Das Urteil, in Deutschland finde eine Deindustrialisierung statt, wies er aber zurück. Merz war naturgemäß weitaus kritischer: Deutschland befinde sich im dritten Jahr einer Rezession, es gebe eine Insolvenzwelle mit steigender Tendenz. "Und dann sprechen Sie davon, wir hätten keine Deindustrialisierung?!" Er sei "einigermaßen erschüttert, mit welcher Wahrnehmung Sie hier heute Abend den Zustand unserer Wirtschaft beschreiben". Mit der Realität habe das "gar nichts zu tun".

Hier zeigte sich Scholz' Problem: Er argumentierte als Amtsinhaber, der die Probleme aber letztlich zu verantworten hat. Scholz sagte denn auch, was Merz beschreibe, sei nicht wegzuleugnen. Aber: "Ich habe die Ukraine nicht überfallen, ich habe die Gaslieferungen nicht eingestellt", das sei Russlands Präsident Wladimir Putin gewesen. Moderatorin Sandra Maischberger konnte sich an dieser Stelle ein leicht genervtes "Herr Scholz" nicht verkneifen.

Scholz' Vorschlag eines Deutschlandfonds und einer Investitionsprämie tat Merz als "klassisches Strohfeuer" ab, das viel Geld koste. Nötig seien verlässliche Rahmenbedingungen, so der CDU-Chef. Scholz warf Merz dagegen vor, Steuersenkungen in Höhe von 20 Milliarden Euro für jene zu planen, "die das allermeiste Geld verdienen". Da sei er "strikt dagegen".

Beide könnten ohne FDP

In einer Runde, in der die beiden Sätze vervollständigen sollten, zeigten sich sowohl Unterschiede als auch Übereinstimmungen. Den Satz "Ein Bundestag ohne FDP wäre …" ergänzte Merz um das Urteil: "ärmer, aber durchaus lebensfähig". Scholz stimmte zu: "Ich kann es nicht besser formulieren."

Den Plan von US-Präsident Donald Trump für den Gazastreifen nannte Scholz einen Skandal, nicht akzeptabel und völkerrechtswidrig. Merz teilte diese Einschätzung, ergänzte nur, dass bei Trump "wahrscheinlich auch viel Rhetorik" dabei sei.

Differenzen gab es bei der Frage, was von Trumps Dekret zu halten sei, das die Bevölkerung der USA auf zwei Geschlechter verpflichte. Merz sagte, das sei eine Entscheidung, die er nachvollziehen könne. Scholz sagte, jeder solle so glücklich werden, wie er möchte. Das Gendern in Behörden will Merz verbieten. Scholz sagte, jeder solle so schreiben und sprechen, wie er es für richtig halte. Da stimmte Merz zu - in den Behörden solle allerdings gelten, was der Rat für deutsche Rechtschreibung vorgebe.

Merz für private Pflegezusatzversicherung

Sehr deutlich wurde der Unterschied zwischen Merz und Scholz auch beim Thema Pflege. "Ich glaube, es wäre besser, wenn man in der längeren Perspektive den Menschen auch eine verpflichtende private zusätzliche Pflegeversicherung auferlegt, damit sie entsprechend vorsorgen können", sagte Merz. Scholz lehnte das ab. Er forderte einen "Kostendeckel bei 1000 Euro" sowie eine "Solidaritätsverschränkung" zwischen privaten und gesetzlichen Krankenkassen.

Beim Bürgergeld zeigte Scholz sich als Freund von Sanktionen, beziehungsweise "sehr klaren Regeln". Merz stellte in Aussicht, 400.000 Bürgergeldempfänger zurück in den Arbeitsmarkt zu bringen. Allein damit würde der Staat 6 Milliarden Euro sparen.

Hitzig wurde es, als es um Rüstungsausgaben und den Krieg in der Ukraine ging. Erneut warf Scholz Merz vor, verantwortungslos zu sein. Mit Blick auf eine etwaige Lieferung des Marschflugkörpers Taurus an die Ukraine sagte Scholz: "Das ist genau der Schritt, den man, wenn man Verantwortung für Deutschland hat, nicht gehen sollte." Merz verwies dagegen darauf, dass auch die USA, Frankreich und Großbritannien Marschflugkörper geliefert hätten.

Schulden oder Wachstum?

Mit Blick auf die Rüstungspolitik warb Scholz für eine Reform der Schuldenbremse, damit die Kosten für eine bessere Ausstattung der Bundeswehr nicht auf "die normalen Leute" abgewälzt würden. Seinem Herausforderer warf Scholz vor, Rüstungsausgaben mit sozialen Kürzungen finanzieren zu wollen. Merz bestritt dies, sagte aber, man werde "Prioritäten im Haushalt neu setzen müssen".

Scholz nahm für sich und die SPD in Anspruch, die Einzigen zu sein, die in dieser Debatte "einen fairen Vorschlag" gemacht hätten. Merz konterte, die SPD habe nicht einen Vorschlag gemacht, sondern zwei: mehr Schulden und höhere Steuern. Auf die Frage, wie er selbst die steigenden Verteidigungsausgaben finanzieren wolle, blieb Merz im Ungefähren. "Das Ganze geht nur, wenn wir wieder eine stark wachsende Volkswirtschaft werden." Scholz nannte diese Äußerung "lächerlich".

In einer Woche dann ein Quadrell

Die Diskussion zeigte die Rollenverteilung in diesem TV-Duell: Scholz ging häufiger in die Offensive, statt den staatsmännischen Kanzler zu geben. Offenbar ging es dem Kanzler mit seinen Attacken auch darum, Merz aus der Ruhe zu bringen. Das gelang ihm nicht. Auf die Frage, ob die beiden sich vorstellen könnten, miteinander Koalitionsgespräche zu führen, lachte Merz. Er gehe davon aus, "dass wir die Bundestagswahl gewinnen". Eine Koalitionsaussage vermied er, sagte aber, eine Fortsetzung von "linker Politik" werde es mit der Union nicht geben. Nach der Wahl werde sich die SPD, vielleicht auch die Grünen, bewegen müssen, so Merz.

Scholz zeigte sich überzeugt, dass die Wähler "sich anders entscheiden werden, als Herr Merz sich das so lange ausgemalt hat".

Die beiden werden noch in weiteren Formaten aufeinandertreffen - unter anderem am nächsten Sonntag bei RTL und ntv. Diese Begegnung wird allerdings kein Duell sein, sondern ein Quadrell: Dann sind neben Merz und Scholz auch Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck und AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel dabei.

Quelle: ntv.de

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