Politik

Blinde Spionage des BND Was ist ein "Selektor"?

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Der BND half der NSA ohne viel Federlesen.

(Foto: dpa)

Der Bundesnachrichtendienst spioniert in Deutschland, ohne zu wissen, bei wem und weshalb. Die Ergebnisse schaufelt der BND blind in die USA. Das Kriterium sind die Selektoren. Welche Auswahl treffen sie?

Der Bundesnachrichtendienst hat sich über ein Jahrzehnt lang zur Marionette der National Security Agency machen lassen. Deutsches Recht und Gesetz? Höchstens zweitrangig. Dies legen die Enthüllungen in der BND-Spionageaffäre nahe. Der Begriff, um den sich in diesen Dokumenten alles dreht, sind die Selektoren. Aber was sind Selektoren überhaupt?

Im Bundeskanzleramt und beim deutschen Geheimdienst wird sich auch mit Synonymen wie Telekommunikationsziele und Steuerungsmerkmale beholfen. Wie Selektor sind auch diese Bezeichnungen mehrdeutig und klingen kryptisch. Hilfreich ist vielleicht ein anderer, aus Alltagssoftware bekannter Begriff: der Suchfilter. Der kann etwa eine IP-Adresse sein, eine Telefonnummer, ein Messenger-Nutzerkonto, der Bruchteil einer E-Mail-Adresse sein, sogar Orte.

Da ein möglicher Selektor auch eine Domain ist, etwa @n-tv.de oder @siemens.de, kann er auch zu vielen Zielen gleichzeitig führen. Aus abgehörten und gespeicherten Internet- und Telefondaten betrieb der BND damit für die NSA Spionage bei Unternehmen, Behörden, Personen und anderen Zielen in Europa.

BND untersuchte nur kleinen Teil

Die Bundesregierung hat den Datenaustausch inzwischen zwar gestoppt - doch die Liste mit den Selektoren hält das Kanzleramt mit Verweis auf die US-Amerikaner noch immer zurück. Ohne diese Liste bleibt unklar, welche und wie viele Ziele in Deutschland durchleuchtet wurden.

Es gibt jedoch Informationen darüber, wie sorglos der deutsche Geheimdienst wohl einfach alles durchwinkte, was die Amerikaner filtern wollten. Den Zahlen des NSA-Untersuchungsausschusses im Bundestag zufolge liefen allein im August 2013 zwischen 8 und 9 Millionen Selektoren ein. Darin suchte der BND nach Kollisionspunkten mit deutschen Interessen. Er fand 25.000 und löschte sie.

Das große Aber: Der Geheimdienst hatte nur in den als E-Mail-Adressen erkennbaren Selektoren gesucht. Es gibt aber nicht nur einen, sondern über 20 verschiedene Filterkriterien, sagt Martina Renner, die Linken-Obfrau im NSA-Untersuchungsausschuss.

Um festzustellen, ob etwas gegen deutsche Interessen verstößt, muss häufig erkennbar sein, welcher Selektor welches Land betrifft. Dies war jedoch bei 40 Prozent der 8 bis 9 Millionen nicht der Fall, sagt Renner. Demzufolge wurden mindestens 3,2 Millionen Selektoren womöglich ohne Prüfung angewendet.

Der BND wusste also nicht, wen er ausspionierte. Er tat es trotzdem.

Quelle: ntv.de

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