Politik

Lehren vom FDP-Parteitag Was von der Leiche bleibt

Die Liberalen hoffen auf einen Schub für die kommenden drei Wahlen.

Die Liberalen hoffen auf einen Schub für die kommenden drei Wahlen.

(Foto: dpa)

Ist die Reanimation der FDP gelungen? Gibt es noch jemanden außer Parteichef Lindner? Und was passiert, wenn es die Liberalen wieder nicht in den Bundestag schaffen? Die wichtigsten Lehren nach dem Bundesparteitag der Liberalen.

1. Die Leiche stinkt nicht mehr

Eine stinkende Leiche – als eine solche galt die FDP vielen, nachdem sie 2013 aus dem Bundestag geflogen war. Dreieinhalb Jahre später ist der Verwesungsgeruch verflogen, und die Leiche ist zurück, wie Parteichef Christian Lindner triumphierend auf dem Parteitag verkündete. Tatsächlich ist der FDP eine erstaunliche Wiederauferstehung gelungen. Inzwischen sitzt sie in neun Landtagen, in Rheinland-Pfalz ist sie an einer Ampel-Koalition beteiligt. Auch in den Umfragen steht die Partei gut da: Bei den im Mai anstehenden Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen geht es nicht darum, ob sie in die Landtage einzieht, sondern ob sie zweistellige Ergebnisse erzielt. Im Bund sieht es zwar nicht ganz so prächtig aus, aber immerhin liegen die Liberalen in Umfragen seit Monaten konstant bei mindestens 5 Prozent.

2. Der "Schulz"-Effekt der FDP

Ein anderes Anzeichen für die Wiederauferstehung der Partei ist der ungewöhnliche Zustrom, den sie gerade erfährt - eine Art "Schulz-Effekt". Aus Angst vor den angeblich sozialistischen Thesen des neuen SPD-Parteichefs suchten viele ein politisches Gegengewicht und träten der FDP bei, heißt es in der Partei. Fast bei jeder Wahlkampfveranstaltung strömen Lindner neue Mitglieder zu. In den ersten Monaten dieses Jahres gab es 3500 Parteieintritte – was bei insgesamt 56.000 Mitgliedern ein beträchtlicher Anteil ist. Viele von ihnen sind jung und entsprechen längst nicht mehr dem Klischee von FDP-Anhängern. Die Zeiten, in denen man mit seinem Bekenntnis zur FDP eine Party sprengen konnte, sind offenbar vorbei. Selbst die finanzielle Situation, die nach dem Absturz 2014 desaströs war, hat sich entspannt und das Reinvermögen seit Ende 2014 mehr als verdoppelt.

3. "Die Unsympathen sind weg"

Dass der Partei diese Wiederbelebung gelungen ist, hängt vor allem mit einem Punkt zusammen: Sie hat sich nach dem Wahldesaster 2013 radikal neu aufgestellt, mit Lindner trat eine neue Mannschaft an. "Die Unsympathen sind weg", heißt es nun hinter vorgehaltener Hand, die Zeit der Egomanie sei vorbei. Inzwischen sind die zwischenmenschlichen Beziehungen wieder gut, bei Wahlen unterstützen sich die Landesparteien untereinander. Kritik wird nicht gleich öffentlich geäußert. Niemals dürfe der Respekt der FDP untereinander in Frage gestellt werden, so Lindners Lehre aus der Zeit der Selbstzerfleischung.

4. Koalition nicht um jeden Preis

Die FDP hat noch eine weitere Lehre aus ihrer unseligen Vergangenheit gezogen. Sie will nicht um jeden Preis koalieren und betont immer wieder: Es gibt keine natürlichen Verbündeten bei anderen Parteien. Die "Chance auf ein Comeback werden wir nicht verspielen, indem wir uns von wem auch immer zum nützlichen Idioten für beliebige Mehrheiten machen lassen", sagte Lindner auf dem Parteitag. So mancher Delegierte glaubt auch, dass es der Partei nach vier Jahren außerparlamentarischer Opposition durchaus gut tun könnte, sich nicht mit Posten und Regierungsarbeit zu beschäftigen, sondern erstmal weiter zu konsolidieren. Ausschließen will die Partei aber nichts - außer einer Ampel in NRW und Koalitionen mit AfD und Linken. Ein wenig schmeichelnd ist es ja auch, plötzlich wieder von anderen Parteien umworben zu werden.

5. Kormorane, Bildung - und Steuern

Obgleich es beim Parteitag auch um Kormorane, doppelte Staatsbürgerschaft und Abschiebestopp nach Afghanistan ging: Steuersenkungen bleiben ein wichtiges Wahlkampfthema. Von den erwarteten 110 Milliarden Steuermehreinnahmen bis zum Jahr 2021 sollten die Bürger um mindestens 30 bis 40 Milliarden entlastet werden, fordert Lindner. Allerdings legt er Wert darauf, dass es "nicht nur" einen Steuerwahlkampf gebe. Weshalb die Partei im Wahlkampf auch Digitalisierung und Bildung in den Vordergrund stellt, die sie eng mit dem Thema Gerechtigkeit verknüpft. "Bildung ist die Chance zum sozialen Aufstieg", heißt es gleich auf den ersten Seiten des Wahlprogramms.

6. Die FDP ist mehr als Lindner

Lindner im Unterhemd, Lindner im Auto, Lindner im Gespräch– geht man nach den Werbespots, Wahlplakaten und Interviews hat die Partei nur das Gesicht ihres inzwischen nicht mehr ganz so jugendlich wirkenden Chefs. Eine Ein-Mann-Partei sei die FDP, lautet daher regelmäßig die Kritik. Doch ganz so einfach ist es nicht. In Zeiten einer außerparlamentarischen Opposition hat jede Partei es schwer, überhaupt Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Viele Medien wollten in den vergangenen Jahren nur mit dem Parteichef sprechen - wenn überhaupt. Wobei Lindner ohne Frage einer der eloquentesten Redner der Liberalen ist. Doch die Partei hat noch mehr Köpfe, die ihr Chef im Bundestagswahlkampf nun nach vorne zu schieben versucht: Zu den bekanntesten gehören Alexander Graf Lambsdorff, derzeit noch Vizepräsident im Europaparlament, und Wolfgang Kubicki, der Spitzenkandidat von Schleswig-Holstein.

7. Das Projekt Wiedereinzug muss gelingen

So gut die Stimmung, so tröstlich der Wiederaufstieg: Letztlich ist es zu früh zum Jubeln. Denn der Wiedereinzug in den Bundestag ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. "Darüber will ich gar nicht nachdenken", sagte NRW-Generalsekretär Johannes Vogel n-tv.de. Viele sind sich sicher: Vier weitere Jahre in der Opposition hält die Partei kaum durch. Und für Lindner würde es das politische Ende bedeuten. In einem "Zeit"-Interview sagte er bereits vor Jahren: "Wenn ich die FDP 2017 zurück in den Bundestag führe, bleibe ich Politiker. Sonst nicht."

Quelle: ntv.de

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