Scholz gegen Lindner Die verhasste Ampel? Das waren die anderen


Lindner und Scholz haben wieder das gleiche Ziel: Deutlich machen, dass sie der Gute in der Ampel waren.
(Foto: dpa)
Die Ampel-Koalition war die unbeliebteste Regierung der vergangenen Jahrzehnte. Führende Köpfe waren Scholz, Lindner und Habeck. Doch die beiden Erstgenannten gehen nun auf größtmögliche Distanz zu ihrer einstigen Zusammenarbeit. Sie hoffen wohl auf ein kurzes Gedächtnis der Wähler.
Christian Lindner sagte am Mittwoch im Bundestag: "Manchmal ist eine Entlassung wie eine Befreiung" - es war der Satz, der hängen blieb aus seiner Rede. Am Abend präzisierte er in der ARD: "Ich fühle mich eher befreit, jetzt auch viel offener sagen zu können, was ich für das Land für richtig und für erforderlich halte." Das war dann doch überraschend. Wenn ein Ampel-Politiker ständig gesagt hat, was er will, war es Lindner. Oft hieß es, er führe sich auf wie die Opposition in der Regierung.
Lindner sagte noch einen Satz: "Ich habe das Gefühl, dass auch das Land selbst sich befreit fühlt, dass es jetzt bald eine Richtungsentscheidung gibt, die die Bürgerinnen und Bürger treffen können."
Tatsächlich hatten die meisten Menschen in Deutschland genug von der Ampel. Ihr Vertrauensverlust über die vergangenen drei Jahre war dramatisch. Sie war die unbeliebteste Regierung der Nachkriegsgeschichte. Die Wählerschaft hat sich zur Union und an die Ränder verdünnisiert. Diese Konstellation, Rot-Gelb-Grün, ist vermutlich auf Jahre hinaus verbrannt, sie ist toxisch.
Die "Regierung Scholz"
Da ist es kein Wunder, wenn ihre führenden Köpfe so tun, als hätten sie nichts damit zu tun gehabt. Insbesondere Lindner, aber auch Olaf Scholz tun jetzt so, als ob die Ampel-Misere mit ihnen nichts zu tun gehabt hätte. Nach dem Motto: Sie wollten das Richtige im Falschen.
Lindner spricht jetzt nur noch von der "Regierung Scholz". Er sagt das auch, wenn es um die Vergangenheit geht. Also um die Zeit, als die FDP noch an Bord war. Das wirkt so, als ob er die FDP-Beteiligung daran vergessen machen will. Die Ampel, das waren die anderen.
Dabei war Lindner einer der Köpfe der Regierung, eine ihrer wichtigsten handelnden Personen. Auch wenn die Liberalen mit der Haltung auftraten: Wir verhindern hier das Schlimmste, sie waren eben auch beteiligt. Das Bürgergeld gestaltete die FDP aktiv mit. Sie stimmte nicht nur unter Protest zu, so wie beim Heizungsgesetz. Das ist auch völlig in Ordnung. Aber es waren eben nicht alles immer nur die anderen.
Wo war Scholz?
Im Wahlkampf wäre so ein Eingeständnis ein Klotz am Bein. Besser ist es aus Sicht der Liberalen, wenn sie die eigenen Sympathisanten möglichst schnell verinnerlichen: Die Partei wollte das Richtige und hat das Schlimmste verhindert. Eine große Gefahr wäre es für sie, wenn potenzielle Wähler stattdessen denken: Die FDP hat sich als nicht regierungsfähig erwiesen.
Olaf Scholz spielt ein ähnliches Spiel. Er schiebt alle Schuld am Scheitern seiner Regierung Lindner und der FDP zu. Ja, schuldlos ist die sicher nicht. Aber andererseits kann man einem FDP-Chef nicht vorwerfen, FDP-Politik machen zu wollen und auf Kernüberzeugungen zu beharren.
Als Regierungschef hatte Scholz die Letztverantwortung. Es war sein Job, den Laden zusammenzuhalten. Das hat er nicht geschafft. Streit ist, was von der Ampel in Erinnerung bleiben wird. Streit überdeckt auch die Erfolge wie den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien, das Management der Gaskrise und manches andere. Viele Menschen dachten nicht: Wenigstens hält Scholz die Fäden in der Hand. Sondern man fragte sich eher: Wo ist Scholz?
Die Ampel bestand aus drei Partnern
Scholz stellt sich selbst als den konstruktiven Kopf dar, der bis zur letzten Minute nach Kompromissen gesucht hat, aber der böse Lindner wollte einfach nicht mitmachen. Dahinter soll wohl die Botschaft stecken: Wenn ich nochmal regiere, dann ohne Lindner, wird alles anders! Denn wenn der Schuldige raus ist, hat sich das Problem aufgelöst. Diese furchtbare Ampel, das war Lindner. Für Selbstkritik war Scholz noch nie bekannt. Doch damit macht er es sich arg einfach.
Selbstverständlich haben Scholz und die SPD die Regierung inhaltlich geprägt. Das Bürgergeld war eines der wichtigsten SPD-Ziele für diese Koalition. Es riss unerwartet Vertrauen ein. Es gibt eine Frage, an die ein Sozialstaat die breite Masse der Menschen nicht einmal denken lassen darf. Sie lautet: Lohnt es sich noch, zu arbeiten? Das muss sich Scholz ankreiden lassen.
Damit nicht genug. Nach seiner starken Zeitenwende-Rede hätte er mehr für die Verteidigung tun können. Er hätte schneller Leopard-Panzer an die Ukraine liefern müssen. Deutschland und Frankreich müssen zudem zur Paartherapie. Dabei müssten beide Länder alles dafür tun, die EU zusammenzuschweißen. Ist ja gerade einiges los in der Welt. Kurzum: Nicht alles, was falsch lief in der Ampel, lässt sich bei Lindner abladen. Denn die Koalition bestand aus allen dreien: aus SPD, Grünen und FDP.
Quelle: ntv.de