Ausschreitungen in Heidenau "Das Gebot der Stunde: null Toleranz"
24.08.2015, 20:02 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Krawalle vor einer Flüchtlingsnotunterkunft in der sächsischen Kleinstadt Heidenau schockieren die Republik. Vizekanzler Sigmar Gabriel forderte bei einem Besuch vor Ort die volle Härte des Gesetzes für die rechtsextremen Randalierer und erklärt, Deutschland dürfe dem rechten Mob keinen Raum geben. Und auch Kanzlerin Angela Merkel positioniert sich - endlich, wie die Kommentatoren der deutschen Presse feststellen.
Die Welt schreibt: "Die Kanzlerin möge doch mal etwas sagen zu Heidenau und dem Neorassismus - das ist der laut vorgetragene Wunsch von Politikern, Medien und Netzaktivisten, die ihren Computer samt Tastatur mit dem öffentlichen Raum verwechseln. (...) Übergossen mit einem sentimentalistischen Empathiebedürfnis, soll die Kanzlerin stellvertretend für uns alle die richtigen Worte finden und jenen ins Gewissen reden, die ihres im völkischen Bierrausch verloren haben. Merkel überlässt ihrem Vizekanzler das Feld, der dementsprechend verbal aufrüstet und nicht sonderlich souverän vor allem von 'Mob' und 'Pack' spricht. Es sind Wörter, die nun auch jenen über die Lippen kommen, die sonst als Sprachpolizei gerne höchste Standards einfordern."
Für die Ludwigsburger Kreiszeitung ist Gabriels Besuch in der Kleinstadt nahe Dresden "zwar ein spätes, aber wichtiges Zeichen, dass sich die Bundespolitik und die Zivilgesellschaft den Hass und die Gewalt von rechten Extremisten und ihrer Mitläufer nicht bieten lassen wollen. Dass der Vizekanzler die Täter 'Pack' genannt hat, sei "starker Tobak - die politisch Korrekten werden zusammengezuckt sein. Aber die Gewalttäter dürfen nicht geschont werden. Weder juristisch, noch verbal." "Sicher: Wer es schlecht meint mit der Politik, der wird nun beklagen, dass auf einmal jeder Flüchtlingspolitiker sein will. Oder dass Polittourismus zu den Heimen den Menschen nicht helfen wird. Das stimmt jedoch nicht. Vor Ort lassen sich die zum Teil dramatischen Probleme besser begreifen als am Berliner Schreibtisch."
Die Nürnberger Nachrichten üben Kritik an Angela Merkel: "Sehr spät hat sich nun auch die Kanzlerin zu den Gewaltakten geäußert. Es wäre auch ein Bild mit Symbolkraft, würde sie sich an der Seite bedrängter Flüchtlinge zeigen. Und erklären, wer da Rechte verletzt: nicht Asylbewerber, die Schutz suchen oder ein Auskommen, sondern Deutsche, die zu Gewalt greifen und 'Wir sind das Volk' rufen - eine dreiste Vergewaltigung dieser historischen Parole, deren Ursprünge Angela Merkel 1989 erlebt hat. Gerade deshalb wünschte man sich klarere Worte von ihr an Leute, die Schande über dieses Volk bringen."
Die Stuttgarter Zeitung erwartet nach den Ausschreitungen im sächsischen Heidenau politische Maßnahmen von Merkel: "Von Politikern wird mehr erwartet als schlichte Empörung. Die Kanzlerin hat klare Worte gefunden, um jene Linie zu markieren, die eine Kulturnation von fremdenfeindlichen Krawallbrüdern trennt - ohne in Gossensprache zu verfallen. Es ist kein Versäumnis, dass sie nicht prompt nach Heidenau pilgert. Ein Versäumnis wäre aber, wenn sie keine Lösungswege aufzeigen könnte, wie die Völkerwanderung nach Deutschland zu bewältigen ist, ohne dass Bilder wie aus Heidenau zu einem täglichen Spektakel werden."
Die Westfälischen Nachrichten vertreten den Standpunkt: "Das Gebot der Stunde: null Toleranz. Das Gewaltmonopol des Staates muss den aggressiven Fremdenhass mit aller Härte treffen; die Straftäter gehören verfolgt und verurteilt." Ein Wanken oder gar Weichen wie in Rostock 1992 darf es nach Ansicht des Blattes aus Münster "nie wieder geben."
Zusammengestellt von Susanne Niedorf
Quelle: ntv.de