"Eine Klage war unvermeidbar" EU-Kommission klagt gegen Pkw-Maut
29.09.2016, 20:54 Uhr
Wegen der Diskriminierung ausländischer Autofahrer durch die Pkw-Maut verklagt die EU-Kommission nun die Bundesregierung. Verkehrsminister Dobrindt zeigt sich jedoch optimistisch. Die Presse hingegen fragt sich, ob die Maut noch zu retten ist.
Der "Münchner Merkur" sieht die Klage als Chance, zu einem annehmbaren Gesetzentwurf zu kommen: "Die EU-Kommission hat die Maut auf Eis gelegt. Jetzt klagt sie gegen das Maut-Gesetz vor dem Europäischen Gerichtshof. Angesichts der über den Kontinent absurd ungleich verteilten Milliardenlasten durch die Migration erscheint es auf den ersten Blick völlig bizarr, wegen ein paar Euro angeblich diskriminierender Maut jahrelange Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu führen. Aber es ist halt der Rechtsweg. Er birgt sogar die Chance für die Bundesregierung, mittelfristig zu einer vernünftigen Maut zu kommen. Vielleicht, sei's drum, auch anders als in der verwinkelten Konstruktion der Inländer-nicht-Belastung." Der Kommentator fasst pragmatisch zusammen:" Eine funktionierende Maut ist besser als eine nicht funktionierende Lachnummer."
Wenn die Maut scheitern sollte, werde sich das auch auf das Wählervertrauen auswirken, prophezeien die "Nürnberger Nachrichten". "Sollte, was von vielen angenommen wird, die Abgabe vor dem Europäischen Gerichtshof scheitern, könnten die gedanklichen Väter der deutschen Pkw-Maut sagen: Wir haben es versucht, aber es geht nicht. Und alles bliebe beim Alten. Das aber ist ein abgefeimtes Spiel mit dem Vertrauen der Wähler, das nicht folgenlos bleiben wird." Die Kommission aber habe keine Wahl: Sie müsse das Gebot der Nicht-Diskriminierung von EU-Ausländern in den Mitgliedstaaten durchsetzen. Doch das Blatt sieht die Klage ebenfalls positiv: "Nachdem sich die Bundesregierung nicht bewegen konnte oder wollte, war eine Klage unvermeidbar. Dass diese jetzt endlich kommt, bringt - wenn auch langsam und wohl in Jahren gerechnet - Schwung in die ermüdende Diskussion. Es wird Zeit für ein Urteil."
Die "Nordwest-Zeitung" aus Oldenburg zeigt sich verwundert über Dobrindts Enthusiasmus bei der Durchsetzung der Klage: "Was bleibt, ist ein beschädigter Verkehrsminister Alexander Dobrindt. Woher er seinen Optimismus bezieht, die Klage würde nun endlich die Rechtmäßigkeit der Pkw-Maut erweisen, bleibt im Dunkeln." Mit dem Wahlkampfthema und Prestigeprojekt Maut habe Dobrindt nämlich auch die Entlastung der deutschen Autofahrer versprochen. Der Kommentator schreibt, dass die Maut-Schlappe Deutschland in einem schlechten Licht erscheinen lasse: "Die Maut ist ein Lehrbeispiel, wie unterschiedlich austarierte Interessen zum schlechtesten aller Kompromisse führen und schließlich dafür sorgen, dass deutsche Gesetzgebung in Europa vorgeführt wird. Traurig, aber wahr."
Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schreibt: "Längst ist klar, dass eine mit Europarecht konforme Maut nicht zu haben ist, ohne auch deutsche Autofahrer dadurch etwas stärker zu belasten. Hinweise, wie die deutsche Maut mit EU-Recht zu vereinbaren wäre, hat Dobrindt ignoriert. Er hat die jetzt gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof eingereichte Klage geradezu provoziert." Offensichtlich käme der CSU das Verfahren sehr gelegen, denn mit einem Urteil sei erst nach der Bundestagswahl zu rechnen. Politisch kämen die Christsozialen so mit einem blauen Auge davon, die Maut liege auf Wiedervorlage. Der Kommentator spekuliert über Dobrindts mögliche Intension: "Den mit der Mautklatsche aus Brüssel verbundenen Spott erträgt Dobrindt allemal lieber als geballten Gebührenärger heimischer Autofahrer, die sich getäuscht sehen. Und im Bundeshaushalt fehlen die Mauteinnahmen vorerst auch nicht."
Spott gibt es tatsächlich, von der "Märkischen Oderzeitung": "Der christsoziale Bundesverkehrsminister wollte die Maut mit einem Trick durchsetzen - indem er aus einer Sache zwei Gesetze macht. Und so tut, als habe die Entlastung der deutschen Autofahrer bei der Kfz-Steuer nichts mit der Maut zu tun. So veräppeln lässt sich die EU-Kommission natürlich nicht, die zunächst ein Verfahren gegen Deutschland einleitete und nun vor dem Europäischen Gerichtshof klagt. Kippt das oberste EU-Gericht diese Benachteiligung der Ausländer, kann die Maut trotzdem erhoben werden - jedoch ohne Entlastung bei der Kfz-Steuer für deutsche Autofahrer. Dann wäre die CSU mit einer Ausländer-Maut gestartet und hätte tatsächlich eine Inländer-Maut produziert."
Die "Badische Zeitung" aus Freiburg sieht das ähnlich: "Seehofer und Dobrindt haben ihren Wählern das Gegenteil versprochen: Die Ausländer sollten mehr zahlen, die deutschen Autofahrer in gleicher Höhe entschädigt werden." Dieser Plan sei mit der Klage der EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof gescheitert. Zumindest vor der nächsten Bundestagswahl werde wohl nicht geklärt, ob die Maut mit europäischem Recht vereinbar sei. "Im Schnitt dauern solche Verfahren länger als ein Jahr. Der CSU bleibt die Peinlichkeit erspart, dass die Richter in Luxemburg die Ausländer-Maut vor dem Wahltag kassieren. Doch die Hängepartei bedeutet so oder so eine Schlappe für die CSU."
Zusammengestellt von Stefanie Rosenthal
Quelle: ntv.de