Pressestimmen

Strafe für Unions-Abweichler "So gewinnt man keine Schlachten"

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60 Abgeordnete aus den Reihen der Union machen ihrem Unmut über die Griechland-Verhandlungen im vergangenen Monat Luft: Sie stimmen im Bundestag gegen das von der Regierung vorgeschlagene Milliarden-Hilfspaket. Nun drohen ihnen Konsequenzen, zumindest, wenn es nach Unionsfraktionschef Volker Kauder geht. Der kündigt an, Abweichler künftig nicht mehr in zentralen Gremien einsetzen zu wollen. Abgeordnete sind empört, die deutsche Presse reagiert gespalten.

Die Augsburger Allgemeine meint: "Kauder hat reagiert, laut gebrüllt - und in einer Art Torschlusspanik weit übers Ziel hinausgeschossen. Auch wenn er seine Aussage mittlerweile relativiert hat, bleibt der Eindruck, dass er mit dem Holzhammer wild um sich schlägt. Druck aber erzeugt immer Gegendruck. Mit seiner wüsten Drohung hat Kauder das Gegenteil von dem erreicht, was er eigentlich erreichen wollte. Die selbstbewussten Parlamentarier, die sehr genau die Stimmung in ihren Wahlkreisen kennen, lassen sich nicht mit solchen Drohungen disziplinieren."

Die Welt kommentiert: "Eine Regierungsfraktion kann nicht gleichzeitig für und gegen die Politik der von ihr gewählten Bundeskanzlerin arbeiten. Man kann dann nicht ohne Weiteres die Kritik an international relevanten Regierungsvorhaben in den Bereich feierlichen persönlichen Widerstandswillens katapultieren. Kritiker müssen für ihre Haltung in der Fraktion offen eine Mehrheit organisieren. Dann wäre Berlins Position weltweit nachvollziehbar. Das hieße aber auch, eine neue Kanzlerin zu bekommen."

Bei den Westfälischen Nachrichten fragt man sich: "Wie kann ein Strippenzieher und Kompromiss-Schmied so daneben hauen? Volker Kauder sollte, auch wenn er sein Amt als Mehrheitsbeschaffer versteht, froh darüber sein, dass seine Fraktion in der strittigen Debatte zu einem weiteren Hilfspaket ein breites Meinungsspektrum widerspiegelt. Hätte der Fraktionschef trotz der Euro-Rebellen nur Ja-Sager präsentiert, der Wähler hätte die Kauder-Show durchschaut. Fazit: So gewinnt man keine Schlachten."

"Fraktionschefs müssen für das notwendige Wir-Gefühl sorgen und, gerade in der Kanzlerfraktion, die Marschrichtung vorgeben. Eine Idealbesetzung liegt immer dann vor, wenn ein Fraktionsvorsitzender selbst nicht Kanzler werden will und stattdessen aus seiner Fraktion ein verlässliches Gefolge der Regierung bilden möchte", schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung und mahnt: "Insgesamt zeigt Kauders Vorstoß, den seine Sprecherin zu einem 'Appell an den Teamgeist' relativiert, dass seine Stellung nicht stark genug ist, um sich fraktionsintern durchzusetzen. So wird er wohl das Gegenteil von dem erreichen, was er wollte. Statt die Kritik an den Griechenlandhilfen zu stoppen, hat er eine öffentliche Debatte von Mitgliedern der Fraktion losgetreten, die letztlich die Kanzlerin in arge Bredouille bringen könnte."

"Der Widerstand gegen den Kurs der Regierung beim Thema Griechenland ist groß - und die Nervosität vor der nächsten Abstimmung noch größer", schreibt auch das Straubinger Tagblatt und resümiert, dass es sich keinesfalls um einen "Sturm im Wasserglas" handele, sondern "ein grelles Schlaglicht auf das Klima in CDU und CSU" werfe.

Anders hingegen sieht man Kauders Aussagen bei der Magdeburger Volksstimme: "Man kann Volker Kauder Ungeschick vorwerfen, aber er hat nur offen gesagt, was in allen Parteien üblich ist. Wer in wichtigen Fragen nicht der Mehrheit folgt, muss mit Folgen rechnen. (...) 'Abweichler' wie Wolfgang Bosbach oder Peter Gauweiler haben keine Ambitionen mehr. Junge Abgeordnete, die Karriere machen wollen, scheren dagegen selten aus. Aber das ist nicht undemokratisch. Parteien sind keine Plattformen für persönliche Meinungen ihrer Mandatsträger. Sie müssen auch bei hochkomplexen Themen beschlussfähige Mehrheiten organisieren, ohne die eine Regierung arbeitsunfähig wäre."

Zusammengestellt von Annika Thöt

Quelle: ntv.de

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