Pressestimmen

Deutschpflicht-Vorschlag der CSU "Spagat, der im Schritt schmerzt"

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Die CSU will bis in die Wohnzimmer hineinregieren: In einem Leitantrags-Entwurf für den Parteitag am kommenden Wochenende in Nürnberg heißt es: "Wer dauerhaft hier leben will, soll dazu angehalten (später umformuliert in "motiviert", Anm. d. Red.) werden, im öffentlichen Raum und in der Familie deutsch zu sprechen." Ein Satz, der empört - oder auch für Spott sorgt.

Dem Tagesspiegel aus Berlin ist jegliches Verständnis abhanden gekommen: "Von Roman Herzog übernahm die CSU einst den Slogan von der 'Symbiose aus Laptop und Lederhose', die in Bayern angeblich wunderbar verwirklicht sei. Bei  den Themen Einwanderung und Integration indes ist aus der Symbiose ein Spagat geworden. Der schmerzt im Schritt - besonders das Publikum, das außerhalb Bayerns zusieht und sich besorgt fragt: Sind die immer so oder können sie anders?"

Auch der Kommentator der Augsburger Allgemeinen scheint irritiert: "Es ist ja richtig: Deutsch ist der Schlüssel zur besseren Integration, und wer in diesem Land seinen Weg machen will, muss sich um gute Sprachkenntnisse bemühen. Aber warum hat die CSU diese schlichte Erkenntnis in eine absurde Parole gegossen? Ganz einfach: Sie wollte nach dem Muster von 'Wer betrügt, der fliegt' Aufsehen erregen und ihre rechte Flanke absichern. Das war kein Versehen, sondern bewusste populistische Kraftmeierei - von jener billigen Sorte, die der Partei mehr schadet als nutzt".

Das Handelsblatt nimmt sich CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer vor, der zunächst keinen Grund sah, von der Forderung abzurücken: "Bayern, das sich so gern weltläufig gibt und das Lebensmotto 'Leben und leben lassen' wie eine Monstranz vor sich herträgt, wirkt auf einmal ganz piefig, provinziell. 'Leben und leben lassen' würde doch heißen, wenigstens zu Hause, in den eigenen vier Wänden, von staatlicher Bevormundung und Kontrolle in Ruhe gelassen zu werden. Doch der CSU-Generalsekretär wollte vor dem Parteitag noch einen draufsetzen. (…) Selbst das blonde Fallbeil Edmund Stoiber hätte sich zu einer solch weltfremden Forderung nicht hinreißen lassen."

"Mit Vulgär-Populismus will die CSU allem, was rechts von ihr sprießen könnte, das Wasser abgraben", konstatiert der General-Anzeiger aus Bonn. Weiter heißt es: " Was ihre Machtperspektiven angeht, haben die Parteistrategen die warnenden Beispiele Großbritannien (Ukip) und Frankreich (Front national) vor Augen. Aber wer in Berlin und München regiert, kann nicht zugleich rechtspopulistische Opposition sein. Dieser Spagat wird auch den geschmeidigen Seehofer, Scheuer und Co. misslingen".

Die Wogen zu glätten, versucht die Zeitungsgruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung: "Im Freistaat klappt die Integration vergleichsweise gut. Diese positiven Erfahrungen sollte die CSU herausstellen. Zu Panik besteht wahrlich kein Anlass. Die aufgeregte Debatte war absolut überflüssig. Mit etwas mehr Fingerspitzengefühl hätte die CSU vor dem Parteitag sicherlich für bessere Presse sorgen können".

Zusammengestellt von Susanne Niedorf

Quelle: ntv.de

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