Ausweitung des VW-Skandals "Verbrauchslüge birgt enormen Zündstoff"
04.11.2015, 21:29 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Volkswagen versinkt immer tiefer im Affären-Sumpf. Nach Bekanntwerden neuer Vorwürfe durch die US-Umweltbehörde drohen dem Konzern wegen falscher Angaben bei CO2-Werten nun weitere Kosten in Milliardenhöhe. Die Presse diagnostiziert einen Image-Totalschaden mit Folgen für die gesamte Autoindustrie Deutschlands.
Die Welt bezeichnet den Prozess der Aufklärung bei Volkswagen als Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland: "Man hätte meinen können, die Abgasaffäre sei längst der größte anzunehmende Unfall für Volkswagen. Aber es kommt noch schlimmer: Die Aufklärung der Manipulationen erfolgt scheibchenweise, was in der Natur der Sache liegt. Denn jene im Konzern, die als Aufklärer angetreten sind, müssen sich erst einen Überblick verschaffen - und so stoßen sie beinahe in jeder Woche auf neue Fälle von Betrug. Doch mit jeder weiteren Entdeckung leidet das Image von Volkswagen, der Konkurrenten, der gesamten Automobilindustrie. Die Folgen von "Dieselgate", das längst zu einem "Autogate" angewachsen ist, werden langfristige sein. Sie haben die Kraft, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu erschüttern. Längst wird die gesamte Autoindustrie in Sippenhaft genommen für das, was bei Volkswagen ausgeheckt wurde."
"Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser", kommentiert die Neue Osnabrücker Zeitung und kritisiert die scheinbare Sonderstellung des Autoherstellers: "Jeder weiß das, doch für die Automobilwirtschaft gelten offenbar andere Regeln. Wie anders ist zu erklären, dass Volkswagen Autos auf die Straße bringen konnte, deren Kohlendioxid-Ausstoß deutlich von den selbst gemessenen Werten abweicht? Jeder Autofahrer weiß, dass die realen Verbrauchswerte und der unter Laborbedingungen ermittelte Verbrauch nur wenig miteinander zu tun haben. 2014 registrierten Umweltexperten und Forscher eine durchschnittliche Abweichung von 38 bis 40 Prozent. Und jetzt? Jetzt kann man sich nicht einmal mehr auf die Laborwerte verlassen, jedenfalls bei VW. Das ist Lug und Betrug in gesteigerter Form."
Die Stuttgarter Zeitung sieht bereits den Stuhl vom neuen VW-Chef Matthias Müller wackeln: "Es drohen hohe Strafzahlungen in vielen Ländern, Anwälte wollen Aktionäre und VW-Kunden als Mandanten gewinnen, um Schadenersatzklagen einreichen zu können. Der Imageschaden ist enorm, und es ist fraglich, ob die Kunden dem Konzern treu bleiben. Es kann leider nicht mehr ausgeschlossen werden, dass der neue Konzernchef bei seinen Aufräumarbeiten scheitert und als tragischer Held abtritt."
Durch den Skandal wird VW den Anschluss an die Konkurrenz verlieren, meint der Mannheimer Morgen: "Klar ist: In puncto Imageverlust ist der Fall VW längst ein Totalschaden. Der Konzern hat seine Kunden letztlich gezielt betrogen, um sich einen grünen Anstrich zu verpassen und den Absatz mit attraktiven Spritverbrauchszahlen anzukurbeln. Erschwerend kommt hinzu, dass es der Hersteller in all der Zeit versäumt hat, die offenbar durchaus vorhandene kreative Energie im Unternehmen in die Entwicklung neuer, wirklich zukunftsträchtiger Antriebstechnologien zu stecken. Hier fährt die Konkurrenz inzwischen teilweise deutlich voraus - und der Abstand wird sich nun, wo VW erst mal eine ganze Zeit lang mit sich selbst und der Aufarbeitung des Skandals beschäftigt sein wird, weiter vergrößern."
Die Mittelbayerische Zeitung wittert angesichts der CO2-Manipulationen bei VW eine "systematische Steuerhinterziehung": "Auch in Deutschland wird die Kfz-Steuer teilweise nach dem Normverbrauch bemessen. Andere Länder machen das noch viel ausgeprägter. Da werden - je nach CO2-Wert - bis zu 50.000 Euro 'Zulassungssteuern' fällig. Gerade deswegen birgt die Verbrauchslüge enormen Zündstoff. Denn damit geht es womöglich um systematische Steuerhinterziehung, potenziell bis in den Milliardenbereich. Ob die zusätzlichen zwei Milliarden Euro ausreichen werden, die VW hierfür flugs reserviert hat, scheint fraglich."
Quelle: ntv.de