Ratgeber

Vorgesetzten an die Hand nehmen Cheffing – so führen Sie Ihren Chef

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(Foto: imago/Ikon Images)

Wer hat sich nicht schon mal ungerecht behandelt gefühlt? Oder unter den Gemütsschwankungen des Chefs gelitten? Oder die nötige Anerkennung vermisst? Egal was es ist, es ist Zeit zu handeln.

In vielen Unternehmen sind die Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern weitgehend unproblematisch und die gemeinsame Arbeit steht im Einklang mit den Vorstellungen der Beteiligten – so sollte es sein. Doch es kommt immer wieder vor, dass sich Situationen wie die eingangs beschriebenen häufen. Dann setzt oft eine schleichende Demotivation einzelner Mitarbeiter oder sogar ganzer Teams ein.

Überwiegen negative Situationen und ist das Verhältnis zum Chef dauerhaft belastet, können zunächst motivierte Mitarbeiter und/oder Leistungsträger nicht nur die Lust am Arbeiten verlieren, sondern sogar so frustriert sein, dass sie die Stelle wechseln. Viele Mitarbeiter suchen sich in dauerhaft belastenden Situationen lieber einen neuen Chef, als sich mit dem alten auseinanderzusetzen. Ob das Verhältnis zum neuen Chef dann besser ist, steht jedoch in den Sternen. Deshalb ist es häufig sinnvoller, an der aktuellen Situation aktiv etwas zu ändern, als sich zurückzuziehen.

Der Chef erkennt die eigenen Fehler nicht

Wenn ein Chef sich in den Augen seiner Mitarbeiter falsch, unsachlich, ignorant oder sonstwie negativ verhält, steckt in der Regel keine Absicht dahinter. Der Chef weiß oft nicht, dass er Fehler macht und was sein Verhalten bei den Mitarbeitern auslöst. Genau an diesem Punkt können Sie mit Cheffing – Ihr positives Einwirken auf Ihren Vorgesetzten im Sinne der gemeinsamen Sache – ansetzen. Treten Sie in Kommunikation mit Ihrem Chef. Wenn Sie sich vor Augen führen, dass Sie vieles beeinflussen, wenn auch nicht alles ändern können, dann werden sich Gelegenheiten ergeben, Ihr Vorgesetztenverhältnis nach Ihren Vorstellungen mitzugestalten, statt darunter zu leiden.

Prof. Dr. Norbert Rohleder ist  Professor für Human Resource Management und Soziale Interaktion an der Hochschule Mainz.

Prof. Dr. Norbert Rohleder ist  Professor für Human Resource Management und Soziale Interaktion an der Hochschule Mainz.

Am Anfang einer solchen aktiven Beziehungsgestaltung stehen Ihre Beobachtungen und Einschätzungen: Was für ein Typ ist Ihr Chef? Legt Ihnen sein autoritärer Stil die Zügel an und blockiert er Ideen und Innovationen oder führt seine Laissez-faire-Haltung zu fehlenden Vorgaben, Impulsen und Informationen? Verhält er sich entscheidungsfreudig oder eher abwartend und unentschlossen? Bevorzugt er einen bestimmten Kommunikationsstil oder eine spezielle Kommunikationsform – persönlich, per E-Mail, Jour Fix oder unregelmäßige Meetings? Stellt er formale Genauigkeit über sachlichen Gehalt oder vice versa? Mit welchen charakterlichen Stärken und Schwächen würden Sie ihn beschreiben?

Die Antworten auf diese Fragen weisen Ihnen eine erste Richtung für Ihr Cheffing: Welche Probleme sollten Sie wie und wann mit welchen Zielsetzungen aktiv angehen.

Bevor Sie Ihr Cheffing in die Tat umsetzen, sollten Sie folgenden Grundsatz beherzigen: Es geht nicht um Manipulation, Machtkämpfe oder Bloßstellungen, vielmehr sind konstruktive Lösungsansätze gefragt, die das Arbeitsklima und die Zusammenarbeit objektiv verbessern sowie die Zufriedenheit im Team steigern.

Die folgenden fünf Tipps können Sie als Leitfaden nutzen, um das Verhalten Ihres Vorgesetzten positiv zu beeinflussen und damit für eine angenehme betriebliche Atmosphäre zu sorgen:

Richtiges Timing und Vorbereitung

Wenn Sie das Gespräch mit Ihrem Chef suchen, achten Sie auf das Timing. Berücksichtigen Sie die Vorlieben Ihres Chefs, aber auch Ihre eigene Leistungskurve. Vereinbaren Sie einen Termin, der für Sie beide günstig ist – ohne voraussehbare Störungen zu einer Zeit, in der Sie beide leistungsfähig und offen sind.

Bereiten Sie das Gespräch vor: Welche Themen wollen Sie ansprechen? Was ist Ihr Ziel? Welche Lösungsvorschläge können Sie machen? Bringen Sie Ihr Anliegen auf den Punkt und verschaffen Sie sich selbst, aber auch Ihrem Gesprächspartner Klarheit.

Kommunikation

Suchen Sie die Verständigung im Gespräch. Benennen Sie konkrete Ärgernisse. Dabei dürfen Sie auch Gefühle zeigen: Legen Sie Ihre Enttäuschungen und Ängste, aber auch Erfreuliches offen. Bleiben Sie bei Ihrer Kritik dennoch konstruktiv; treffen Sie klare Aussagen. Stellen Sie zielgerichtete Fragen nach den Bedingungen, dem Zweck und Nutzen der aus Ihrer Sicht problematischen Entscheidungen oder Arbeitsanweisungen. Neigt Ihr Chef dazu, unklare Anweisungen zu geben oder diffuse Ziele zu setzen, haken Sie nach. Fassen Sie die Ergebnisse des Gesprächs schriftlich zusammen und lassen Ihrem Chef die Zusammenfassung zukommen.

Aktivität und Durchhaltevermögen

Ihre Eigeninitiative ist gefragt: Formulieren Sie konkrete Lösungswege, wenn Sie Schwierigkeiten thematisieren. Fordern Sie ein, was Sie für wichtig erachten, statt sich resigniert zurückzuziehen.

Lassen Sie sich mit Ihrem Anliegen nicht abwimmeln und bleiben Sie am Ball! Dabei kann es hilfreich sein, Ihren Chef auch um eine schriftliche Stellungnahme zu bitten, auf die Sie sich bei Bedarf auch nach längerer Zeit noch beziehen können.

Fingerspitzengefühl

Untermauern Sie Ihre Ansichten und Meinung mit nachvollziehbaren Argumenten. Führen Sie Ihre besonderen fachlichen Kenntnisse oder praktischen Erfahrungen, also Ihren Expertenstatus, ins Feld. Bedenken Sie jedoch auch, dass Ihr Chef einen größeren Verantwortungsbereich hat und organisatorisch eingebunden ist. Wechseln Sie die Perspektive und fragen Sie sich: Steht mein Chef noch stärker unter Druck als ich? Möglicherweise rangieren Gegebenheiten, von denen Sie nichts wissen, auf seiner Agenda berechtigterweise weiter oben.

Begreifen Sie sich vor diesem Hintergrund als fachlicher Berater, der seinem Chef in Zeiten allgemeiner Arbeitsverdichtung einen Entlastungsnutzen liefert, und formulieren Sie Ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen im Zusammenhang mit Ihrer Leistungsfähigkeit und Produktivität.

Würdigung Ihres Gegenübers

Thematisieren Sie Verstöße im zwischenmenschlichen Umgang oder einen unangemessenen Gesprächston. Sagen Sie Ihrem Chef, was Ihnen im täglichen Miteinander wichtig ist und worauf Sie Wert legen: Wenn Sie Ihre Werte und Verhaltensprinzipien umreißen, kann sich eine Atmosphäre wechselseitiger Anerkennung und Wertschätzung leichter etablieren. Begegnen Sie Ihrem Chef auf Augenhöhe, denn Unterwürfigkeit ist für ein gutes Vorgesetzten-Mitarbeiter-Verhältnis ebenso wenig fruchtbar wie überhebliche Vorträge.

Verbindlichkeit

Nicht nur für Sie ist ein wankelmütiger, spontan entscheidender Chef problematisch. Auch für Ihren Chef sind Überraschungen, Unzuverlässigkeit, Unklarheit und Unvollständigkeit von Seiten der Mitarbeiter schwierig zu handhaben.

Stecken Sie mit Ihrem Chef gemeinsam qualitative Leistungsmerkmale ab. Diese verhindern übersteigerte Erwartungen und helfen als Gütekriterien bei der Beurteilung und Bewertung Ihrer Arbeit. Im Gegenzug können Sie verbindliche Zusagen von Ihrem Chef erwarten. Weisen Sie Ihren Vorgesetzten höflich, aber bestimmt darauf hin, wie wichtig es Ihnen ist, dass getroffene Vereinbarungen eingehalten werden.

Wenn Sie sich in Ihrem Verhalten von diesen sechs Tipps leiten lassen, profitieren beide Seiten: Denn spielen der Chef und seine Mitarbeiter als Mannschaft für den gemeinsamen Erfolg, steigen Lebens- und Arbeitsqualität für alle.

Behalten Sie beim Cheffing aber immer die Unterscheidung zwischen Führungs- und Fachkompetenz im Blick. Dass Sie gegenüber Ihrem Vorgesetzten in fachlicher Hinsicht auf Ihrem Gebiet einen Wissensvorsprung genießen, ist nicht ungewöhnlich und war vielleicht der Grund dafür, dass Sie eingestellt wurden. Von Ihrem Chef wird anderes erwartet: Mit seiner Führungsarbeit ist er unmittelbar den übergeordneten Unternehmenszielen verpflichtet. Führen Sie sich den Zwiespalt, in dem Ihr Vorgesetzter permanent steckt, bewusst vor Augen: Er muss sowohl zum Wohle des Unternehmens oder der Institution als auch zum Wohle seiner Mitarbeiter handeln – das ist oft ein Balanceakt. Wenn Sie sich das hin und wieder in Erinnerung rufen, wird es Ihnen leichter fallen, scheinbar unverständliche Entscheidungen Ihres Chefs nachzuvollziehen und Verständnis dafür aufzubringen.

Wenn nichts mehr geht …

Gezielt und klug eingesetztes Cheffing führt zwar häufig zu einer Verbesserung der Beziehungen zwischen Chef und Mitarbeitern; es ist aber kein Garant für eine gute Arbeitsatmosphäre. Der Umgang mit Ihrem Chef kann schwierig bleiben oder ein belastetes Verhältnis kann sich noch verschlechtern, wenn sich Ihre Ansprüche an das gemeinsame Arbeiten nicht mit den Vorstellungen von Führung auf Seiten Ihres Vorgesetzten decken. Ihre noch so ausgewogenen Bemühungen und diplomatischen Aktionen laufen dann ins Leere. In solchen Fällen können Sie den Betriebsrat, eine Vertrauensperson oder weitere Vorgesetzte hinzuziehen. Letztlich sind betriebliche Hierarchien kein basisdemokratisches System und bestimmte Machtkonstellationen führen eben nicht immer zur besten aller Welten. Konsequenzen ziehen mag dann doch bedeuten, den Chef "zu wechseln".

Doch bevor es soweit kommen muss, haben Sie mit dem Cheffing ein gutes Instrument an der Hand, eine konstruktive Kommunikations- und Arbeitskultur anzustoßen, in der Konsequenzen ziehen auch bedeuten kann, den Chef einmal für seine gute Führungsarbeit zu loben.

Prof. Dr. Norbert Rohleder ist  Professor für Human Resource Management und Soziale Interaktion an der Hochschule Mainz.

Quelle: ntv.de

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