Baugemeinschaften Günstiger zur Eigentumswohnung
25.07.2011, 11:09 UhrBauen ist teuer, besonders in Ballungsgebieten. Für viele bleibt das Eigenheim daher ein Traum. Mit einer Baugemeinschaft könnte er doch in Erfüllung gehen. Sie macht Wohneigentum erschwinglich und bietet Spielraum für eigene Wünsche.

Für ihre Wohnungen unweit des Kollwitzplatzes haben die Eigentümer gerade mal 2300 Euro pro Quadratmeter gezahlt.
Der Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg ist beliebt. Wer hier wohnen will, zahlt saftige Mieten oder horrende Kaufpreise für eine schicke Altbauwohnung. Anders die 24 Familien in der Kollwitzstraße 22. Sie wohnen in maßgeschneiderten nagelneuen Eigentumswohnungen. Gerade einmal 2300 Euro pro Quadratmeter haben diese durchschnittlich gekostet, erzählt Thomas Welter, einer der Eigentümer und Bundesgeschäftsführer des Bundes deutscher Architekten. Sonderwünsche wie etwa die Badewanne im Schlafzimmer, Blockheizkraftwerk und Pelletheizung inklusive.
Einer der Bauherren, ein Pilot, habe den Traum von einer Penthouse-Wohnung auf dem Grundstück gehabt, den Eigentümer ausfindig gemacht und einen Kaufpreis ausgehandelt. Das war im Jahr 2005. Was fehlte, waren die Miteigentümer. Ein paar Inserate und ein wenig Mund-zu-Mund-Propaganda später gab es die erste Infoveranstaltung. 800 Leute sollen laut Welter damals gekommen sein. Drei Jahre später war das Mehrfamilienhaus fertig.
Ohne Bauträger wird's günstiger
Im Neubau nebenan kostete der Quadratmeter 3500 Euro. Welter und seine Co-Bauherren konnten günstiger bauen - und das nicht nur, weil sie sich schon vor sechs Jahren das Grundstück gesichert haben. "Möglich ist das vor allem, weil man sich den Bauträger spart", sagt Carmen Mundorff von der Architektenkammer Baden Württemberg. Durch die Größe des Projektes sinken zudem die Kosten für Handwerker und Ausschreibungen im Vergleich zum Einzelbauherren. Notargebühren und Grunderwerbssteuer fallen nur für die unbebaute Fläche an. Daher sparen Baugemeinschaften in der Regel etwa 20 Prozent.
Geburtsstadt der Baugemeinschaften ist Tübingen. Dort entwickelte die Stadt das Modell nach dem Abzug des französischen Militärs Anfang der 1990er Jahre als städtebauliches Instrument, um die freigewordenen Fläche neu zu erschließen. Anfangs waren es fast ausschließlich junge Geisteswissenschaftler, die sich auf das Experiment einließen. "Junge Akademikerfamilien, die in der Studentenstadt hängengeblieben sind und auf dem Mietwohnungsmarkt nichts gefunden haben", erklärt Matthias Gütschow vom Bundesverband der Baugemeinschaften.
Inzwischen hat der Trend auf alle Gesellschaftsschichten übergegriffen. "Arbeiter, Handwerker und Professoren, alleinerziehende Mütter und Senioren sind dabei", erklärt Gütschow. Und die Banken lieferten sich - zumindest in Süddeutschland - regelrecht eine Zinsschlacht, um die Projekte finanzieren zu dürfen.
Vom Doppelhaus zur Fabrikhalle
Baugemeinschaften gibt es mittlerweise in vielen Großstädten. In Hamburg etwa reserviert die Stadt 20 Prozent ihrer Flächen für Baugemeinschaften und hat eigens eine Agentur gegründet, die Baugemeinschaften berät und für die Grundstücksvergabe zuständig ist.
Der Potsdamer Architekt Dietrich Wiemer verwirklichte sich zunächst als Bauherr in einer Baugemeinschaft 1999 seinen Traum vom Loft in einer Fabrikhalle. Seither entwickelt er beruflich Projekte für Baugemeinschaften aller Art. Die Bandbreite der Immobilien reicht vom Umbau einer alten Brauerei-Ruine über die Sanierung von Altbauvillen bis hin zum Neubau von Doppelhaushälften.
Viele Meinungen, viel Ärger
Das Prinzip einer Baugemeinschaft ist einfach. Man tut sich zusammen, meist als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), kauft als solche das Grundstück, engagiert einen Architekten und baut. In der Praxis funktioniert das allerdings selten reibungslos. Die Probleme liegen nicht etwa im rechtlichen Bereich oder bei der Finanzierung, sondern in der Vielzahl der Interessen, die bei einem solchen Projekt unter einen Hut gebracht werden müssen. "Auf dem Weg zum Wunschwohnen müssen viele Kompromisse gemacht werden", betont Carmen Mundorff.
Von der Gestaltung der Außenanlagen über die ökologische Ausrichtung bis hin zur Farbe der Ziegel - beim Hausbau gibt es viele Streitpunkte, weiß auch Matthias Gütschow. Er empfiehlt, grundsätzlich einen externen Projektleiter zu engagieren, der Entscheidungsprozesse moderiert. Denn eine gute Diskussions- und Streitkultur sei das Fundament einer jeden erfolgreichen Baugemeinschaft.
Die Berliner Baugemeinschaft Kollwitzstraße hat die Moderation in Eigenregie durchgeführt. Anfangs gab es wöchentliche Planungstreffen, später monatliche. "Diskussion und Koordination sind die Standardeigenleistungen", sagt Welter. "Wer das Planen und Bauen übersteht, den kriegt danach nichts mehr auseinander." Entsprechend scheitern Baugemeinschaften entweder im Anfangsstadium, weil sich das Vertrauen nicht einstellt, oder sie wachsen zu einer echten Hausgemeinschaft zusammen. In Wiemers Loft dauert die jährliche Eigentümerversammlung gerade einmal eine Stunde. Und Welter scherzt: "Ich baue nie wieder, so gut kann es nur einmal sein."
Quelle: ntv.de, dpa